Wohl alle Eltern kennen folgendes Szenario: Sie wollen morgens dringend los, um pünktlich an der Arbeit zu erscheinen, aber Ihr Kind, das Sie vorher noch zur Schule bringen müssen, hat alle Zeit der Welt. Es denkt gar nicht daran, sich die Zähne zu putzen, sondern sortiert erst noch in aller Seelenruhe seine 138 Milliarden Pokémon-Karten nach Farbe, Verhalten und Aussehen. Obwohl es sonst problemlos den 4.000-teiligen Lego-Star-Wars-Todesstern mit verbundenen Augen zusammenbauen kann, ist es dann plötzlich motorisch nicht mehr in der Lage, sich seine Schuhe anzuziehen – wohlgemerkt, die mit den Klettverschlüssen. Beim Anziehen seiner Jacke bewegt sich das Kind schließlich in einem Tempo, gegen das südamerikanische Zweifinger-Faultiere als hektische, rastlose Zeitgenossen gelten können.
Wenn Sie sich hier Lösungen erhoffen, wie Ihre Kinder mit dem Trödeln aufhören, muss ich Sie leider enttäuschen. Daran lässt sich nichts ändern. Schon vor tausenden von Jahren haben Neandertaler-Kinder getrödelt, und in tausenden von Jahren, wenn sich die Menschen zu körperlosen Wesen weiterentwickelt haben, die nur über Gedanken kommunizieren, werden die körperlosen Kinder-Gedanken ebenfalls trödeln.
Sie können den Artikel aber trotzdem weiterlesen. (Falls Ihr Kind gerade mit den Hausaufgaben angefangen hat, bleibt Ihnen ohnehin genügend Zeit.) Ein paar Tipps habe ich nämlich doch, wie Sie die morgendliche Trödelei Ihres Kindes halbwegs entspannt überstehen und nicht jeden Morgen eine Mischung aus Tobsuchtsanfall und Nervenzusammenbruch erleiden müssen, weil Ihr Kind, statt seine Jacke anzuziehen, sich erstmal namentlich von seinen 127 Stofftieren und Puppen verabschiedet.
Don’t panic and carry on!
Kommt morgens allmählich der Moment des Aufbrechens, dürfen Sie unter keinen Umständen den Eindruck erwecken, es eilig zu haben. So wie Hunde Angst riechen können, spüren Kinder instinktiv, wenn Eltern dringend loswollen und verlangsamen sofort ihre Bewegungen auf eine Geschwindigkeit, die mit dem bloßen Auge nicht mehr wahrnehmbar ist. Sprechen Sie nun auf gar keinen Fall Worte wie „beeilen“, „spät dran“ oder „müssen jetzt los“ aus. Auf gar keinen Fall! Diese Formulierungen führen unweigerlich dazu, dass sich Ihr Kind automatisch in einen winterschlafähnlichen Stase-Zustand versetzt. Im Vergleich dazu sehen diese lebenden Statuen in Fußgängerzonen aus, als würden sie breakdancen. Rufen Sie dann auf der Arbeit an und kündigen Sie an, dass Sie sich ein wenig verspäten. Um circa vier Wochen.
Übrigens funktioniert es umgekehrt nicht, dass Ihr Kind sich in Normalgeschwindigkeit oder sogar Zeitraffer bewegt, wenn Sie scheinbar fröhlich „Lass‘ dir ruhig Zeit.“ flöten. So leicht sind Kinder nicht zu überlisten. Sie sind zwar klein, aber nicht dumm!
Der frühe Vogel ist auch nicht pünktlich, aber obendrein müde und gereizt
Möglicherweise schlägt Ihnen irgendein Schlaumeier aus Ihrem Bekanntenkreis vor, Sie könnten einfach eine halbe Stunde früher aufstehen. So hätten Sie morgens mehr Zeit und dann wäre es ja nicht schlimm, wenn das Kind ein klein bisschen trödelt. Eine vollkommen naive und weltfremde Idee, die nur von einer kinderlosen Person kommen kann. (Vor allem die Formulierung „ein klein bisschen trödelt“ deutet darauf hin.)
Auch wenn Sie ein paar Minuten durch das frühere Aufstehen gewinnen, müssen Sie Ihr Kind trotzdem irgendwann auffordern, sich anzuziehen, wodurch die Trödelspirale unweigerlich in Gang gesetzt wird. Im halbwegs ausgeschlafenen Zustand und an guten Tagen sind Sie möglicherweise in der Lage, die Situation einigermaßen zivilisiert zu managen und nur ganz selten in der Lautstärke eines Navy-Seals-Ausbilders durch die Wohnung zu brüllen. Sind alle Beteiligten wegen der fehlenden 30 Minuten Schlaf aber müde und gereizt, eskaliert die Situation wie bei einer unkontrollierten Kettenreaktion in einem Kernreaktor. Sollte Ihnen der Bekannte nun raten, Sie müssten doch abends nur eine halbe Stunde früher ins Bett gehen, dann wären morgens alle ausgeschlafen, brechen Sie unverzüglich den Kontakt ab.
Trödeln produktiv nutzen: Getting shit done!
Da das morgendliche Trödeln von Kindern einem in der DNA angelegten Protokoll folgt, können Sie nichts daran ändern. Betrachten Sie – für Ihr eigenes Seelenheil – daher die kindliche Trödelei als Geschenk, als gewonnene Zeit. Anstatt neben Ihrem Kind zu stehen und mantraartig „Beeil dich“ zu wiederholen – was Sie ja ohnehin nicht tun sollten (siehe oben) –, erledigen Sie einfach ein paar Dinge, zu denen Sie sonst nicht kommen. Zum Beispiel alle Küchenschränke auswischen, das Gesamtwerk Thomas Manns lesen oder ein Medizin-Studium absolvieren und ein Heilmittel gegen Krebs entdecken.
Einfach mal an sich denken
Lassen Sie sich von der Trödelei Ihrer Kinder nicht stressen, sondern nutzen Sie diese für ein wenig Me-Time. Die kommt bei Eltern ja für gewöhnlich immer zu kurz. Machen Sie beispielsweise ein bisschen Yoga oder meditieren Sie. Oder Sie lassen sich ein Bad mit Lavendelduft ein, zünden ein paar Kerzen an und hören beruhigende Panflöten-Musik. Das ist doch viel angenehmer, als sich darüber aufzuregen, dass Ihr Kind gerade zum achten Mal hintereinander versucht, seinen linken Schuh an den rechten Fuß anzuziehen.
Allerdings darf Ihr Kind auf keinen Fall merken, dass Sie sich ein wenig Entspannung gönnen, sonst steht es innerhalb von 30 Sekunden neben der Badewanne und fragt: „Was machst du da?“ Wenigstens ist es dann aber aus seiner Winterschlaf-Stase erwacht und Sie können in den nächsten 90 bis 120 Minuten aufbrechen.
Hausaufgabenbetreuung like Buddha!
Kindliches Trödeln ist nicht auf den Morgen beschränkt, sondern kann jederzeit eintreten. Vor allem, wenn es um Hausaufgaben oder Lernen geht. Anstatt zügig zu Werke zu gehen, durchläuft das Kind dann erstmal die fünf Phasen der Trauer: Vom Leugnen („Wir haben heute nichts auf.“) über Zorn („Ich hasse die Schule, das interessiert doch keine Sau!“), Verhandeln („Fünf Minuten spiele ich noch und dann fange ich an. Ehrenwort!“) und Depression („Niemand bekommt mehr Hausaufgaben auf als ich!“) bis dann die Akzeptanz erreicht wird.
Akzeptanz bedeutet allerdings nicht, dass das Kind jetzt mit den Aufgaben anfängt, sondern es spitzt erstmal alle Stifte, schaut aus dem Fenster, holt sich etwas zu trinken, zählt die Kästchen in seinem Matheheft, holt sich noch etwas zu trinken, fragt im Klassen-Chat nach, was es überhaupt als Hausaufgaben auf hat, geht auf Toilette, baut einen Turm aus all seinen Schulbüchern und starrt 20 Minuten die Wand an. Wenn Sie nach zwei Stunden ins Kinderzimmer kommen und feststellen, dass Ihr Kind noch nicht einmal mit den Aufgaben angefangen hat, bekommen Sie an guten Tagen nervöses Augenzucken und an weniger guten verwandeln Sie sich in den großen und noch zornigeren Bruder von Hulk.
Nicht gerade die beste Reaktion, aber es ist nun mal den wenigsten Eltern gegeben, die Hausaufgaben-Trödelei ihrer Kinder gechillt wie ein buddhistischer Mönch zu ertragen. Zum Glück gibt es aber eine Lösung, denn wer ist tiefenentspannt wie ein buddhistischer Mönch? Genau: Buddhistische Mönche.
Daher – wie immer – mein Tipp: Engagieren Sie einen buddhistischen Mönch für die Hausaufgabenbetreuung. Die ganzen Verzögerungs- und Bummel-Taktiken können ihm nichts nichts anhaben, denn durch lebenslanges Meditieren und Mantra-Singen sind ihm Gefühle wie Ärger, Wut oder Zorn vollkommen fremd. Verspürt er doch mal so etwas wie einen Anflug von leichtem Unmut, atmet er ihn einfach weg.
Von Kindern lernen, heißt trödeln lernen
Möglicherweise sollten wir einfach unsere Einstellung zum Trödeln überdenken. Vielleicht muss Trödeln gar nichts Schlechtes sein, das uns Nerven kostet, sondern ist etwas Erstrebenswertes, so etwas wie die höchste Form des Müßiggangs. Daher sollten wir unseren Kindern das Trödeln nicht austreiben, sondern besser von ihnen lernen. Für sie gibt es kein Gestern und kein Morgen, sondern nur die Gegenwart. Sie leben immer im Moment und es zählt nur das Hier und Jetzt. Eine Erkenntnis für die andere Menschen viel Geld für Achtsamkeits-Coachings und Entschleunigungs-Ratgeber ausgeben müssen.
Auch sonst hat die Trödelei viele Vorteile. Wer trödelt, kennt keine Hektik, wer trödelt, hat keinen Stress, wer trödelt, bekommt keine Magengeschwüre, wer trödelt, erleidet kein Burn-out. Wir sollten alle mehr trödeln!
Zugegebenermaßen ist der Trödel-Lifestyle auf der Arbeit nicht ganz unproblematisch. Sie werden regelmäßig zu spät kommen, andauernd Termine versäumen und fast keine Deadline einhalten und irgendwann werden Sie dafür gefeuert. Das ist aber nicht weiter schlimm. Eröffnen Sie für Ihr Kind den YouTube-Kanal „Die Kunst des Trödelns“, wo Sie Videos veröffentlichen, auf denen zu sehen ist, wie das Kind einer Schnecke bei der Fortbewegung zuschaut oder im Badezimmer, statt sich die Zähne zu putzen, mit der Zahnbürste lustige Muster auf den Spiegel spritzt. Mit den Werbeeinnahmen werden Sie Millionär und dann können Sie und Ihr Kind so viel trödeln, wie sie wollen.
Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel „Nackte Kanone“ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog „Familienbetrieb“, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
In diesem Artikel
Schule ist Ländersache
Für unser Schulwesen sind in erster Linie die Bundesländer verantwortlich. Sie kümmern sich um das Lehrpersonal und legen gemeinsam mit den Schulleitungen Ziele und Inhalte für den Unterricht fest. Da wir in Deutschland 16 Bundesländer haben, kann das Schulsystem von Land zu Land ziemlich unterschiedlich ausgerichtet sein. So haben die Lehrpläne verschiedene Schwerpunkte und Fächerangebote, die Abschlussprüfungen unterscheiden sich stark und auch der Übergang auf eine weiterführende Schule ist überall anders geregelt – ganz zu schweigen von der Umstellung auf das achtjährige Gymnasium (G8).
Etwas Einheitlichkeit gibt es dann aber doch: Alle Schulformen stützen sich auf die Bereiche Primarstufe, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II.
Grundschulen in Deutschland
In Deutschland herrscht Schulpflicht. Das bedeutet, dass alle Kinder ab einem Alter zwischen 5 und 7 Jahren und mindestens bis zur 9. Klasse zur Schule gehen müssen.
Die Schulzeit beginnt mit dem Primarbereich, also dem Besuch der Grundschule bis zur 4. Klasse (bzw. bis zur 6. Klasse in Berlin und Brandenburg). Sinn der Grundschule ist es, die Kleinen auf das Lernen im Sekundarbereich (weiterführende Schulformen) vorzubereiten. Das spielerische Lernen, das wir aus dem Kindergarten kennen, wird in Fächer wie Mathematik, Deutsch, Sachkunde und Sport strukturiert.
Außer in Nordrhein-Westfalen weisen sogenannten Schulbezirke Grundschülern entsprechende Schulen in der Nähe ihres Wohnortes zu. Gefällt Eltern die Schule nicht, bleibt meist nur der Besuch einer Privatschule (oder der Umzug in einen anderen Schulbezirk). In begründeten Fällen ist es möglich, beim zuständigen Schulamt einen Umschulungsantrag zu stellen. Mehr dazu: Der Schulbezirk und seine Ausnahmen von Rüdiger Schmidt (PDF, 5 Seiten)
Weiterführende Schulformen auf einen Blick
Auf den Primarbereich folgt die Sekundarstufe I, die alle weiterführenden Schulen ab der 5./7. bis zur 9./10. Klasse umfasst.
Wer sich fragt, welche Schulformen es in Deutschland gibt, sollte zunächst einmal wissen, dass Schülerinnen und Schüler grundsätzlich drei Abschlüsse erlangen können:
- Hauptschulabschluss
- Realschulabschluss (Mittlere Reife)
- Abitur (allgemeine Hochschulreife)
Welche weiterführende Schule Ihr Kind besuchen darf, liegt dabei nicht immer vollständig in Ihrem eigenen Ermessen, sondern wird in einigen Bundesländern von einer bindenden Lehrerempfehlung vorgegeben.
Hauptschule
Als niedrigster Bildungsabschluss leidet die Hauptschule als Schulform in Deutschland unter einem schlechten Ruf. Dabei geben sich viele Einrichtungen Mühe, Kontakte zu Unternehmen zu pflegen und einen direkten Berufseinstieg zu ermöglichen. Vor allem praxisbezogener Unterricht und Praktika sollen die Schüler fit für den Beruf machen. Fächer wie Mathe oder Fremdsprachen werden nicht selten in leistungsdifferenzierten Gruppen unterrichtet.
Nach dem Abschluss können die Schüler eine Berufsausbildung beginnen oder, bei guten Leistungen, einen höheren Schulabschluss ansteuern.
Realschule
Laut des Hamburger Abkommen der Kultusministerkonferenz 1964 müssen Realschüler praktische Erfahrungen sammeln, die über den Pflichtlehrstoff hinausgehen. Das geschieht in Form von Praktika und Wahlpflichtkursen. Außerdem können sie eine zweite Fremdsprache belegen (meist Französisch).
Nach dem Realschulabschluss in der 10. Klasse können die Schüler eine Berufsausbildung beginnen, ihr Fachabitur an der Fachoberschule erlangen oder auch ihr Abi am Aufbaugymnasium nachholen.
Tipp Fachoberschule: Als Alternative zur gymnasialen Oberstufe könnte auch die Fachoberschule als Schulform für Ihr Kind infrage kommen. Diese weiterführende Schulform ist in berufliche Fachrichtungen untergliedert und schließt nach der 12. Klasse mit der sogenannten Fachhochschulreife ab. Absolventen können damit an Fachhochschulen studieren.
Gymnasium
Diese Schulform ermöglicht es Schülern, den höchsten allgemeinbildenden Abschluss, das Abitur, zu erlangen. In Deutschland ist dies nach der 12. (G8) oder der 13. Klasse (G9) erreicht. Gymnasiasten können die Oberstufe um ein Jahr verkürzen und die Fachhochschulreife erlangen.
Bis zur Oberstufe werden die Pflichtfächer am Gymnasium im Klassenverband unterrichtet. Ab der 7. Klasse (beziehungsweise 6. bei G8) können die Schüler erste Schwerpunkte und eine zweite Fremdsprache wählen. In der Oberstufe lösen sich die Klassen gänzlich auf und die Jugendlichen werden in Kursen unterrichtet, die sie selbst wählen.
Gut zu wissen: Manche Gymnasien haben sich auf bestimmte Fächer spezialisiert und bieten zum Beispiel wirtschaftliche, naturwissenschaftliche oder künstlerische Schwerpunkte an.
Gesamtschule
Das ursprüngliche dreigliedrige Schulsystem (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) gibt es nur noch in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen. In den anderen Bundesländern existieren Hauptschule und Realschule mittlerweile beinahe ausschließlich in Kombination, in einigen Bundesländern wie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bestehen die verschiedenen Systeme (noch) parallel.
Die Bezeichnungen für die kombinierte Schulform variieren – Gesamtschulen, Regelschulen, Mittelstufenschulen, Stadtteilschulen oder Sekundarschulen sind nur einige davon.
Auch die Organisation an einer Gesamtschule kann ganz unterschiedlich sein.
Fast alle Schulformen in Deutschland werden auch als Ganztagsschule angeboten. Hier geht das Betreuungsangebot an mindestens drei Tagen die Woche über den Vormittag hinaus, was berufstätige Eltern entlasten soll. An einigen Schulen ist das Nachmittagsangebot verpflichtend, an anderen ist die Teilnahme freiwillig.
Förderschulen
In Förderschulen geht es um die optimale Unterstützung von Kindern mit körperlichen, geistigen oder emotionalen Beeinträchtigungen und/oder Lernschwächen.
Alternativ haben viele Schulen integrative Klassen eingerichtet, in denen förderbedürftige Kinder in einem “normalen” Umfeld mit gesunden Kindern aufwachsen. Diese sind allerdings technisch und pädagogisch nicht so gut ausgestattet wie spezialisierte Förderschulen und auch das Thema Mobbing ist an diesen Schulen keine Seltenheit.
Inklusionsdebatte
Aktuell herrscht eine hitzige Debatte um die Inklusion. Einige Aktivisten sind der Überzeugung, dass es gegen die UN-Behindertenrechtskonvention spricht, förderbedürftige Kinder getrennt zu unterrichten. Manche Inklusionsgegner wiederum glauben nicht, dass diese Kinder in einer Regelschule optimal gefördert werden können. Pro- und Kontra-Argumente finden Sie zum Beispiel auf stuttgarter-zeitung.de.
Die Sekundarstufe II umfasst sowohl den Besuch der gymnasialen Oberstufe, die mit dem Abitur abschließt, als auch den berufsbildenden Bereich inklusive Berufskollegs, Fachoberschulen oder Berufsoberschulen.
Berufsbildende Schulformen, wie zum Beispiel Wirtschaftsgymnasien, bieten meist bestimmte Schwerpunkte an und bereiten stärker auf das Berufsleben vor als viele Gymnasien, die auf ein Studium abzielen.
Gymnasiasten können die Oberstufe (Sekundarstufe II) um ein Jahr verkürzen und die Fachhochschulreife erlangen, die zum Studium an Fachhochschulen befähigt.
Gut zu Wissen: Es führen mehrere Wege zum Abi. Viele ehemalige Schüler holen nach der Berufsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg einen höheren Schulabschluss nach (Abendschulen, Kollegs).
Die G8/G9-Debatte
Bis vor einiger Zeit war das Abitur nach 13 Jahren (G9) gängig. Die Verkürzung auf 12 Jahre (G8) sollte unser Schulsystem internationalen Standards anpassen. Im Bildungsmonitor 2014 stellte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln keine negativen Auswirkungen der Schulzeitverkürzung auf Jugendliche fest. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus 2015 allerdings hat sich die Zahl der Klassenwiederholungen erhöht. Trotzdem ist die Zahl der Abiturienten insgesamt gleich geblieben.
Viele Eltern und Pädagogen sind dazu der Meinung, dass G8 zu Lernstress führt und den Kindern nicht genügend Zeit gibt, sich auf das Berufsleben vorzubereiten. Als erstes Bundesland stellte Niedersachsen ab 2015 wieder auf G9 um, weitere Länder folgten, in einigen existieren derzeit Mischformen, Modellschulen oder Wahlfreiheit. In einigen Ländern führt an Gesamtschulen eine 13-jährige Schullaufbahn zum Abitur, auch wenn diese am Gymnasium nur 12 Jahre dauert. Eltern und ihre Kindern sollten sich also rechtzeitig darüber informieren, welche Regelungen es an den Schulen in ihrem Wohnort gibt und welche Möglichkeiten, die Schulzeit zu verängern oder zu verkürzen.
Alternative Schulformen
Legen Sie Wert auf besondere pädagogische Konzepte, die von den oben genannten abweichen und Ihrem Kind vor allem freies und selbstständiges Lernen ermöglichen? Hier erhalten Sie einen Überblick über alternative Schulformen in Deutschland.
Oder interessieren Sie sich schon für eine besondere Schulform? Dann werden Sie vielleicht in folgenden Artikeln Antworten auf Ihre Fragen finden:
Internate
In einem Internat findet Lernen und Leben am selben Ort statt. Es gibt verschiedene Formen dieser Schulen in Deutschland, am häufigsten sind dabei konfessionelle, sportliche und musikalische Schwerpunkte. Das Leistungsangebot geht weit über den staatlichen Lehrplan hinaus und umfasst eine breit gefächerte Freizeitgestaltung. Die Bandbreite an Angeboten hat ihren Preis: Zwischen 1.000 und 3.000 Euro im Monat kostet die Unterbringung in einem privaten Internat. Staatliche und konfessionelle Internate sind etwas preiswerter.
Internationale Schulen
An internationalen Schulen findet der Unterricht in einer anderen Sprache oder zweisprachig statt. Der Stoff orientiert sich meist nicht am deutschen Schulsystem und die Kinder erhalten keine deutschen Abschlüsse. Trotzdem verläuft die Anerkennung meist problemlos. Der Besuch solch einer Schule ist von der Grundschule an möglich. Die Kosten belaufen sich auf 500-1.600 Euro pro Monat.
Konfessionelle Schulen
Konfessionelle Schulen sind an eine Glaubensrichtung gebunden. In Deutschland sind das vor allem die katholische und die evangelische Kirche. Das monatliche Schulgeld schwankt zwischen 30 und 140 Euro je nach Schule.
Welche Schule passt zu meinem Kind?
Nun haben Sie einen ersten Überblick über das deutsche Schulsystem erhalten. Wir hoffen, Sie können jetzt etwas einfacher herausfinden, welche Schulform für Ihr Kind die passende ist.
Falls nicht, haben wir in diesem Artikel “Welche Schulform für mein Kind?” alle Schulformen in Deutschland noch einmal ausführlich unter die Lupe genommen.
Haben Sie bereits eine Vorstellung davon, welcher Schultyp in Frage kommen könnte? Dann ist als nächstes der Schulbesuch an der Reihe.
Unsere Checkliste Schulwahl hilft, sich als Familie klar darüber zu werden, welche Ansprüche man an die zukünfige Schule stellt – und diese dann mit der Realität beim Schulbesuch zu vergleichen.
Bildung ist Ländersache und damit auch das Schulsystem. Was als Reaktion auf den ideologischen Missbrauch durch das nationalsozialistische Regime entstand, entwickelte sich zu einem undurchsichtigen System. Die Bundesländer etablierten über die Jahre hinweg 16 teilweise sehr unterschiedliche Lösungen für die Bildungspolitik: So haben die Lehrpläne unterschiedliche Schwerpunkte und Fächerangebote, die Abschlussprüfungen unterscheiden sich stark und auch der Übergang auf eine weiterführende Schule ist überall anders geregelt – ganz zu schweigen von der Umstellung auf das achtjährige Gymnasium (G8).
Das hat, vor allem seit dem Pisa-Schock im Jahr 2000/2001, einen regelrechten Schulformen-Dschungel in Deutschland hinterlassen: Die Zahl der weiterführenden Schultypen hat sich mehr als verdreifacht – und zu allem Überfluss haben sie alle unterschiedliche Bezeichnungen. Die Verwirrung ist perfekt.
Wir haben Ihnen eine Übersicht erstellt, mit der Sie auf einen Blick sehen, welche der weiterführenden Schulformen in Ihrem Bundesland angesiedelt sind (Stand: 11/2014):
Schleswig-Holstein
- Regionalschule (5.-9./10. Klasse)
- Gemeinschaftsschule (5. – 9./10./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12./13. Klasse)
Mecklenburg-Vorpommern
- Orientierungsstufe (5. und 6. Klasse)
- Regionale Schule (5. – 9./10. Klasse)
- Gesamtschule (5.-9./10./12. Klasse)
- Gymnasium (7.-12. Klasse)
Bremen
- Oberschule (5.-9./10./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Hamburg
- Stadtteilschule (5.-9./10./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Berlin
- Integrierte Sekundarschule (7.-9./10./12./13. Klasse)
- Gymnasium (7.-12. Klasse)
Niedersachsen
- Hauptschule (5.-9./10. Klasse)
- Realschule (5.-9./10. Klasse)
- Gesamtschule (5.-9./10./12. Klasse)
- Oberstufe (5.-9./10. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Sachsen-Anhalt
- Sekundarschule (5.-9./10. Klasse)
- Gesamtschule (5.-9./10./12./13. Klasse)
- Gemeinschaftschule (5.-9./10./12./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Brandenburg
- Oberschule (7.-10. Klasse)
- Gesamtschule (7.-9./10./13. Klasse)
- Gymnasium (7.-12. Klasse)
Nordrhein-Westfalen
- Hauptschule (5.-9./10. Klasse)
- Realschule (5.-9./10. Klasse)
- Sekundarschule (5.-9./10. Klasse)
- Gesamtschule (5.-9./10./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12./13. Klasse)
Thüringen
- Realschule (5.-9./10. Klasse)
- Gesamtschule (5.-9./10./13. Klasse)
- Gemeinschaftsschule (5.-9./10./12. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Sachsen
- Oberschule (5.-9./10. Klasse)
- Gymnasium(5.-12. Klasse)
Rheinland-Pfalz
- Kooperative Realschule (5.-9./10. Klasse)
- Integrative Realschule (5.-10. Klasse)
- Integrierte Gesamtschule (5.-9./10./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Hessen
- Hauptschule (5.-9./10. Klasse)
- Realschule (5.-9./10. Klasse)
- Mittelstufenschule (5.-9./10. Klasse)
- Gesamtschule (5.-9./10./12./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Bayern
- Mittelschule (5.-9./10. Klasse)
- Realschule (5.-10. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Saarland
- Gemeinschaftsschule (5.-9./10./13. Klasse)
- Gymnasium (5.-12. Klasse)
Baden-Württemberg
- Hauptschule (5.-9. Klasse)
- Werkrealschule (5.-9./10. Klasse)
- Realschule (5.-10. Klasse)
- Gymnasium (5.-12./13. Klasse)
- Gemeinschaftsschule (5.-9./10./12./13. Klasse)
scoyo: Einer Studie der LBS zufolge leidet jeder dritte Schüler unter Mobbing. Hat Mobbing aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren zugenommen?
Dr. Gebauer: Ob es eine Zunahme gegeben hat, lässt sich schwer beurteilen, weil die Vergleichszahlen fehlen. Auch die aktuellen Zahlen über die Häufigkeit des Auftretens von Mobbing schwanken. Das hängt unter anderem davon ab, was man unter Mobbing versteht. Ich gehe davon aus, dass etwa sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler von Mobbing betroffen sind. Für diese Kinder ist es allerdings wichtig, dass sie von ihren Lehrerinnen und Lehrern Hilfe erfahren. Diese müssen Ausgrenzungen wahrnehmen und als Machtdemonstrationen begreifen, die sich Schüler oder Schülerinnen vor ihren Augen erlauben.
scoyo: Wo hört normales, ungestümes Kinderverhalten auf und fängt Mobbing an?
Dr. Gebauer: Mobbing ist ein aggressiver Akt und bedeutet, dass eine Schülerin oder ein Schüler über einen längeren Zeitraum belästigt, schikaniert oder ausgegrenzt wird. In der Regel geht die Aggression von einer Person aus. Ein Mobber wählt einen Schüler oder eine Schülerin als Opfer aus. Der Mobber – es kann auch eine Mobberin sein – schart andere um sich, die ihn bei seinen erniedrigenden Handlungen aktiv oder passiv unterstützen. Bei Mobbing gerät eine Schülerin / ein Schüler in eine absolut hilflose Situation. Dabei spielt das Gefühl der Angst eine große Rolle. Die Mitläufer spielen das grausame Spiel mit, weil sie Angst haben, sonst selbst Opfer zu werden. Das Opfer versteht in der Regel nicht, warum es beleidigt, gequält und gedemütigt wird.
scoyo: Welche Formen des Mobbings gibt es?
Dr. Gebauer: Mobbing kann sich andeuten, wenn z.B., Hefte und andere Materialien verschwinden, wenn Schulsachen beschädigt werden oder Gerüchte verbreitet werden. Es kommt vor, dass ein Schüler oder eine Schülerin von Gruppenarbeiten ausgeschlossen wird. In manchen Fällen darf sich ein Opfer nicht aktiv am Unterricht beteiligen. Demütigungen erfolgen mit Worten und Zeichnungen auf Zetteln, in Schülerzeitungen und in Briefen. Oft werden Opfer in demütigende Situationen gebracht und dabei mit dem Handy fotografiert. Anschließend werden die Szenen gemeinsam angeschaut, als E-Mail verschickt oder gar ins Internet gestellt. Unter Jugendlichen kommt es zu sexuellen Diffamierungen.
scoyo: Was macht Kinder zu Mobbing-Tätern?
Dr. Gebauer: Die Lebenssituation von Mobbern zeichnet sich durch große Unsicherheit aus. Oft haben spätere Täter während ihrer Kindheit nicht die Zuwendung und Beachtung erfahren, die zu einem gesunden Selbstwertgefühl führt. Manchmal sind sie selbst Opfer von Demütigungen und Gewalt gewesen. Das innere Muster eines Mobbers kann man als Versuch ansehen, eigene Ohnmachtserfahrungen zu überwinden, indem er gegenüber Schwächeren Macht ausübt. Es geht um den untauglichen Versuch, eigene Unsicherheit und Angst in ein Gefühl von Sicherheit zu verwandeln. Ein Kind, das über ein gutes Selbstwertgefühl verfügt, muss andere nicht demütigen.
scoyo: Aus Schamgefühl oder Einschüchterungen seitens der Peiniger verschweigen einige Kinder, dass Sie Opfer von Mobbing geworden sind. Woran erkenne ich als Elternteil, dass mein Kind unter Mobbing leidet?
Dr. Gebauer: Eltern und Lehrer sollten auf ganz alltägliche Dinge achten. Wenn zum Beispiel ein bisher guter Schüler in seinen Leistungen plötzlich stark nachlässt, wenn er morgens nicht aufstehen mag, keine Lust mehr auf die Schule hat, sich ständig unwohl fühlt, über Kopf- und / oder Bauchschmerzen klagt, können das Hinweise auf Mobbing sein.
scoyo: Welchen Rat geben Sie Eltern von Mobbing-Opfern?
Dr. Gebauer: Wenn Eltern davon erfahren, dass ihr Kind gemobbt wird, haben sie keine wichtigere Aufgabe als sich in den kommenden Wochen und Monaten auf die Seite ihres Kindes zu stellen und es bei allen weiteren Auseinandersetzungen zu unterstützen. Ein grober Fehler wäre es, dem Opfer eine Mitschuld zu geben. Dabei sollten sie nichts untenehmen, ohne vorher mit ihrem Kind darüber gesprochen zu haben. Sie sollten im Verwandten- und Freundeskreis nach Personen ihres Vertrauens Ausschau halten und diese in den Klärungsprozess mit einbeziehen. Oft machen sich Erwachsene nicht klar, dass ein Mobbingopfer – vor allem, wenn es lange geschwiegen hat – sein Selbstvertrauen völlig verloren hat. Es muss daher zunächst ein Netz von Beziehungen aufgebaut werden, in dem sich das Opfer sicher und geborgen fühlen kann. Eltern sollten möglichst schon im Vorfeld mit der Schule Kontakt aufnehmen und mit dafür sorgen, dass Mobbing professionell bearbeitet werden kann. Hilfreich ist es, wenn Lehrkräfte eine gute Beziehung zu ihren Schülern aufbauen und das Klären von Konflikten zu einem zentralen Anliegen ihrer Unterrichtsarbeit machen. So entsteht Vertrauen. Darin liegt der wirksamste Schutz gegenüber Mobbing. Wenn durch die Schule keine Unterstützung erfolgt, ist ein Schulwechsel dringend zu empfehlen.
Dr. Karl Gebauer
| © Dr. Karl Gebauer
Dr. Karl Gebauer, Autor
Dr. Karl Gebauer war 35 Jahre als Lehrer tätig, 25 davon als Rektor an der Leinebergschule in Göttingen. Seit vielen Jahren hält er Vorträge zu aktuellen Erziehungs- fragen und leitet Workshops für Eltern, Lehrer und Erzieherinnen. Karl Gebauer hat zahlreiche Aufsätze geschrieben und insgesamt 16 Bücher publiziert.
Schwerpunkte seiner intellektuellen Auseinadersetzung sind die Bedeutung der Emotionalität in Erziehungsprozessen, Gewalt in der Schule, konstruktiver Umgang mit Stresssituationen, Chancen der Teamarbeit, Sozialisationsprozesse in der Grundschule und Verhaltensauffälligkeiten im Kindesalter.
Weitere Informationen finden Sie auf seiner Homepage.
Eine Kolumne von Christian Hanne, Blog Familienbetrieb.
In den nächsten Wochen gibt es in ganz Deutschland die Halbjahreszeugnisse. Mein Schwager pflegte als Kind einen sehr entspannten Umgang mit seinem Zeugnis. Er brachte es in der 1. Klasse zerknüllt in der Hosentasche von der Schule mit. Ein Verhalten, das vielleicht nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen sei, aber zumindest sollten Kinder keine Angst haben, mit ihrem Zeugnis nach Hause zu kommen. Auch wenn der Notendurchschnitt darauf hindeutet, dass sie im letzten halben Jahr mehr Zeit mit Snapchat, Netflix und Chillen als mit unregelmäßigen englischen Verben, chemischen Reaktionsgleichungen und dem Satz des Pythagoras verbracht haben. Trotzdem sollte der Zeugnistag nicht zum Tag des Zorns werden. Vielleicht inspirieren Sie die folgenden Gedanken und Tipps, wie Sie mit den Zeugnissen Ihrer Kinder möglichst gelassen umgehen können.
Es müssen nicht immer Noten sein
Die beste Möglichkeit, sich nicht mehr über Noten aufzuregen, besteht darin, sie abzuschaffen. Allerdings wollen Sie auch nicht in jedem Fach seitenweise Bewertungsprosa über die schulischen Leistungen und Verfehlungen Ihres Kindes lesen müssen. (Und Lehrerinnen und Lehrern möchten Sie nicht zumuten, diese schreiben zu müssen.)
Schlagen Sie der Schule Ihres Kindes daher doch ein alternatives Bewertungsschema vor, das nicht auf harten, kalten Zahlen basiert, sondern an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler anknüpft. Emojis!
Sie müssen zugeben, dass es die Stimmung am Abendbrottisch erheblich auflockert, wenn Ihr Kind auf die Frage „Was hattest du eigentlich in der Französischarbeit?“ fröhlich sagen kann: “Einen Kackhaufen!”
Noten sind relativ
Wenn Sie sich über das vermeintlich schlechte Zeugnis Ihrer Kinder aufregen, denken Sie immer daran: Ein Zeugnis ist letztlich auch nur ein Blatt Papier mit Zahlen. (Unter Umständen recht hohen Zahlen).
Irgendwann hat sich jemand die Notenskala ausgedacht, um die Leistung von Schülerinnen und Schülern zu bewerten. Dabei ist die Bedeutung der Noten vollkommen willkürlich. Während in Deutschland beispielsweise die Eins für eine sehr gute und die Sechs für eine ungenügende Leistung steht, ist es in der Schweiz genau umgekehrt. Dort ist die Sechs die beste und die Eins die schlechteste Note.
Hat Ihr Kind auf dem Zeugnis mehr Fünfen als bei einem Fünfer-Kniffel, mag das in einer deutschen Schule besorgniserregend sein, aber in der Schweiz würde es zu den Klassenbesten zählen. Zugegebenermaßen eine Sichtweise, deren psychologischer Effekt aufbauend wirken mag, Ihrem Kind aber auch nicht weiterhilft, wenn es sich später für ein Medizin- oder Jurastudium bewirbt. Nicht einmal in der Schweiz.
Schlecht ist nicht gleich schlecht und gut ist nicht gleich gut
Aber auch im deutschen Notensystem sind schlechte Noten immer nur relativ schlecht. Eine Vier in Latein kann zum Beispiel ein Grund zu großer Freude sein. Schließlich ist es keine Fünf! Eine, trotz ihrer Schlichtheit, sehr weise Aussage, wie ich finde. Allerdings bin ich da wohl etwas voreingenommen, denn sie stammt ja von mir.
Umgekehrt müssen Sie sich nicht allzu viel darauf einbilden, wenn Ihre Kinder mit einem 1er-Zeugnis nach Hause kommen. Selbst bei einem 1,0-Schnitt. Irgendwo auf der Welt gibt es immer einen 10-jährigen, der gerade seine Promotion in theoretischer Physik mit ‚Summa cum Laude‘ abgeschlossen hat. Dagegen wirkt ihr vermeintlich ach so schlaues Kind dann nur noch wie ein tumber Nullchecker.
Mut zur Lücke
Insbesondere Kinder, die eine weiteführende Schule besuchen, sehen sich täglich mit einer sehr breiten Fächerpalette konfrontiert und müssen sich im 45-Minuten-Takt mit ganz unterschiedlichen Themen beschäftigen. In der einen Stunde werden komplizierte Kurvendiskussionen mittels binomischer Formeln geführt, in der nächsten analysieren sie die Sonette Shakespeares, anschließend müssen sie biochemische Stoffwechselprozesse parat haben und danach geht es im Erdkunde-Unterricht um Vulkanismus und Plattentektonik.
Bei so einem diversen Lernstoff wäre es selbst Leonardo da Vinci einfach unmöglich, in allen Fächern mit hervorragenden Noten zu brillieren. Seien Sie also nachsichtig, wenn Ihr Kind ein paar Dreien oder gar Vieren auf dem Zeugnis hat. Oder arbeiten Sie halbtags als Medizinbiologe am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, haben gleichzeitig eine Teilzeitprofessur in romanischer Philologie, komponieren abends sinfonische Konzerte, die in der Hamburger Elbphilharmonie aufgeführt werden, und gelten darüber hinaus als aussichtsreicher Goldmedaillen-Kandidat im 50 Kilometer-Langlauf bei den anstehenden olympischen Spielen? Nein? Dann müssen Sie es ja auch nicht von Ihrem Kind erwarten.
Lob dem Mittelmaß
Es ist außerdem gar nicht immer erstrebenswert, eine 1er-Schülerin oder ein 1er-Schüler zu sein. Dagegen ist es viel nützlicher, eher durchschnittliche Leistungen abzuliefern. Nach einer geradezu brillanten Grundschulkarriere war ich auf dem Gymnasium ein ziemlich mittelmäßiger Schüler. (Ich war sogar ein solch mittelmäßiger Schüler, dass sich die meisten meiner Lehrer schon kurz nach meinem Abitur nicht mehr daran erinnern konnten, mich jemals unterrichtet zu haben.)
Dies hat heute den unschätzbaren Vorteil, dass ich, wenn ich meine Eltern besuche, vollkommen unbehelligt durch das Städtchen schlendern kann, ohne Gefahr zu laufen, dass mich ein ehemaliger Lehrer oder eine ehemalige Lehrerin erkennt und mir ein Gespräch über alte Schulzeiten, meine berufliche Laufbahn und meine familiäre Situation aufzwängt. Gönnen Sie Ihren Kindern auch diese Freiheit und schicken Sie sie nicht sofort zur Nachhilfe, nur weil es mal eine Vier in Mathematik oder Biologie hat. Dann steigt außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass es Sie später besuchen wird.
Es gibt genügend schlechte Vorbilder
Möglicherweise zählt Ihr Kind aber nicht mehr zum Durchschnitt der Klasse, sondern ist stark versetzungsgefährdet. Das ist jedoch kein Grund in Panik zu verfallen und soziale Ächtung zu befürchten. Schließlich gibt es unzählige prominente Persönlichkeiten, die sehr schlecht in der Schule waren, später aber dennoch erfolgreiche Karrieren hingelegt haben.
Thomas Gottschalk ist beispielsweise einmal sitzen geblieben, genauso wie Otto oder Mehmet Scholl. Sogar Harald Schmidt, Ulrich Wickert und Roger Willemsen hat es mal erwischt und sie mussten ihre Schulzeit unfreiwillig verlängern. Thomas Mann hat gar zwei Ehrenrunden gedreht und nie Abitur gemacht, was augenscheinlich kein Hinderungsgrund war, ihm später den Literaturnobelpreis zu verleihen. Wenn Ihr Kind also eine Klasse wiederholen muss, ist das möglicherweise nicht Ausdruck von mangelnder Intelligenz, sondern ein untrügliches Zeichen für eine unentdeckte Hochbegabung.
Motivieren, aber richtig
Vielleicht möchten Sie ihre Kinder durch Belohnungen zu schulischen Bestleistungen anspornen. Wenn Sie Ihre Familie wie einen kapitalistischen Großkonzern führen, der auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, können Sie sich beispielsweise ein finanzielles Anreizsystem ausdenken, bei dem Ihr Kind für Einsen und Zweien mit abgestuften Geldbeträgen belohnt wird. Ein System, dass allerdings seine Schwächen hat. Wenn es funktioniert, ist es äußerst kostspielig, was dann wiederum Ihren Gewinnmaximierungsabsichten entgegenwirkt.
Am humanistischen Bildungsideal orientierte Eltern lehnen Belohnungssysteme für gute Noten entschieden ab. Schließlich sollte man nicht für Geld oder Noten lernen, sondern für das Leben. So ähnlich – zumindest sinngemäß – hat das der römische Philosoph Seneca gesagt und der gilt gemeinhin als kluger Denker. Bei dieser wohlwollenden Einschätzung seiner Person wird allerdings häufig übersehen, dass er unter anderem der Lehrer des römischen Kaisers Nero war. Der ging bekanntlich als Brandstifter Roms in die Annalen ein und war berüchtigt dafür, seine Gegner verfolgen und grausam meucheln zu lassen.
Somit sollte Senecas pädagogisches Talent nicht überbewertet werden und Sie können durchaus überlegen, wie Sie Ihre Kinder durch Belohnungen zu guten Noten motivieren können. Allerdings sollten Sie dabei die richtigen Anreize setzen. Das ist für Kinder heutzutage nämlich weniger Geld, sondern der WLAN-Zugang. Wenn Ihre Kinder notorische Faulpelze sind, kündigen Sie einfach mal an, dass ihre künftige Internet-Nutzung davon abhängt, dass sich ihre Lernbereitschaft erheblich verbessert. Im ersten Moment wird in Ihrem Haushalt zwar eine Stimmung herrschen gegen die Mordor als idyllischer Luftkurort gelten kann, aber schon bald werden die Kinder einen Fleiß an den Tag legen, von dem sich Honigbienen eine Scheibe abschneiden können. Nur damit sie das neue WLAN-Passwort erfahren und sich pausenlos YouTube-Videos reinziehen können, bis auch ihre letzte Gehirnzelle Reißaus genommen hat. Dann können Sie Ihre Kinder auch mit Geld für gute Noten ködern, ohne Gefahr zu laufen, am Zeugnistag nur einen einzigen Euro ausgeben zu müssen.
Das etwas andere Zeugnis
Christian Hannes Kolumne zeigt: Das Zeugnis und Noten sind relativ. Es sind letztlich abstrakte Zahlen auf einem Blatt Papier, die länderübergreifend nicht einmal eine einheitliche Bedeutung haben! Sicher: Wenn es in der Schule mal nicht läuft, kratzt das am Selbstwertgefühl – sind Noten doch in dem meisten Schulen fast von Beginn an der Maßstab für gut und schlecht. Aber sie bewerten immer nur einen ganz kleinen Ausschnitt zu einem spezifischen Wissen. Kreativität, soziale Fähigkeiten oder Baumkletterskills werden aber nicht bewertet. Umso wichtiger ist es zu zeigen, dass Kinder neben Noten viele weitere tolle Dinge können und die Zahlen im Zeugnis nicht alles sind!
Aus diesem Grund haben wir das etwas andere Zeugnis entworfen, mit dem Eltern ihren Kindern sagen können, auf was es ihnen eigentlich ankommt.
Dabei können Sie unter anderem diese Fragen beantworten:
- Was wissen die Lehrer nicht über Ihr Kind?
- Worauf sind Sie besonders stolz?
- Wie würden Sie Ihr Kind in wenigen Worten beschreiben?
Machen Sie mit und geben Sie die Aktion #mehralsnoten gerne weiter, denn: Unsere Kinder sind so viel mehr als Noten!
Kolumne von Eltern für Eltern
Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie hier Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens. Alle Kolumnen ansehen.
Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel „Nackte Kanone“ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten sinniert er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.
Meine Tochter war so an die zehn Jahre alt, als sie Zeugin folgender Situation wurde: Mein Mann und ich mussten auf der Straße kurz ein Reserverad von einem Kofferraum zum anderen umpacken. Wie geht das am besten? Voller Freude rief mein schlaues Kind: “Popo an Popo!” Klar: Kurz die Autos Kofferraum an Kofferraum bringen, um so wenig wie möglich das schwere Ding zu schleppen – zumal wir Spezialisten für Bandscheibe & Co sind.
Und dann stand eines dieser zauberhaften Wesen in Uniform vor uns. Eine Politesse. Ob wir wüssten, dass es verboten sein, ein Auto in der umgekehrten Fahrtrichtung auf der Straße zu parken. Wir sagten, dass wir nicht parken würden, sondern nur kurz halten. Sie blieb unbarmherzig und schrieb uns ein Ticket. Meine Tochter versuchte, ihr mit großen Kinderaugen zu erklären, wie ungerecht das sei! Ich erkundigte mich, was eigentlich eine Beamtenbeleidigung on top kosten würde. Sie händigte uns wortlos den Zettel mit der Strafe aus und stöckelte davon.
Als wir später woanders (jetzt nun wirklich) parkten, fragte meine Tochter: „Können wir jetzt umgekehrt parken? Wir haben ja dafür schon bezahlt!” Ehrlich gesagt, innerlich grollte ich immer noch gegen die Ordnungshüter und so gesellte ich mich zu dem Trotz meiner Tochter und parkte falsch herum, in der Hoffnung, nicht noch mal bezahlen zu müssen. Ich hatte Glück diese Nacht.
Strafen in der Erziehung – was das bei Kindern wirklich für Folgen hat
Gerade bei den unabhängigen Denkern können Strafen als Erziehungsmittel genau das Gegenteil bewirken, von dem, wofür sie verhängt werden. Wenn unsere lieben Kleinen nicht einsehen, dass sie etwas falsch gemacht haben und nicht verstehen, was sie falsch gemacht haben, verstärken Strafen eher das unerwünschte Verhalten. Und wenn ganz von Anfang an nur mit Strafen und Druck erzogen wird, haben unsere Kinder bald gar keine unabhängige Denke mehr, sondern werden zu unselbstständigen Wesen, die nur aus negativer Motivation heraus agieren. Drückeberger. Ja-Abers. Anweisungsbefolger.
Wollen wir modernen Eltern das wirklich?
Kinder bauen aber oft Mist. Wie sollen sie lernen, dass das nicht ok war?
Wat nu? Schimpfen, erklären und dann nichts? Ist das dann ausreichend Erziehung? Nur Einsicht fördern, ist das die Lösung?
Was bei uns in der Familie immer funktioniert hat, ist eher das Prinzip Wiedergutmachung statt Strafe – inklusive der Konsequenzen. Das erfordert Gespräche und Erklärungen. Es erfordert, dass klar wird, wer unter einem bestimmten Verhalten zu leiden hatte. Und womit man denjenigen dann wieder glücklich machen könnte.
Meine Beispiele, wo Wiedergutmachung statt Strafe in der Erziehung bestens funktioniert hat:
1. Zu lange nach dem Turnen getrödelt und nicht zur vereinbarten Zeit zurück zu Hause angekommen?
Mama hat sich Sorgen gemacht. Sich einen Unfall vorgestellt. Eine Kindesentführung. Hat innerlich schon die Blaulichter der Polizei vor dem Haus und die Hundertschaft mit Hunden bei der Suche gesehen. Das kann zwar massives Augenrollen in der präpubertären Phase hervorrufen, aber selbst dann kann ein Kind verstehen: Mama ging es verdammt schlecht dabei. Wiedergutmachung: Wenigstens eine kleine Nacken-Entspannungsmassage für Mama müsste drin sein.
Und wenn wir schon mal dabei sind, uns gegenseitig zu verstehen … auch Mama kann dabei etwas verstehen. Möchte das Kind nach dem Sport noch etwas mit den anderen klönen? Das ist OK, dann lässt sich dafür ein Puffer einbauen. Oder es schickt noch kurz eine Nachricht mit der Verspätungsankündigung – denn meistens ist es so, dass Kinder, die alleine unterwegs sind, heutzutage auch mit deinem entsprechenden Mobilgerät ausgestattet sind, um wenigstens eine SMS absetzen zu können. Also Konsequenz (muss ja gar nicht zu Lasten des Kindes gehen!): Klare Abmachung, wie viel Verspätung noch OK ist, und ab wann eine Nachricht abgesetzt wird.
2. Omas wertvolle Teekanne beim Spielen, sogar nach mehrfachem Ermahnen, kaputt gemacht?
Schnelle Konsequenz: Aufräumen. Dann sollte ein Entschuldigungsgespräch stattfinden, bei dem nicht nur dem formellen Akt der Entschuldigung genüge getan werden sollte, (… ehrlich gesagt, das allein kann man meiner Meinung in die Tonne treten …) sondern bei dem das Kind von Oma erfahren sollte, warum die Kanne wertvoll war. Hat sie einfach viel Geld gekostet? Oder hängen an dem guten Stück wunderbare Erinnerungen und Omas Herz blutet gerade? Wiedergutmachung: Was könnte Oma trösten? Eine neue Teekanne zu töpfern? Oder eine aus den Ferien mitzubringen? Oder ein wenig bei der Gartenarbeit auszuhelfen?
Also: Je weniger etwas verhängt wird von oben herab (typische Strafen bei der Kindererziehung), und je mehr die Empathie des Kindes verstärkt wird, sein Verhalten zu reflektieren und zu verstehen, warum der andere Mensch jetzt “geschädigt” ist, desto besser! Bei uns hat sich das so entwickelt, dass meine Tochter ein immer feineres Gespür für meine Wünsche bekommen hat.
Die Krönung meiner Wiedergutmachungen: Gutscheine. Für Ausstellungs- und Museumsbesuche. Ohne Maulen.
Über Béa Beste
Béa Beste, Bildungsunternehmerin
Bildungsunternehmerin
© Béa Beste
Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin plädierte Bildungsunternehmerin Béa Beste als Expertin im Bereich „Wie wollen wir lernen?“ für eine Lernkultur der Potenzialentfaltung und mehr Heiterkeit in der Bildung. Béa gründete 2006 die bilingualen Phorms Schulen, einige Jahre später die monatlich erscheinende Tollabox mit Materialien und Bastel-Ideen für Familien mit Kindern ab drei Jahren. Die Mutter einer erwachsenen Tochter führt den Kreativ-Blog der Tollabox als ‘Tollabea’ weiter.
Kolumne – von Eltern für Eltern
Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten hier über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens: → Alle Kolumnen ansehen
Aber auch Spontankäufe an der Supermarktkasse gehören zum Leben dazu und sind eine wichtige Erfahrung – denn nur so können Kinder lernen, welche Anschaffungen wieviel Geld kosten und wie lange darauf gespart werden muss. So haben sie direkt ein besseres Verständnis für den Wert von Dingen – und dass mit ihnen vorsichtig umgegangen werden muss.
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Wieviel Taschengeld ist eigentlich normal?
Je nach Alter, Anzahl der Kids und (leider) sogar nach Geschlecht variiert das Taschengeld in vielen Familien. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt eine Richtwerttabelle für die Höhe des Taschengeldes an. Demnach liegt die Vorgabe für 10-jährige Kinder (4. Klasse) bei 15,50 – 18 Euro, bei 13-jährigen schon bei 23,50-25,50 Euro im Monat.
Statista hat folgende Durchschnittswerte ermittelt:
Doch wie klappt das eigentlich bei Familien mit geringem Einkommen?
Ganz klar können Eltern mit einem sehr niedrigen Einkommen nicht so viel vom Haushaltsbudget abzweigen, wie Eltern mit gut bezahlten Berufen. Hier ist Kommunikation gefragt. Wichtig ist, mit den Kids über die Ausgaben und das Haushaltbudget zu sprechen. Wofür geben wir wieviel Geld aus? Das hilft den Kindern, ein Gefühl dafür zu bekommen, dass nicht unbegrenzt Geld da ist und dass damit überlegt umgegangen werden muss. Werden mit ihnen die Ausgaben für die Familie konkret besprochen, verstehen sie leichter, warum das Taschengeld bei ihnen nicht so üppig ausfällt, wie vielleicht beim Nachbarskind von nebenan.
Was besagt der Taschengeldparagraph?
Selbst im BGB existiert ein Paragraph zum Thema Taschengeld. Demnach dürfen sich Kinder ab 7 Jahren von ihrem Taschengeld kaufen, was sie wollen – bzw. Kaufgeschäfte in Läden ohne ihre Eltern abschließen. Dies gilt aber nur für kleinere Anschaffungen wie Süßigkeiten, Spielzeug oder Bücher – große und teure Technikgeräte dürfen nicht an Kinder verkauft werden. Der Kauf wird ungültig, wenn Eltern ihn im Voraus oder im Nachhinein verbieten.
Taschengeld aufbessern oder nicht?
Hier scheiden sich die Geister: Während einige Eltern die Hilfe der Kids im Haushalt oder Garten mit ein paar Extra-Euros belohnen, sind andere der Meinung, Hilfe im Haushalt sei selbstverständlich. Beide Positionen sind nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz ist das „Verdienen“ von Geld für die Kinder eine gute Möglichkeit, zu lernen, dass Geld nicht auf der Straße liegt, sondern erarbeitet werden muss. Hier könnte ein Kompromiss hilfreich sein: Zimmer aufräumen oder Müll raustragen als unentgeltliche, regelmäßige Aufgabe im Haushalt und dafür beim Rasen mähen oder Auto waschen ein kleiner Zuschuss für das Sparschwein. So können die Kids abwägen, ob sie das Geschäft eingehen möchten – oder nicht.
Auch der Rhythmus, in dem die Kids ihr Taschengeld bekommen, ist in vielen Familien unterschiedlich. Während die einen Eltern das Geld für einen ganzen Monat bereitstellen, bekommen andere Kinder wöchentlich Taschengeld. Es wird klar: das Thema Taschengeld wird in Familien ganz unterschiedlich angegangen.
Interview mit Lisa von Stadt Land Mama
Wir haben Dreifach-Mutter Lisa von Blog Stadt Land Mama gefragt, wie sie das mit dem Taschengeld handhabt.
Liebe Lisa, bei euch läuft das mit Taschengeld ein bisschen anders. Warum habt ihr euch dafür entschieden, euren Kids kein festes Taschengeld zu geben?
Das hat sich tatsächlich im Alltag bei uns so ergeben. Wir sind als Familie immer für pragmatische Lösungen. Wenn unsere große Tochter in die Stadt fährt, bekommt sie Geld mit, je nachdem, was sie braucht. Und wenn unsere drei Kinder mit mir zusammen etwas sehen, das sie gern hätten, bei dem ich aber denke, dass sie es nicht brauchen, dann sage ich: Okay, ihr könnt euch das kaufen, das ist aber dann vom Taschengeld. Es gibt also theoretisch Taschengeld, aber ich verwalte es sozusagen.
Gibt es bei euch eine Alternative für die Kids, sich ein bisschen Geld zu verdienen? Was für Aufgaben können da übernommen werden?
Ich habe neulich, als mal wieder ein Mathebuch fehlte, tatsächlich mal ein Kopfgeld darauf ausgesetzt, weil ich selbst nicht mehr wusste, wo ich noch suchen konnte 😉. Aber sie können sich auch selbst etwas verdienen. Sie dürfen zum Beispiel an unser eh komplett überfülltes Buchregal gehen und aussortierte Bücher verkaufen. Das Geld dafür können sie dann selbst behalten.
Taschengeld ist ja auch dafür gut, damit Kinder den Umgang mit Geld lernen. Wie geht ihr als Eltern mit Anschaffungen um, die eure Kinder gerne haben wollen?
Unterschiedlich. Unsere 14-Jährige hat Zugriff auf ihr Konto, auf das ich monatlich etwas überweise. Die beiden „Kleinen“ haben Spardosen, in denen sie Geld sammeln, dass sie von Oma zum Geburtstag bekommen oder die Reste ihres Brötchengeldes. Aber Geld ist bei uns kein Tabu und wir quatschen offen darüber, wie viel Stunden ich arbeiten muss, um Produkt X oder Y zu kaufen. Dadurch bekommen sie natürlich auch ein Gefühl für Werte. Und ich schließe nicht aus, dass wir irgendwann wieder Taschengeld einführen, wenn wir alle für reif genug dafür halten. Es fällt im Alltag bislang noch nicht so auf, weil wir auch keine sonderlich ausgeprägte Shoppingfamilie sind…
Kaufen eure Kids Sachen für die Schule selbst?
Nein. Für die Schule sind bei uns komplett die Eltern zuständig. Es sei denn, es muss der Ober-Super-Duper-Markenfüller sein, dann dürfen sie etwas dazugeben.
Letzte Frage: Wie stehen eure Kids zu eurem Umgang mit Taschengeld? Ist das okay für sie oder doch öfter mal ein Streitthema?
Natürlich erwähnen sie öfter mal, dass sie gern auch mal etwas sparen würden, um sich etwas zu kaufen. Wir hatten ja auch mal klassisches Taschengeld, da bekam jeder je nach Schulklasse etwas (1.Klasse: 1 Euro, 5. Klasse: 5 Euro). Das Geld war aber nicht wirklich sicher und öfter mal „weg“, so dass ich das dann wieder abgeschafft habe. Heute bekommen sie ja ab und an mal etwas, das sie nicht wirklich brauchen – und ich aber das Gefühl, dass sie durchschauen, dass sie sich diese Dinge mit ihrem früher doch recht übersichtliches Taschengeld gar nicht hätten leisten können. Sie fahren mit dieser Methode also im Grunde besser. Es fehlt ihnen an nichts.
Die Autorin
Louisa Eberhard kommt aus Berlin und studiert nun in Hamburg Sozialwissenschaften. Sie beschäftigt sich vorrangig mit den Themen Erziehung, Bildungswesen und Familienalltag.
16.11.2015, Kolumne von Béa Beste
In dem Moment, in dem wir Eltern werden, verändert sich alles im Leben. Sich nach getaner Arbeit aufs Sofa fläzen, die ruhigen Momente im Coffee-Shop genießen, nächtelang mit Freunden ausgehen und am Wochenende bis zum Nachmittag ausschlafen? Vorbei! Die Marathon-Vorbereitung, der Töpferkurs in der Toskana oder der neue Sprachkurs? Vergessen!
Eltern leiden chronisch unter Schlaf- und Zeitmangel, sie sind quasi die Krone der Erschöpfung. Da kann die viel zitierte Me-Time schon an sich Stress auslösen.
Dabei wissen wir theoretisch, dass wir selbst glücklich sein müssen, um unseren Kindern eine glückliche Kindheit zu bieten. Aber wie können wir glücklich sein, wenn wir zu viel von unseren Wünschen und Vorhaben hinten anstellen?
Ich war sehr jung und voller Wünsche, als ich meine Tochter bekam – und habe diese nicht aufgegeben, sondern mich immer wieder selbst motiviert. Vieles davon habe ich irgendwie nur instinktiv gemacht. Im Nachhinein betrachtet haben mich folgende Punkte wirklich weiter gebracht:
Wie kann ich mich selbst motivieren, etwas für mich zu tun? Tipps aus eigener Erfahrung
1. Mir klar machen, dass ich das Kind gewollt habe
Ich bin zwar nicht geplant schwanger geworden mit nur 21 Jahren, aber ich habe das Kind gewollt. Ich habe mich bewusst entschieden, meine Tochter zu haben. Und wenn ich mal in Situationen war, in denen ich mich doch überfordert fühlte, habe ich mir mein Kind angeschaut und voller Liebe vor mich hin gesagt: „Ja, doch, ich habe dich gewollt.“ Und schon war ich weniger überfordert, sondern glücklich, dass ich sie hatte.
2. Eigene Interessen haben – und sich selbst motivieren, diesen nachzugehen
Natürlich war in der Schwangerschaft und auch in der ersten Zeit die Magie des kleinen Wunders in meinem Leben stärker als alles andere, und das gute Oxytocin legt sich doch irgendwie auf die grauen Zellen nieder … Ja, ich konnte eine Weile auch nur noch in Babybrei und Windelinhalt denken, aber ich habe mich nahezu gezwungen, mich auch mit dem Weltgeschehen und anderen Zusammenhängen zu beschäftigen.
Mein erstes Sachbuch nach der Geburt hat mich Nerven gekostet, aber ich habe es geschafft und war am Ende stolz darauf.
3. Einen klaren Zeitraum definieren, um auch alleine zu sein
Der Witz besagt, dass die gute Fee (die mit der Wunscherfüllung) bei Müttern mit Kleinkindern staunt: „Wie? Nur alleine aufs Klo dürfen und 10 Minuten alleine duschen am Tag???“ Tja, auch diese Alltagsrechte muss man sich erkämpfen.
Es tut gut, mindestens einen Abend alle zwei Wochen für sich zu haben, um Freunde zu treffen, oder etwas Anspruchsvolles zu machen – ohne Kind. Oder einfach, um auszuschlafen!
Egal wie, ich habe mir das als selbstverständliches Grundrecht eingefordert und es hat mir immer gut getan. Das setzt eigentlich aber den nächsten Punkt voraus:
4. Anderen Menschen vertrauen, dass sie sich gut ums Kind kümmern können
Ich weiß, das ist bei vielen (vor allem Müttern) der eigentliche Knackpunkt, weshalb sie sich selbst nicht gut motivieren können, etwas für sich zu tun: Es ist schwer, sein Kind anderen Menschen anzuvertrauen. Aber wir sind doch nicht von Idioten umgeben, und unsere sozialen Kontakte, unsere Familie hat dieses Vertrauen verdient.
Ich habe mir von Anfang an klar gemacht, dass andere Menschen mein Kind nicht haargenau so behandeln werden wie ich, und auch kein Ersatz für mich sein sollten. Andere liebevolle, vernunftfähige Menschen, die sich ums Kind kümmern, sind auch Gelegenheiten fürs Kleine, andere Umgangsweisen kennenzulernen – und sich anzupassen:
Meine Tochter hat von unserem Nachbarn, ein passionierter Hobby-Koch, vieles gelernt – und ich habe nicht schlecht gestaunt, als meine Zweijährige plötzlich mit Brettchen und Küchenmesser Karotten und Schnittlauch hacken konnte wie die Profis: Ratatatazack.
5. Auch mal sehen, was man alles schafft – nicht nur, was man nicht schafft!
Vieles ist eine Sache der Perspektive, die Betrachtung des halb vollen oder halb leeren Glas: Wenn wir stets den Blick auf das, was wir nicht schaffen, richten, macht uns das nur unglücklich. So schaffen wir es kaum, uns selbst zu motivieren. Doch wie wäre es, wenn wir sehen würden, was wir MIT Kind gewuppt bekommen?
Sport ist mein bestes Beispiel: Wie viel körperliche Anstrengungen haben Eltern extra – vom morgendlichen Kinderanziehen bis hin zum Jagen über den Spielplatz und dem Tragen von Futtermassen aus dem Supermarkt? Das ist mehr als das Training im Fitness-Studio hervorbringen könnte!
Die gute Berlinmittemom hat einen sehr guten Blogbeitrag geschrieben über ihre I-did-it-Liste – die sorgt für die richtige Perspektive und einen Schub in Richtung Selbstmotivation.
6. Sich klar machen, dass mit der Zeit alles besser wird
Als Mutter einer inzwischen 25-Jährigen versichere ich euch schriftlich: Es wird mit jedem Lebensabschnitt eines Kindes besser, ihr gewinnt Jahr für Jahr mehr Selbstständigkeit.
Ich weiß, wie ich in manchen Momenten den Eindruck hatte, dass sich bestimmte Zustände nie ändern werden. Es stimmt nicht: Sie ändern sich. Irgendwann stellt ihr fest, dass sie lieber vor sich hin wurschteln und euch ausschlafen lassen. Dass sie lieber den Schulweg alleine gehen. Dass sie euch freiwillig ins Kino schicken, um die Bude für sich zu haben. Dass sie auch mal ihre Zeit für sich haben wollen.
Und wenn ihr das aushaltet ohne Kontrollzwang, dann ist das eure Zeit – Zeit für euch. Vorausgesetzt, ihr vertraut euren Kindern, dass sie sich gut um sich selbst kümmern können.
Alles Liebe, eure Béa. PS: Ich freue mich über all eure Ideen, Anregungen und euer Feedback weiter unten in den Kommentaren.
Jetzt pack ich es an! Wie wir uns für unliebsame Aufgaben motivieren
► Papierzeug nicht zu lang aufschieben
Morgen ruf ich beim Finanzamt an. Ganz bestimmt. Und schwupps wandern unattraktive To Dos von einer Liste zur nächsten – und verlängern sie damit automatisch. Doch meist sind diese Aufgaben ziemlich schnell erledigt. Also: einfach machen, am besten zu einem bestimmten Termin, alle hintereinander weg! Das tut gut.
► Positive Gedanken motivieren
Was uns Spaß macht, geht uns leichter von der Hand. Was wir doof finden, hemmt uns. Doch wenn wir uns bei „anstrengenden Aufgaben“ mehr darauf konzentrieren würden, was die Erledigung Positives bringt, könnten wir uns gleich viel besser motivieren. Also: Sport gibt uns Ausgleich, die Steuererklärung bares Geld und der Zahnarzttermin weniger Schmerzen.
► Feuern Sie sich an!
Klingt komisch, hilft aber wirklich. Wenn wir uns selbst Mut zusprechen und uns nach getaner Arbeit loben, fühlen wir uns gleich viel besser. Und verdient haben wir es allemal!
Über Béa Beste
Béa Beste, Bildungsunternehmerin
Bildungsunternehmerin
© Béa Beste
Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin plädierte Bildungsunternehmerin Béa Beste als Expertin im Bereich „Wie wollen wir lernen?“ für eine Lernkultur der Potenzialentfaltung und mehr Heiterkeit in der Bildung. Béa gründete 2006 die bilingualen Phorms Schulen, einige Jahre später die monatlich erscheinende Tollabox mit Materialien und Bastel-Ideen für Familien mit Kindern ab drei Jahren. Die Mutter einer erwachsenen Tochter führt den Kreativ-Blog der Tollabox als ‘Tollabea’ weiter.
Kolumnen von Eltern für Eltern
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Als Eltern stimmen Sie mir sicherlich zu, dass Weihnachten mit Kindern etwas ganz Besonderes ist. Es ist der unerschütterliche kindliche Glaube an den Weihnachtsmann und an das Christkind, der den weihnachtlichen Mythos ausmacht. Denn was wäre Weihnachten ohne das Christkind und Weihnachtsmann? Einfach nur ein befremdliches Ritual, bei dem sich Menschen vor einem mit Lametta behangenen Nadelbaum treffen und Präsente austauschen, die von gestressten, unterbezahlten und bandscheibengeschädigten DHL-Kurieren ausgeliefert wurden.
Da ist es doch viel schöner, sich vorzustellen, es gibt das Christkind und den Weihnachtsmann, die unsere Wünsche kennen und erfüllen. Somit sollten wir den Glauben unserer Kinder an Christkind und Weihnachtsmann und damit für uns den Zauber des Weihnachtsfestes so lange wie möglich bewahren. Wie? Mit den folgenden Tipps gelingt Ihnen das ganz leicht.
Lassen Sie die Kinder Wunschlisten erstellen
Der Mythos vom Christkind und Weihnachtsmann fußt vor allem auf dem kindlichen Glauben, dass sie an Weihnachten die Geschenke bringen, die sich die Kinder sehnlichst gewünscht haben. Lassen Sie Ihre Kinder daher im Vorfeld des Weihnachtsfestes unbedingt entsprechende Wunschzettel schreiben. Erklären Sie Ihren Kindern, dass Weihnachtsmann und Christkind aber nur Geschenke bringen, die korrekt geschrieben wurden. Es gibt keine effektivere Maßnahme, um die Ausgaben für die Geschenke auf ein Minimum zu reduzieren.
Sind Ihre Kinder des Schreibens noch nicht mächtig, können sie Bilder aus einem Spielzeugkatalog ausschneiden und aufkleben. Das Risiko, dass sich die Kinder, die nicht über die präzise Feinmotorik eines Mikrochirurgen verfügen, beim Hantieren mit der spitzen Schere in die Fingerchen schneiden, müssen Sie in Kauf nehmen. Idealerweise passiert das gleich am Anfang, so dass der Wunschzettel kurz ausfällt und der Kauf der Geschenke Sie nicht in die Privatinsolvenz treibt. Schließlich wollen Sie Weihnachten nicht mit Peter Zwegat feiern.
Machen Sie bei den Wunschzetteln allerdings nicht den Fehler, die alten Wunschzettel Ihrer Kinder als Andenken aufzubewahren. Die Gefahr ist groß, dass die Kinder die Zettel eines Tages in irgendeiner Schublade finden und feststellen, jahrelang von Ihnen belogen worden zu sein – was das Vertrauensverhältnis zu Ihnen irreparabel beschädigen wird. Schreddern Sie daher die alten Wunschzettel, verbrennen Sie die Papierschnipsel und verstreuen Sie die Asche auf einer Ackerfläche, die mindestens 100 Kilometer von Ihrem Wohnort entfernt ist.
Legen Sie die Geschenke heimlich unter den Weihnachtsbaum
Ihre Kinder werden nur auf Dauer glauben, dass Weihnachtsmann und Christkind die Geschenke bringen, wenn die Präsente an Heiligabend irgendwann wie von Zauberhand unterm Weihnachtsbaum liegen. Dies zu bewerkstelligen ist nicht ganz einfach, da die Kinder am 24. Dezember nicht in die Kita oder zur Schule gehen, sondern den ganzen Tag in der Wohnung rumlungern und einen mit der Frage “Wann gibt es endlich die Geschenke?” in den Wahnsinn treiben.
Bei uns erwies sich der gemeinsame Kirchgang als beste, da einzige, Möglichkeit, die Geschenke heimlich unter dem Weihnachtsbaum zu platzieren. Dazu erklärte ich jahrelang just in dem Moment, wenn die ganze Familie aufbrechen wollte, ich müsste nochmal auf Toilette, aber die anderen sollen ruhig schon einmal vorgehen und mir einen Platz in der Kirche freihalten. Anfangs schöpften die Kinder keinen Verdacht, aber irgendwann glaubten sie wahrscheinlich, dass ihr Vater unter einem nervösen Reizdarm leidet, der jedes Jahr an Heiligabend ausbricht.
Wenn diese Art der Täuschung nicht länger funktioniert, können Sie auch einen atheistischen Nachbarn bitten, während Ihrer Abwesenheit die Geschenke unterm Baum zu verteilen. Allerdings sollten Sie diesem Nachbarn absolut vertrauen. Sonst könnte es passieren, dass die Kinder bei der Rückkehr nicht ob der Fülle an Geschenken große Augen machen, sondern weil sämtliche Unterhaltungselektronik aus der Wohnung verschwunden ist.
Hinterlassen Sie Proviant für Weihnachtsmann und Christkind
Mit zunehmendem Alter werden überraschend auftauchende Geschenke Ihre Kinder nicht mehr restlos von der Existenz von Christkind und Weihnachtsmann überzeugen und sie fordern zusätzliche Beweise ein, dass mindestens einer von beiden tatsächlich da war, um die Geschenke zu verteilen. Auch das ist kein Problem, wenn Sie gemeinsam mit Ihren Kindern ein paar Plätzchen und ein Glas Milch als Proviant für Weihnachtsmann und Christkind richten. Wenn die Kinder dann zur Bescherung ins Wohnzimmer kommen und von den Plätzchen nur noch ein paar Krümel und von der Milch nur noch ein kleiner Rest übrig sind, können Sie Ihren Kindern erklären, Weihnachtsmann und Christkind hätten sich für die weitere Geschenkeschlepperei gestärkt, bevor sie – leider, leider – unverzüglich wieder aufbrechen mussten. Für Sie hat diese Aktion den schönen Nebeneffekt, dass Sie während des Geschenkeverteilens ein wenig Naschen und Ihren Durst stillen können.
Sollten Sie keine Lust haben, an Heiligabend Milch zu trinken, oder hochgradig laktoseintolerant sein, erklären Sie Ihren Kindern einfach, der Weihnachtsmann und das Christkind würden sich sehr über einen 18-jährigen Chivas Regal freuen. Und noch mehr über einen Doppelten. Das wiederum hat den schönen Nebeneffekt, dass Sie den Weihnachtsgottesdienst, nachdem Sie sich den doppelten Whiskey reingelötet haben, als sehr viel lustiger als gewöhnlich empfinden werden. Möglicherweise der Beginn einer schönen Tradition, der für Sie den Zauber des Weihnachtsfests ausmachen wird.
Engagieren Sie einen Weihnachtsmann-Darsteller
Kleine Kinder sind noch so gutgläubig und naiv, dass sie alles, was ihre Eltern erzählen, für bare Münze nehmen. Einem Kindergartenkind könnten Sie auch weismachen, dass der Li-La-Launebär die Geschenke an Weihnachten bringt. Mit zunehmendem Alter und damit einhergehender kognitiven Entwicklung geben sich Kinder aber nicht mehr mit den elterlichen Beteuerungen zufrieden, Weihnachtsmann und Christkind hätten die Geschenke gebracht und wären auch noch gerne auf einen kleinen Plausch geblieben, hätten aber aufgrund ihres eng getakteten Terminplans unverzüglich weitergemusst. Nein, ein Grundschulkind verlangt handfeste Beweise und wird nur weiter an Weihnachtsmann oder Christkind glauben, wenn sie leibhaftig vor ihnen stehen.
Engagieren Sie also jemanden, der Heiligabend als Weihnachtsmann verkleidet mit einem großen Sack bei Ihnen vorbeikommt und Ihren misstrauischen Kindern die Geschenke persönlich überreicht. (Beim Christkind gestaltet sich das ein wenig schwierig, da es nur sehr wenige Säuglinge gibt, die die Rolle des Christkindes überzeugend spielen. Außerdem machen die restriktiven Kinderschutz-Bestimmungen in Deutschland Christkind-Auftritte nach 18 Uhr nahezu unmöglich.)
Studentischen Arbeitsvermittlungen bieten glücklicherweise zahlreiche Weihnachtsmänner an, die an Heiligabend Hausbesuche machen. Vergewissern Sie sich aber vorab, dass Ihr Weihnachtsmann über tadellose Referenzen verfügt. Schließlich wollen Sie nicht, dass am 24. ein ungepflegter Langzeitstudent mit 1,5 Promille vor Ihrer Tür steht, Ihren Kindern mit schwerer Zunge die falschen Geschenke überreicht und zum Abschluss ordinär fluchend die Treppe herunterfällt. Das wäre dann zwar auch ein unvergessliches Weihnachtsfest für Ihre Kinder, aber anders als Sie es sich vorgestellt haben.
Den Tag der Wahrheit mit allen Mitteln hinauszögern – Home Schooling
Trotz Ihrer aufopferungsvollen Bemühungen, Ihre Kinder über Jahre von der Existenz von Weihnachtsmann und Christkind zu überzeugen, wird der Tag kommen, an dem Ihre Tochter oder Ihr Sohn von der Schule nach Hause kommt und erzählt, der Ben hätte gesagt, es gäbe gar keinen Weihnachtsmann und auch kein Christkind, sondern die Eltern würden alle Geschenke kaufen. Sie müssen dann erwidern, der Ben sei eine doofe Flitzpiepe, den noch nicht einmal der Weihnachtsmann und das Christkind leiden könnten. Deswegen müssten für ihn seine Eltern die Geschenke selbst besorgen, damit er an Heiligabend nicht mit einem langen Gesicht vor einem verwaisten Weihnachtsbaum stehen muss.
Sie sollten deshalb besser alles daransetzen, dass Ihre Kinder keinen Kontakt zu klugscheißenden Klassenkameraden haben, die bei der bloßen Erwähnung von Weihnachtsmann oder Christkind sofort hysterisch “Fake News” schreien. Die beste Prävention: Home Schooling! Stellen Sie einen Antrag bei der zuständigen Schulbehörde, dass Sie Ihre Kinder Zuhause unterrichten möchten. Zugegebenermaßen ein recht aufwändiger Ansatz, der mit langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahren verbunden ist. Das sollte es Ihnen aber wert sein, um den Geist der Weihnacht für Ihre Kinder – und sich selbst – zu bewahren. Außerdem hat Home Schooling den unschätzbaren Vorteil, dass Sie nie wieder zum Elternabend gehen müssen. Das sollte Sie zusätzlich motivieren.
Der Rausch heiligt die Mittel
Haben Ihre Kinder erstmal die Volljährigkeit erreicht, bieten sich ganz andere Möglichkeiten, den Geist der Weihnacht zu beschwören. Reichen Sie statt Spritzgebäck, Vanillekipferln und Zimtsternen an Heiligabend einfach Haschkekse, dann sehen Sie alle von ganz alleine das Christkind und den Weihnachtsmann.
Das ist selbstverständlich nur ein kleiner Scherz, denn ich würde Ihnen natürlich niemals empfehlen, zum Weihnachtsfest Drogen zu nehmen. (Zumindest rät mir mein Anwalt davon ab.) Um halluzinogene Wirkungen zu erzielen, müssten Sie ohnehin bestimmte Pilzsorten oder LSD konsumieren. Würde ich Ihnen auch nicht empfehlen. (Sie wissen schon, der Anwalt.). Außerdem wissen wir ja alle: “Drogen sind verlogen” und “Keine Macht den Drogen”. Da nicken Sie jetzt sicherlich zustimmend, während Sie den dritten Becher Feuerzangenbowle kippen.
Ich wünsche Ihnen zauberhafte und mythische Feiertage. Mit Christkind und Weihnachtsmann. Oder mit dem Li-La-Launebär.
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Kolumne von Eltern für Eltern
Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie hier Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens. Alle Kolumnen ansehen.
Über den Autor
Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel „Nackte Kanone“ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.
Im September ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten sinniert er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.
In Deutschland schreitet der Einsatz digitaler Technologien im Unterricht nur zögerlich voran. Es fehlt an Konzepten und Vorreitern und, wie ich denke, an der Lust und dem Glauben, dass aus Weiterentwicklung positive Veränderungen erreicht werden können. Denn oftmals grassiert die Angst, dass Systemintelligenzen den Menschen auch in diesem Bereich in naher Zukunft ersetzen können. Doch das ist eine sehr deutsche Perspektive. Sie ist ein Sinnbild der Angstgesellschaft und Technikfeindlichkeit in Deutschland.
Es steht außer Frage, dass wir in den nächsten Jahrzehnten viel zu wenig Lehrer in Deutschland haben und die Anforderung an Lehrer aufgrund dessen wesentlich komplexer werden. In Zukunft wird es deshalb umso wichtiger sein, die Wirksamkeit eines jeden einzelnen Lehrers zu verbessern und gegebenenfalls seine Reichweite zu vergrößern. Genau hier können digitale Technologien ansetzen und den Lehrer unterstützen. Das wird aber bei weitem nicht dazu führen, dass Lehrer langfristig durch Technologie ersetzt werden.
Digitales Lernen verändert die Art und Weise der Wissensvermittlung
Digitale Technologien können Lehrern auf zwei unterschiedlichen Ebenen unter die Arme greifen: Die eine Ebene des digitalen Lernens ist die naheliegende, bei der man die technologischen Möglichkeiten dazu nutzt, den Unterrichtsstoff in der Schule und zuhause tiefer, besser und reichhaltiger zu präsentieren bzw. aufzubereiten. Beispielsweise durch den Einsatz einer VR Brille im Biologieunterricht, mithilfe derer sich Kinder im Körper frei bewegen können, um die Prozesse besser zu verstehen. Dadurch erhalten die Kinder einen deutlich lebendigeren Zugang zum Stoff als es bisher der Fall ist.
Das bedeutet allerdings nicht, dass digitales Lernen in einem solchen Kontext der Heilsbringer ist oder gar einen Systemsturz zur Folge hat, der vorgibt, dass x Prozent der Lehreinheiten mit solchen Tools abgehalten werden müssen oder gar ganze Lehrkräfte durch sie ersetzt werden. Vielmehr sollten Lehrer entscheiden, in welchen Situationen es sinnvoll ist, auf ein solch erweitertes Lernen zurückzugreifen. Das kann dann so weit führen, dass reines Wissen, nicht mehr in der Schule, sondern zuhause erworben wird. Kinder könnten sich die Grundlagen dann in ihrem Tempo so oft anschauen, wie sie es möchten und sich in das Thema einarbeiten (Flipped-Classroom-Konzept). In der Schule kann der Lehrer dann wiederum eine Verknüpfung zu vorhandenem Wissen und zum Alltag der Kinder herstellen, das Thema spannend vertiefen sowie auf spezifische Nachfragen eingehen. Für all das ist im jetzigen System leider nur selten Zeit vorhanden.
Digitales Lernen führt zu größeren Individualisierungsmöglichkeiten im Lernprozess
Das wiederum führt zur zweiten Ebene des digitalen Lernens, die vor allem den individuellen Aspekt des Lernens betrifft. Auch hier kann man nämlich die Vorteile des technologischen Fortschritts gewinnbringend einsetzen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Lehrer in der Grundschule mit extrem unterschiedlichen Kindern und einem sehr breiten Spektrum an Leistungsvermögen konfrontiert werden. Der dort vorherrschende Frontalunterricht ist deshalb eigentlich total irrsinnig. Um eine optimale Lernumgebung für jedes einzelne Kind zu schaffen, bräuchte man deutlich mehr Lehrer, um die Kinder individuell zu fördern und das Leistungsniveau anzugleichen. Mit Blick auf den flächendeckenden Lehrermangel in Deutschland ist das eine sehr utopische Vorstellung. Ein Paradoxon, dass sich augenscheinlich nicht auflösen lässt.
An dieser Stelle kommt digitales Lernen ins Spiel. Denn mithilfe digitaler Tools können Lehrer es schaffen, auf die unterschiedlichen Ausprägungen der Kompetenzen der Kinder einzugehen. Wird das Kompetenzniveau eines Kindes digital erfasst – beispielsweise mithilfe eines digitalen Lernprogramms –, kann das digitale System Rückschlüsse ziehen und im Anschluss dem Kind das richtige Aufgabenniveau zuweisen.
Damit leistet es etwas, das der Lehrer verständlicherweise nicht leisten kann: Individualisierungsmöglichkeiten durch intelligentes, algorithmus-gestütztes Lernen. Gleichzeitig kann die eingesetzte KI sehr individuelle Analysen zu möglichen Schwachstellen liefern, die der Lehrer für eine zielgerichtete Betreuung einsetzen kann. Eltern und Kinder können diese dann am Nachmittag fortführen, weil eine sehr transparente Kompetenzanalyse stattgefunden hat. Der Lehrer hat im Unterricht außerdem mehr Zeit, sich solchen Kindern zu widmen, die besondere individuelle Förderung benötigen. Die Interaktion einer menschlichen und einer Systemintelligenz ermöglicht dem Lehrer somit sowohl leistungsschwächere als auch leistungsstärkere Kinder gleichzeitig individuell zu fördern und damit die Heterogenität im gesamten Unterricht zu verbessern.
Die oben beschrieben Szenarien führen zu der Konsequenz, dass die Digitalisierung das Anforderungsprofil der Lehrer verändern wird. Der Lehrer ist künftig kein reiner Wissensvermittler mehr, sondern wird zum Mentor. Er vertieft, was nicht verstanden wurde und baut eine stärkere Beziehung zu den Kindern auf. Er fördert ihre soziale Kompetenz. Dann ist ein Lehrer auch mehr als die bloße Summe seiner Teile. Er ist eine Bezugsperson für die Kinder: Ein Ratgeber, ein Mentor, ein Kritiker, ein Motivator. Kurzum ein Mensch. Und dass Menschlichkeit jemals von digitalen Tools, geschweige denn Robotern auf emphatische Weise imitiert werden kann, darf bezweifelt werden.
Digitales Lernen ist also weder ein Allheilmittel, noch wird es den Lehrer in Zukunft in Deutschland ersetzen. Ganz im Gegenteil: digitales Lernen wird erst dann wirklich nützlich, wenn man die Symbiose aus Systemintelligenz und menschlicher Intelligenz zu nutzen weiß und sinnvoll miteinander verbindet. Erst wenn man versteht, dass digitale Tools nicht aus reinem Selbstzweck, sondern für neue und bessere Lehr- und Lernkonzepte eingesetzt werden müssen, in denen Lehrer eine nach wie vor wichtige, aber durchaus veränderte Rolle einnehmen, haben technologische Neuerung im Unterricht ihre Daseinsberechtigung. Dann ist digitales Lernen eine sinnvolle Ergänzung im Unterricht und kann den pädagogischen Alltag von Lehrern, Schülern sowie Eltern sinnvoll und nachhaltig unterstützen.
Über den Autor
Daniel Bialecki ist seit 20 Jahren im Bereich der digitalen Wissensvermittlung tätig und beschäftigt sich seitdem damit, wie richtig gute Bildung im digitalen Zeitalter aussehen kann. Seit über 10 Jahren konzentriert sich der Dreifach-Vater speziell auf erfolgreiche Lernprozesse von Kindern im Zusammenspiel mit deren Eltern und Lehrern. Gemeinsam mit Pädagogen und renommierten Geschichtenentwicklern baute er von 2007 bis 2009 die virtuelle Lernumgebung von scoyo mit auf. Seit 2014 ist er scoyo-Geschäftsführer.