Möge die Macht mit euch sein. Oder: Wie überlebe ich die Klassenarbeiten vor den Sommerferien?

Katharina Looks

Für Klassenarbeit lernen du musst, oder doch nicht?
© Daniel Cheung/unsplash.com

Das Fieberthermometer übers Feuerzeug halten, sich von Walter White Chemie erklären lassen, oder dem Lernpartner eine reinhauen: Christian Hanne verrät idiotensichere Tricks, um erfolgreich durch die stressige Lernphase zu kommen.

In ungefähr sechs Wochen fangen in den ersten Bundesländern schon die Sommerferien an. Bis dahin gibt es noch zahlreiche Feiertage, Sportfeste, Schulkonzerte, Wandertage und Projektwochen sowie andere Ereignisse, zu denen der Unterricht ausfällt. Das freut die Schülerinnen und Schüler, denn so haben sie bis zu den Ferien keine komplette Schulwoche mehr. Allerdings müssen sie dafür auch fast täglich Klassenarbeiten, Vokabeltests, Hausaufgabenüberprüfungen und Lernkontrollen schreiben.

Viele Eltern stellen sich jetzt die Frage, wie die Kinder den ganzen Stoff am effektivsten lernen können, damit die gute Vor-den-Ferien-Stimmung nicht durch schlechte Noten getrübt wird. Dazu halten Sie am besten Ihre Kinder jeden Morgen an, gut im Unterricht aufzupassen, kontrollieren regelmäßig die Hausaufgaben, erstellen systematische Arbeitspläne, deren Einhaltung Sie penibel überwachen, und außerdem fragen Sie Ihre Kinder die Lerninhalte immer wieder und wieder ab. Das wird sie bei Ihrem Nachwuchs zwar nicht besonders populär machen, aber so werden Ihre Kinder garantiert gute (oder zumindest bessere) Noten schreiben. Vor allem werden sie den Stoff nicht sofort wieder vergessen, sondern ihn sich langfristig behalten. Das freut dann auch den von mir regelmäßig zitierten Seneca, der ja pausenlos darauf herumgeritten ist, dass man für das Leben und nicht für die Schule lernen soll. Der romantische Naivling!

Nachdem die Eltern nun wissen, was sie zu tun haben, ist der Rest des Artikels für die Schülerinnen und Schüler gedacht. Also liebe Eltern: Reicht das Tablet, Smartphone, eure Apple Watch oder wo auch immer ihr diesen Text gerade lest, an den Nachwuchs weiter. >>AUF GAR KEINEN FALL WEITERLESEN!<< Die Ü20-Party findet woanders statt!

Liebe Kinder, ihr bekommt jetzt hier die sechs ultimativen Mega-Tipps, wie ihr die ganzen verschissenen Tests und verkackten Arbeiten vor den Sommerferien überlebt, ohne euch beim Büffeln einen dauerhaften Hirnschaden zuzuziehen. (Ihr solltet allerdings dafür sorgen, dass eure Eltern diese Tipps nie zu Gesicht bekommen.)

Tipp 1: Wer nicht da ist, kann nichts schreiben

Ach, wie ärgerlich, wenn die “Grippe” pünktlich zur Mathearbeit kommt.
© Daniel Cheung/unsplash.com

Es gibt ein extrem wirkungsvolles Mittel, das dafür sorgt, dass ihr euch für Klassenarbeiten und Tests nicht totlernen müsst: Gar nicht erst hingehen! Genau. Ihr schwänzt einfach die Schule oder macht blau.

Beim Schwänzen geht ihr morgens aus dem Haus und treibt euch den ganzen Tag in der Stadt rum, bis ihr nachmittags nach Hause geht und auf die Frage Eurer Eltern “Wie war es in der Schule?” mit “Gut.” antwortet oder irgendetwas anderes grunzt. Am nächsten Tag steht ihr allerdings vor der Herausforderung, in der Schule eine Entschuldigung präsentieren zu müssen. Dazu fälscht ihr Mamas oder Papas Unterschrift, das gelingt euch nur so semi-gut, der ganze Schwindel fliegt auf und schon hagelt es deftige Strafen. Nachsitzen, Hausarrest, Taschengeldentzug oder noch schlimmer: Handy-Verbot.

Deswegen ist es doch viel eleganter, am Morgen der Klassenarbeit von einer schlimmen Krankheit heimgesucht zu werden. Da es relativ schwierig ist, an gute Grippeviren zu kommen, mit denen ihr euch kontrolliert anstecken könnt, müsst ihr die typischen Symptome glaubwürdig simulieren. Das ist kein Hexenwerk. Nachts einfach drei Pullis und vier Jogginghosen tragen und mindestens bis um drei Uhr morgens am Handy zocken und schon seid ihr am nächsten Morgen total verschwitzt und vollkommen übermüdet, so dass ihr ausseht, als leidet ihr an Schwindsucht. Dann kurz das Fieberthermometer mit einem Feuerzeug auf knapp 40 Grad hochjazzen und schon steht einem freien Tage nichts mehr im Wege. Ihr müsst jetzt nur noch mit schwacher Stimme krächzen: “Aber ich muss zur Schule, wir schreiben doch heute Französisch.” und schon werden eure Eltern gerührt von so viel Pflichtgefühls und ohne Verdacht zu schöpfen, ihr “armes Hascherl” zurück ins Bett schicken, denn “die Gesundheit geht nun einmal vor”. So könnt ihr dann den ganzen Tag gechillt in der Bude abhängen, Netflix schauen und mit euren Freunden chatten, die ebenfalls „krank“ im Bett liegen. Und wenn ihr richtig gut simuliert habt, dürft ihr ihr die nächsten zwei, drei Tage auch noch zuhause bleiben, so dass ihr weitere Arbeiten verpasst.

Tipp 2: Die Binge-Watching-Lernmethode

Walter White und Frank Underwood lehren nicht nur Chemie und Politik, sondern auch den effektiven Umgang mit Menschen, die eine andere Meinung vertreten.
© Daniel Cheung/unsplash.com

Wenn ihr jede Woche zwei bis drei Tests und Arbeiten schreibt, hängt euch irgendwann – höchstwahrscheinlich von Anfang an – das viele Lesen und Auswendiglernen zum Hals raus. Glücklicherweise gibt es neue Studien von amerikanischen Wissenschaftlern, in denen nachgewiesen wurde, dass Schülerinnen und Schüler ihre Leistungen, um 74 Prozent steigern konnten, indem sie sich den Schulstoff nicht durch Bücher und Arbeitsblätter, sondern durch Filme und Videos aneigneten. Okay, diese Statistik habe ich frei erfunden, ihr könnt sie aber trotzdem gegenüber euren Eltern zitieren und sagen, ihr hättet das “im Internet” gelesen und dann würde das ja wohl stimmen.

Sich mit alten Telekolleg-Folgen wie “Elektrochemische Zellen” oder “Differentialrechnung für Fortgeschrittene” auf die nächste Chemie- oder Mathe-Arbeit vorzubereiten, ist allerdings genauso nervtötend, wie die entsprechenden Kapitel in den Schulbüchern durchzuarbeiten. Es müssen also interessantere filmische Alternativen her. Den Streaming-Diensten sei Dank, gibt es die zum Glück zuhauf und somit könnt ihr euch mit der Binge-Watching-Lernmethode auf eure Tests und Prüfungen vorbereiten. Dabei lernt ihr Chemie bei “Breaking Bad”, Physik durch “Big Bang Theory”, Französisch mit “La Boum” und “Willkommen bei den Sch’tis”, biologische Evolutionslehre bei “Jurassic Park” und Sozialwissenschaften beziehungsweise Politische Bildung mit “House of Cards”, um hier nur ein paar Beispiele zu nennen.

Ehrlicherweise sei euch gesagt, dass ihr durch Binge-Watching wahrscheinlich keine besonders guten Arbeiten schreibt, aber ihr werdet nie wieder so viel Spaß beim Lernen haben. Und das meine ich ganz wörtlich, denn eure Eltern werden euch das Binge-Watching-Lernen nie wieder erlauben, wenn ihr in den nächsten Wochen lauter Vieren, Fünfen und Sechsen mit nach Hause bringt.

Tipp 3: Gut gespickt ist halb gewusst

Ein schöner Spickzettel kann das Leben deutlich erleichtern.
© Daniel Cheung/unsplash.com

Als Alternative zur Binge-Watching-Lernmethode werden eure Eltern euch wahrscheinlich erzählen, dass ihr am besten lernt, indem ihr den Stoff auf Zetteln und Karteikarten zusammenfasst. So trete schon beim Schreiben ein Lerneffekt ein und außerdem hättet ihr dann die wichtigsten Fakten parat, um sie euch regelmäßig durchzulesen und einzuprägen.

Die Notizenschreiberei ist natürlich total nervig, hat aber auch den Vorteil, dass ihr die relevanten Infos schon mal auf handlichen Zetteln stehen habt. Und es spricht ja wohl nichts dagegen, diese dann mit zu den Klassenarbeiten zu nehmen. Alles andere wäre die reinste Papierverschwendung und ihr wollt euer ökologisches Gewissen ja nicht mit so etwas belasten.

Während der Arbeit könnt ihr dann – quasi als kleine Gedankenstütze – ab und an mal einen Blick auf eure Notizen werfen. Allerdings dürft ihr das nicht zu offensichtlich machen, sondern müsst ein wenig kreativ sein. Zum Beispiel indem ihr die Etiketten eurer Club-Mate-Flaschen neu entwerft und mit den Basis-Infos zur Photosynthese bedruckt. Oder ihr ritzt binomische Formeln in Schokoriegel, die ihr dann allerdings nicht in einer Frustfressattacke versehentlich essen dürft. Oder ihr lasst euch einen sehr langen Pony wachsen, hinter dem ihr einen Miniaturausdruck des chemischen Periodensystems verstecken könnt. Eurem Einfallsreichtum sind hier keine Grenzen gesetzt.

Jedoch müsst ihr peinlichst darauf achten, beim Spicken nicht erwischt zu werden. Die meisten Lehrer reagieren darauf sehr empfindlich und kleinkariert und werfen dann mit Sechsen nur so um sich. Und die hättet ihr auch mit sehr viel weniger Aufwand schreiben können.

Tipp 4: Mut zur Lücke

Der letzte Universalgelehrte Leonardo da Vinci lebte im 15./16. Jahrhundert. Kein Grund also jetzt wieder damit anzufangen.
© Daniel Cheung/unsplash.com

Bei mehreren Arbeiten und Tests innerhalb von zwei Wochen und dann noch in so unterschiedlichen Fächern wie Mathe, Englisch, Chemie, Deutsch, Französisch, Biologie, Sozialkunde und Geschichte ist es schlicht unmöglich, in jedem einzelnen dieser Fächer zu glänzen. Das geht den Erwachsenen übrigens genauso. Seit Leonardo da Vinci gibt es einfach keine Universalgelehrten (das sind Menschen, die ganz viel in ganz unterschiedlichen Themenbereichen wissen) mehr. Leonardo da Vinci hat im 15./16. Jahrhundert (das ist ganz, ganz lange her) gelebt und war ein Genie (das sind ganz, ganz schlaue Menschen). Er hat als Maler, Bildhauer, Anatom (die haben mit dem menschlichen Körper zu tun), Ingenieur (die entwickeln Sachen), Mechaniker (die bauen Sachen) und Naturphilosoph (die denken ganz viel über Sachen nach) gearbeitet und hat unter anderem die Mona Lisa gemalt (das ist diese Frau, die nie lacht).

Weil es inzwischen keine Universalgenies mehr gibt, haben die zunehmend verdummenden Menschen das Prinzip “Mut zur Lücke” erfunden. Für euch bedeutet das, ihr konzentriert euch auf die Fächer, die wichtig sind oder die euch leichter fallen. Bei den anderen hofft ihr einfach, dass ihr irgendwie durchkommt (Spoiler: Klappt meistens nicht).

Vielleicht seid Ihr ja richtig, richtig mutig und lernt für gar keine Arbeit. Euer Mut wird dann besonders wichtig sein, wenn ihr euren Eltern am Zeugnistag erklären müsst, warum ihr in allen Hauptfächern Fünfen habt.

Tipp 5: Beware of the Lerngruppe!

Manchmal hilft in Lerngruppen nur ein Schlag ins Gesicht des Partners.
© Daniel Cheung/unsplash.com

Möglicherweise überzeugt euch irgendjemand mal, sich gemeinsam in Lerngruppen auf Klassenarbeiten vorzubereiten sei super. Für masochistisch veranlagte Menschen mag das zutreffen, aber es hat schon seinen Grund, dass, wenn man die Buchstaben von “Lerngruppe” umstellt, ein paar weglässt und ein paar andere ergänzt, daraus “Die absolute Pest” wird.

Befürworter von Lerngruppen argumentieren oft, das Lernen in Gruppen sei eine gute Vorbereitung auf das Berufsleben, wo man auch häufig in Teams arbeiten müsse. Lasst euch dazu nur eins von mir sagen: Lerngruppen in der Schulzeit sind beschissen, Referatsgruppen an der Uni sind beschissen und Projektgruppen in der Arbeit sind ebenfalls beschissen. Je früher ihr lernt Gruppenarbeit zu vermeiden, desto besser. In Lerngruppen gibt es nämlich immer irgendwelche Idioten, die nicht richtig mitmachen, man findet nie einen gemeinsamen Termin und an irgendeinem Deppen bleibt die ganze Arbeit hängen. Das ist besonders unschön, wenn ihr selbst dieser Depp seid.

Also, falls euch ein Freund vorschlägt, eine Lerngruppe zu gründen, schüttet ihm eine Cola ins Gesicht oder verpasst ihm eine leichte Ohrfeige. Dann kommt er hoffentlich wieder zur Besinnung.

Tipp 6: Wie sag‘ ich’s meinen Eltern?

Das Überbringen schlechter Noten will geübt sein. Sonst hilft nur noch eine hollywoodreifes Ablenkungsmanöver inklusive Verfolgungsjagd und Krokodilstränen.
© Daniel Cheung/unsplash.com

Falls die ganzen Ratschläge, die ich euch hier gebe, wider Erwarten doch nicht zu glänzenden Noten geführt haben, steht ihr vor dem Problem, euren Eltern lauter Fünfen und Sechsen beichten zu müssen. Dabei ist es wichtig, schlechte und gute Noten immer zusammen zu kommunizieren. Dann halten sich Unmut und Freude bei Mama und Papa die Waage. Allerdings müsst ihr dabei stets die Relevanz der Fächer im Auge behalten. Wenn ihr beispielsweise eine Fünf in Religion geschrieben habt, werden eure Eltern das nicht so schlimm finden, sofern ihr gleichzeitig eine Eins in Mathematik präsentieren könnt. Habt ihr euch dagegen eine Sechs in Französisch eingehandelt, wird es ihnen vollkommen wumpe sein, dass ihr im Handarbeitsunterricht eine Eins auf euren gefilzten Waschlappen bekommen habt.

Richtig schwierig wird es, wenn ihr ausschließlich schlechte Noten vorzuweisen habt. Dann müsst ihr zu radikaleren Methoden greifen. Habt ihr beispielsweise an einem Tag ein Full House aus Vieren und Fünfen in Englisch, Deutsch, Biologie, Latein und Chemie eingeheimst, bleibt euch nur noch eins übrig: Ihr müsst euren Ranzen mitsamt aller Hefte auf der städtischen Mülldeponie entsorgen und dann Zuhause unter Tränen erzählen, dass er euch von ein paar halbstarken Rowdies auf dem Heimweg geklaut wurde. Allzu häufig könnt ihr das jedoch nicht machen, denn irgendwann werden eure Eltern euch als persönliche Bodyguards morgens und nachmittags auf dem Schulweg begleiten, und dann habt ihr keine Gelegenheit mehr, die schlechten Klassenarbeiten still und heimlich zu entsorgen. Und dann müsst ihr tatsächlich richtig lernen. OMG! Oder WTF?

Weitere Kolumnen von Christian Hanne hier im ELTERN! Magazin:

Kolumne von Eltern für Eltern 

Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie hier Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens. Alle Kolumnen ansehen.

Über den Autor

Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und ‘Nackte Kanone’ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.

Im September 2016 ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten sinniert er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.

Im Netz

Katharina Looks

Katharina Looks ist Brand Manager und Redakteurin bei scoyo. Ihr Herzensthema ist es, mehr Leichtigkeit in den Familien-Schul-Alltag zu bringen und Impulse für eine entspannte Lernatmosphäre zu setzen.