Eltern, Kinder und Computerspiele – Die Jungs in FIFA schlagen?

Katharina Looks

Streitpunkt Computerspiele – selbst mitspielen ist auch keine Lösung, so Christian Füller.
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Wer sich einbildet, er könne beim Computerspielen der Kinder etwas mit pädagogischen Sperenzchen erreichen, der liegt falsch. Einfach mal den Stecker ziehen! Exit hilft mehr als 1.000 Worte. Eine Kolumne von Christian Füller.

31.08.2015, Kolumne “Die Elternflüsterer” von Christian Füller

Wie Eltern mit dem Thema Kinder und Computerspiele umgehen können

Neulich im Biergarten höre ich meinen Freund Leonard sagen: „Hey, wir üben ein bisschen und dann zeigen wir es den Jungs mal so richtig bei FIFA15!“ Er meinte es tatsächlich so. Dass wir uns ein Stündchen vor Konsole oder Rechner warm machen sollten – um dann ein Chance beim Computer-Fußball mit den Söhnen zu haben.

Der Ansatz ist interessant. Sehr partizipativ und auf Augenhöhe. Man verbietet das Computergame nicht einfach oder verteufelt es gar, nein, man spielt es mit den Teenies. Allein, die Realität ist eine andere: Wenn Sie schon ein bisschen was mit der Konsole können, wenn Sie die ersten Ausgaben von „GTA“ erlebt haben, ok. Wenn nicht, hören Sie auf zu träumen.

Lassen Sie die Finger von Computergames. Um Ihre Söhne zu schlagen, brauchen Sie ein intensives vierwöchiges Trainingslager. Wer den Zeitfresser Games eindämmen will, der sollte andere Methoden wählen.

Computerspiele sind elternfreie Zone

Ich freue mich immer, wenn meine Mitflüstererin Béa die Welt durch die rosa Brille betrachtet (hier geht es zu ihrer Kolumne). Bei Games hat sie nur an einer einzigen Stelle recht. Die Games sind nunmal da, sie gehen nicht wieder weg.

Aber das heißt nicht, dass es damit getan wäre, Computerspiele gleich „superdoll“ zu finden. Games stumpf zu verbieten oder ausrotten zu wollen, ist natürlich Käse. Wer könnte schon eine Industrie, die mehr Umsatz macht als Hollywood, erfolgreich negieren? Aber das mit den Games einfach laufen zu lassen, das ist eben auch keine Lösung.

Béa meint, man solle mit seinen Kindern über die Zockerei reden. Oder gar neunmalkluge Fragen stellen wie: „Weißt du, wer die Spielemacher sind? Sind das coole Socken?“ Wer sich vor seinen – älteren – Kindern lächerlich machen will, der soll das gerne tun. Wer aber einen Funken Selbstachtung hat, der wird das sein lassen. Wer, bitteschön, fragt seine 15jährigen Kinder, ob er mit zu ihrer Party gehen kann? Oder: Wie viel muss man geraucht haben, um zu fragen, „ob da coole Socken waren“?

Wieso stelle ich diesen Vergleich an? Weil ich glaube, dass Jugendliche das Recht auf Freiräume haben, in denen sie gerade NICHT mit ihren Eltern kommunizieren, von ihnen belehrt oder auch nur beobachtet werden. Games zählen dazu genau wie die Party oder die Facebook-Community.

Etwas Kontrolle sollte es dann aber doch sein … 

Das heißt selbstverständlich nicht, dass Games ein Selbstläufer sein sollten oder dass es da keine Gefahren gäbe, auf die Eltern achten sollten. Ganz im Gegenteil: Die Gamerei ist geeignet, die lerntechnisch wichtigste Phase unserer Kinder im Wortsinne zu verballern, sie süchtig zu machen und sie – bei den Online-Varianten – Mitspielern auszusetzen, mit denen sie im realen Leben niemals in Kontakt treten würden. Wir übrigens auch nicht.

Bei den Games lernten die Kinder so unheimlich viel, heißt es. Räumliches Vorstellungsvermögen, Reaktionsfähigkeit und so weiter würden besser. Angeblich steigert Computerspielen sogar den IQ. Ich kenne ein paar von diesen Studien und kann nur raten: Schauen Sie sich an, wer sie erstellt hat, dann wissen Sie, warum die Ergebnisse so ausfallen, wie sie ausfallen. Die Gameindustrie ist nicht nur erfolgreich, sie ist genauso einseitig wie jede andere mächtige Industrie: Sie lässt sich viel einfallen, um ihre Produkte an das Kind zu bringen, am besten exklusiv und teuer.

Der letzte Schrei ist die so genannte Gamification. Computerspiele sollen Einzug in die Schulen halten, um dort das Lernen interessanter zu machen. Dazu gerne beim nächsten Mal mehr. 

Und was lernen wir jetzt daraus?

Was tun, fragen Sie zurecht. Die Lösung ist so simpel wie der Beginn eines Computerspiels: Bei Games gilt die Grundregel „weniger ist mehr“. Und: „je später desto besser“. Wenden Sie Béas Mitspiel- und Sprechangebote gerne an, sobald ihre Kinder in die Grundschule kommen. Vorher sollten sie ihren Kindern am besten gar nicht an Computerspiele heran lassen.

Halten Sie die Spielzeiten, wenn es losgeht, so kurz, wie eben nur möglich. Seien sie immer der Herr des W-Lans zu Hause. Wenn´s kritisch wird: Stecker ziehen – und zwar bevor, die Spieledaten ihres Filius gespeichert sind. Machen Sie sich nicht zum Sklaven eines herunterfahrenden Progamms. Wer dreimal angekündigt hat, dass in 10, 5, 2, Minuten Schluss ist, der muss dann auch Exit wählen.

Sie werden sehen, dass es danach etwas gibt, was der Schlüssel für Erziehung ist: Gesprächsbedarf – bei ihren Kindern. 

Mein Freund Leonard hat übrigens den Versuch gewagt und sich in ein „Fifa15-Turnier“ mit meinen Söhnen gestürzt. Er hat schwer auf die Mütze bekommen. Er war sehr frustriert und hat sich dann von mir zu einer Alternative überreden lassen. Echtes Fußballspielen mit einem richtigen Ball: Dort ist der Dopamin-Ausstoß zigmal höher. Und die Jungs waren total happy – dass sie inzwischen auf Augenhöhe sind.

Über Christian Füller

Christian Füller ist Journalist (u.a. FAS, Spiegel Online und Freitag) und Autor diverser Bücher über gute Schule und neues Lernen. Er hat sich dabei auch mit Eltern auseinandergesetzt. In „Ausweg Privatschulen“ (2010) gibt er Hinweise, welche private Schule sich lohnen könnte. In „Die Gute Schule“ (2009) analysiert er, warum Eltern so wahnsinnig wichtig fürs Lernen sind. Füller hat mit Jesper Juul über Eltern gestritten, die ihre Kinder immerzu nach ihrem Befinden befragen. Er hat bei Spiegel Online als ihr wichtigstes Prinzip „my kind first“ ausgemacht. Füller hat selbst zwei Kinder und hassliebt es immer noch, Elternvertreter zu sein.

Twitter: @ciffi | twitter.com/ciffi

Die Kolumne “Die Elternflüsterer”

Im Wechsel flüstern der Journalist Christian Füller und Bildungsunternehmerin Béa Beste den Eltern Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens ins Ohr. 

Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.