Mehrsprachigkeit bei Kindern: So klappt’s

Katharina Looks

Hallo große Welt: Sprachen lernen heißt auch, anderen Kulturen näher zu kommen.
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Kinder eignen sich Sprachen intuitiv an, auch mehrere gleichzeitig. Beste Voraussetzungen also, um früh verschiedene Sprachen zu lernen? Jein. Es kommt auf das “Wie” an. Worauf sie bei mehrsprachiger Erziehung achten sollten.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Mehrsprachigkeit für den Menschen grundsätzlich kein Problem darstellt. Die Sprachlernfähigkeit ist sogar prinzipiell darauf ausgerichtet. Der Großteil der Weltbevölkerung wächst mehrsprachig auf, Einsprachigkeit dagegen ist eher ein europäisches Phänomen. (Mehr dazu: Mehrsprachigkeit bei Kindern und Erwachsenen)

Während Kinder hierzulande lange erst in der weiterführenden Schule eine Fremdsprache erlernten, entwickelte sich in den letzten Jahren ein Trend hin zur mehrsprachigen Erziehung sehr kleiner Kinder. Teil eines Förderwahns? Vielleicht, wenn Eltern selbst keine Muttersprachler sind und/oder ihre Kinder Vokabeln und Grammatik pauken lassen.

Doch wenn man es richtig angeht, bringt es viele Vorteile mit sich, im frühen Kindesalter mehrere Sprachen zu lernen:

Inhalt dieses Artikels:

1. Vorteile mehrsprachiger Erziehung – und ein großes Achtung!

  • Weitere Sprachen zu lernen fällt leichter: “Multilingual erzogene Kinder lernen später auch andere Fremdsprachen leichter, weil sie schon früh ein Gefühl für die Systematik hinter einer Sprache entwickeln”, sagt Nicola Küpelikilinc, Psychologin und Fachreferentin für Sprachförderung der Stadt Hanau gegenüber Spiegel Online.
  • Kreativität, Flexibilität und Empathie: Außerdem, so Küpelikilinc, seien ihre kommunikativen Kompetenzen meist ausgeprägter und sie könnten kreativer auf ihren Alltag reagieren. Es gibt außerdem Hinweise, dass mehrsprachige Kinder schneller und gezielter Informationen verarbeiten können. Und: Sie könnten sich besser in andere Menschen hineinversetzen als gleichaltrige Kinder, die nur eine Sprache sprechen.
  • Interkulturelle Kompetenzen: Dazu erweitern Fremdsprachen natürlich den Kreis an Personen, mit denen gesprochen werden kann, ungemein. Durch die Beschäftigung und Wertschätzung anderer Sprachen kann auch das Interesse für andere Kulturen gefördert werden – ein Schritt hin zu einer offenen und toleranten Gesellschaft.

ACHTUNG: Wichtig bleibt dabei, dass dem Kind nichts aufgezwungen wird. Lernstress kann zu negativen Assoziationen mit der Sprache führen – dadurch können Kinder langfristig die Motivation und den Spaß daran verlieren.

2. Sprachentwicklung bei Kindern – in diesem Alter lernen wir am besten

Die Sprachentwicklung bei Kindern verläuft zeitlich sehr unterschiedlich. Einige wenige Kinder können bereits mit zehn Monaten erste Wörter deutlich aussprechen, andere erst mit 20 oder 30 Monaten. Auch darum gibt es keinen wissenschaftlich belegten optimalen Zeitraum, in welchem Kinder besonders gut Fremdsprachen lernen.

Aber: Die Fähigkeit, eine Sprache als Muttersprache zu erwerben, verändert sich ab dem dritten bis vierten Lebensjahr deutlich und nimmt ab etwa sieben Jahren weiter stark ab.

Dass Erwachsene immer schlechter Sprachen lernen als Kinder, ist wiederum nicht eindeutig bewiesen. Sie lernen eben anders. Kinder lernen spielerisch und durch Nachahmen und Ausprobieren, Erwachsene lernen dagegen eher systematisch. Kinder, die früh eine andere Sprache lernen, können aber im Gegensatz zu erwachsenen Lernern ein muttersprachliches Niveau bei Akzent, Aussprache und Grammatik erreichen. Bei Erwachsenen ist dies selten der Fall.

3. Kinder mehrsprachig erziehen? Wichtige Rahmenbedingungen:

  • Ganz natürlich: Sprachen lernen zu können, ist Kindern angeboren, sie bringen das Handwerkszeug dazu quasi mit auf die Welt. Ganz natürlich und spielerisch lernen sie im Laufe der Zeit mit Wörtern, Sätzen und Satzbau umzugehen. Vokabeln pauken oder systematisch Grammatik lernen müssen sie dazu nicht. 
  • Enge Beziehung zwischen Sprecher und Kind: Kinder brauchen Sprachvorbilder, mit denen eine direkte und intensive Kommunikation möglich ist. Eine vertraute Bezugsperson ist dafür optimal geeignet, da ein Kind dieser zuhört und über Themen spricht, die für es selbst wichtig sind.
  • Muttersprachler: Wenn Ihr Kind mehrsprachig aufwachsen soll, ist es wichtig, dass die Sprache von den “Sprechenden” sehr gut beherrscht wird (wenn Sie nicht selbst Muttersprachler sind, können vielleicht Verwandte wie Oma und Opa, Erzieher oder Lehrer Ihrem Kind eine Fremdsprache näher bringen). 
  • Feste Sprachregeln: Besonders in den ersten vier bis fünf Lebensjahren ist es förderlich, wenn die Bezugspersonen konstant in einer Sprache sprechen, zum Beispiel Mama Deutsch und Papa Türkisch. Ebenso kann die Unterteilung in eine Familien- und eine Umgebungssprache (Kita, Schule) helfen.
  • Anreize bieten: Kinder lernen am erfolgreichsten, wenn sie (spielerische) Erfahrungen mit allen Sinnen machen. Ein paar Tipps:
    • Sprechen Sie über Alltägliches, Dinge im Haushalt, über Ihre Erlebnisse, Liebe, Ihren Ärger … Eine bunte und vielfältige Sprache beeinflusst den Wortschatz und die Grammatik positiv.
    • Schauen Sie fremdsprachige Filme oder Bücher an, oder hören Musik und Hörspiele.
    • Auch Fingerspiele, Reime und Gedichte eignen sich gut, um spielerisch mit Fremdsprachen in Kontakt zu kommen.
  • Zeit investieren: Ein Kind lernt nicht automatisch eine Zweitsprache, nur weil diese ab und zu mit ihm gesprochen wird. Unter anderem spielt die zeitliche Intensität eine wichtige Rolle. Wenn ein Kind eine andere Sprache quasi nebenbei lernen soll, muss es diese also möglichst häufig in seinem Umfeld hören.
  • Ausgeglichenheit: Häufigkeit und Dauer, mit der das Kind mit den verschiedenen Sprachen in Kontakt kommt – zum Beispiel inner- und außerhalb der Familie –, sollten möglichst ausgeglichen sein.
  • Gleichstellung aller Sprachen: Alle Sprachen und die dazugehörigen Kulturen sollten die gleiche Wertschätzung erhalten. Eine Sprache/Kultur also nicht besser oder schlechter bewertet werden als eine andere. So können die Kinder eine positive Beziehung zu den Sprachen aufbauen.
  • Dranbleiben: Kinder können Sprachen, die sie einmal gelernt haben, auch wieder komplett verlernen, wenn sie keine Möglichkeit haben, diese anzuwenden.

Mehrsprachigkeit im Kindergarten – Darauf sollten Sie achten:

Eine Möglichkeit, Kinder mehrsprachig zu erziehen, bieten bi- oder multilinguale Kitas. Dort gibt es neben Deutsch eine oder mehrere weitere Sprachen, die von den Erziehern gesprochen werden. Multilinguale Kinder können in diesen Kitas ihre Familiensprachen anwenden und vertiefen, aber auch Kinder ohne andere Familiensprachen als Deutsch können so verschiedene Sprachen erlernen.

Darauf sollten Sie achten, wenn Sie eine mehrsprachige Kita für Ihr Kind suchen:

  • Feste Sprachregeln, wie “eine Person – eine Sprache”. In vielen mehrsprachigen Kitas sprechen die jeweiligen Erzieherinnen oder Erzieher mit den Kindern konstant in jeweils einer Sprache.
  • Erzieher sollten Muttersprachler sein.
  • Die Fachkräfte, welche die Fremdsprachen mit den Kindern sprechen, sollten in den jeweiligen Gruppen dauerhafte Erzieher sein, damit die Kinder eine enge Beziehung zu ihnen aufbauen können.
  • Genügend mehrsprachige Anreize auf verschiedenen Ebenen: Singen, Literatur und Musik aber auch Gesprächsrunden, in denen die Kinder sich in den Sprachen ausprobieren können.

Hinweis: Fremdsprachenkurse, die zum Beispiel einmal wöchentlich in der Kita stattfinden, ergeben weniger Sinn. Die Kinder werden meist von einem externen Lehrer, zu dem sie keine intensive Beziehung haben, unterrichtet. Sie kommen nur punktuell im Rahmen des Unterrichts mit der Sprache in Berührung und nicht kontinuierlich in ihrem Kita-Alltag.

Mehrsprachigkeit in der Schule – Darauf sollten Sie achten:

Damit das Kind die Sprache nicht wieder verlernt, hilft es sehr, wenn es diese kontinuierlich hört und spricht. Hat der Nachwuchs also einen bi- oder multilingualen Kindergarten besucht, kann der Besuch einer mehrsprachigen Schule sinnvoll sein, um die Sprachkenntnisse weiter zu festigen.

Dort werden ganze Schulstunden in unterschiedlichen Fächern in verschiedenen Sprachen abgehalten, und nicht – wie an „normalen“ Schulen oft üblich – etwa nur im Englischunterricht. So können die Kinder in verschiedenen Kontexten mit den Fremdsprachen in Kontakt kommen und ganz in diese eintauchen. “Immersionsunterricht” nennt sich dieser Ansatz. Auch hier gilt ebenso wie im Kindergarten: Achten Sie auf ein umfassendes Konzept und muttersprachliche Lehrer, die dauerhafte Bezugspersonen sind.

Unser Fazit: Mehrsprachigkeit ja, aber bitte mit Spaß!

Grundsätzlich ist das Kindesalter also eine wunderbare Zeit, um Fremdsprachen zu lernen. Das Wichtigste bleibt dabei allerdings, dass Kinder die verschiedenen Sprachen gern sprechen und weitestgehend mühelos in ihren Alltag integrieren. Falscher Ehrgeiz der Eltern, der zu Druck und Stress führt, sollte unbedingt vermieden werden.

Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.