Das deutsche Schulsystem wird seit Jahren immer wieder infrage gestellt – zu starr, zu konservativ, zu sehr auf Leistung getrimmt und gleichzeitig nicht individuell genug. Dabei verbringt der Nachwuchs heutzutage viel Zeit in der Schule, sodass ein Großteil der Erziehung dort stattfindet. Welche Schule Eltern für ihr Kind wählen, hängt deshalb auch von bestimmten Prinzipien ab, die der Lernort vertritt.
Mehr Selbstbestimmtheit an alternativen Schulen
Da an staatlichen Schulen der Unterricht zu 80–90 Prozent frontal stattfindet, haben es sich Reformpädagogen wie Maria Montessori, Célestin Freinet oder Rudolf Steiner zur Aufgabe gemacht, den Schulunterricht individueller und erlebnisorientierter zu gestalten. Sie haben alternative Schulen gegründet, die zwar dem deutschen Grundkonzept folgen, aber im hohen Maße die Selbstbestimmungsrechte der Schüler fördern.
Besonders Grundschulen, in freier wie auch in staatlicher Trägerschaft, bieten verschiedene pädagogische Ausrichtungen an. An weiterführenden Schulen sind diese Konzepte rar und werden vor allem an Privatschulen angeboten.
Generell ist es für Eltern, die alternative Schulformen in Betracht ziehen, wichtig, sich ein eigenes Bild von der Schule und dem Lehrkonzept zu machen. Hier stellen wir Ihnen die bekanntesten Schulformen vor, damit Sie sicheinen ersten Überblick verschaffen können.
Wenn Ihnen ein Konzept spannend und interessant erscheint, dann informieren Sie sich doch auf deren Websites, die wir für Sie verlinkt haben. Zusätzliche Tipps finden Sie in unserem Ratgeber: Die richtige Schule finden – In 3 Schritten zur Traumschule
Hier können Sie direkt zu den alternativen Schulformen springen: anzeigen
1. Waldorfschulen (Rudolf-Steiner-Schulen): mehr als Namen tanzen
Rudolf Steiner, der Gründer der ersten Waldorfschule, ging davon aus, dass Menschen drei grundlegende Fähigkeiten besitzen: das Denken, das Fühlen und das Wollen. Waldorfpädagogen legen deshalb grundsätzlich viel Wert auf die Entwicklung von praktischen, künstlerischen, kreativen und sozialen Fähigkeiten. Ein Leitsatz der Pädagogik lautet: „Das Kind in Ehrfurcht aufnehmen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen.“
Unterricht an einer Waldorfschule
Hauptfächer werden in „Epochen“ unterrichtet, was bedeutet, dass sich die Schüler über mehrere Wochen hinweg am Anfang des Tages nur mit einem Fach beschäftigen. Oft werden mehrere Fächer durch Projekte verbunden: Behandeln die Kinder im Geschichtsunterricht zum Beispiel das Mittelalter, wird im Deutschunterricht mittelalterliche Lektüre gelesen und nachmittags Getreide angebaut. Generell folgt der Unterricht keinem festen Lehrplan, sondern passt sich eher an die Entwicklung der Kinder an. Bücher gibt es keine, die Kinder erarbeiten sich den Stoff selbst. Zahlen werden rhythmisiert, Buchstaben gesungen – beim Ausdruckstanz werden Laute in Bewegung umgesetzt. Das berühmte “Namen tanzen” hat hier seinen Ursprung gefunden.
Um eine harmonische und stabile Umgebung für die Schüler zu schaffen, bleibt die Klassengemeinschaft immer gleich, niemand bleibt sitzen, auch der Lehrer wechselt nach Möglichkeit nicht. Besondere Begabungen werden in kleinen Gruppen gefördert. Zeugnisse gibt es ausschließlich in Form einer ausformulierten Einschätzung, während auf Noten verzichtet wird, um so wenig Leistungsdruck wie möglich aufzubauen. Ab der 9. Klasse können auf Wunsch zusätzliche Zeugnisse ausgehändigt werden.
Welche Abschlüsse kann mein Kind erreichen?
Kinder können eine Waldorfschule ab der ersten Klasse besuchen. Diese bietet oft ein Ganztagsangebot mit warmem Mittagessen und Nachmittagsbetreuung. Grundsätzlich besuchen Waldorfschüler 12 Jahre die Schule und erhalten am Ende einen “Waldorfabschluss”, der nicht staatlich anerkannt ist. Um diesen Abschluss zu erlangen, müssen sie keine herkömmlichen Abschlussprüfungen meistern, sondern u. a. eine Jahresarbeit und Portfolio-Mappen abgeben.
Doch auch der Erwerb von klassischen Bildungsabschlüssen ist möglich. So können Haupt- und Realschulabschluss bereits nach der 12 Klasse vor einem externen Prüfer abgelegt werden, für das Abitur besuchen die Schüler noch ein Jahr länger die Schule.,Fast alle Schüler an Waldorfschulen erlangen den mittleren Schulabschluss und über die Hälfte gehen mit Erfolg weiter zum Abitur.“ Quelle: www.waldorfschule.de. Ein Schulwechsel von oder auf die Waldorfschule ist generell möglich. Es kann jedoch sein, dass der jeweilige Schüler Unterrichtsoff nachholen muss, da sich die Lehrpläne stark unterscheiden.
Wie viel kostet der Besuch einer Waldorfschule?
Monatlich kostet der Besuch einer Walddorfschule ungefähr 160 Euro. Generell wird kein Schüler aus finanziellen Gründen abgelehnt, das Schulgeld wird dem Einkommen der Eltern angepasst.
Ist das was für mein Kind?
Da es meist mehr Anfragen als Plätze gibt, wird in individuellen Aufnahmegesprächen gemeinsam darüber gesprochen, ob das Konzept zum Kind und zur Familie passt. Für die Annahme an einer Waldorfschule werden jedoch keine herausragenden künstlerischen Fertigkeiten vorausgesetzt.
Die Hauptsache ist, dass Ihr Kind Spaß an Bewegung, kreativem Arbeiten und Musizieren hat. Außerdem sind Waldorfschulen gut geeignet für Kinder, die der Leistungsdruck an „normalen“ Schulen sehr belastet. Wichtig zu wissen: In der Waldorfpädagogik ist ein starkes Engagement der Eltern vorgesehen.
► Auch der Sohn vom (ehemaligem) scoyo-Geschäftsführer Daniel Bialecki hat im Jahr 2015 an einer Waldorfschule gestartet: Seine damaligen Gedanken zur Einschulung.
► Interview mit dem Waldorfpädagogen Henning Kullak-Ublick über Realität und Vorurteile: Waldorfschule – das erwartet Eltern und Kinder.
► Persönlicher Erfahrungsbericht von Erkrath auf fischundfleisch.com.
► Bund der freien Waldorfschulen: www.waldorfschule.de
2. Montessorischulen: Hilf mir, es selbst zu tun!
Die von der Italienerin Maria Montessori entwickelte Montessoripädagogik zeichnet sich dadurch aus, dass die individuellen Bedürfnisse der Kinder in den Vordergrund gerückt und entsprechend gefördert werden. Dabei geht es vor allem um die Förderung der Selbstständigkeit: Die Schüler werden vom Lehrer vor allem darin unterstützt, selbstständig zu handeln und zu entscheiden. So wird an dieser alternativen Schulform dem kindlichen Forschungsdrang Raum gegeben und selbstbestimmtes Lernen ermöglicht. Der Grundgedanke der Montessoripädagogik lautet: „Hilf mir, es selbst zu tun.“
Von den Montessorischulen befinden sich knapp zwei Drittel in freier Trägerschaft (Privatschulen), an den staatlichen Schulen gibt es teilweise nur „Montessori-Zweige“, diese sind also keine reinen Montessorischulen.
Unterricht an einer Montessorischule
Der Unterricht an Montessorischulen hebt sich stark vom staatlichen Unterricht ab. So gibt es Freiarbeit, Gruppenarbeit, Projektarbeit und den gebundenen Unterricht.
An dieser alternativen Schulform beginnt jeder Tag mit zwei bis drei Stunden, in denen die Schüler frei entscheiden, welches Thema sie wie lange, mit wem und in welchem Umfang behandeln wollen (selbstbestimmtes Lernen). Diese Zeit verbringen sie in gemischten Altersklassen, damit Große und Kleine einander gegenseitig unterstützen können. Lehrer greifen in dieser Zeit nur unterstützend ein und helfen den Schülern, sich selbst zu helfen. Nach einer großen Pause findet der gebundene Unterricht in gleichen Altersklassen statt, wobei verschiedene Fächer unterrichtet und auch Hausaufgaben verteilt werden.
Die Arbeitsmaterialien der Montessoripädagogik sind so gestaltet, dass die Kinder den Lernstoff spielerisch und mit allen ihren Sinnen erkunden können.
Welche Abschlüsse kann mein Kind erreichen?
In Deutschland gibt es über 1.000 Montessori-Einrichtungen, dazu gehören Kinderhäuser, Kindertagesstätten, Primarstufen (Grundschule, auch Förderschulen) und Sekundarstufen/weiterführende Schulen. Die Schulen sind meist Ganztagsschulen und staatlich anerkannt. Der Wechsel an ein staatliches Gymnasium oder eine Realschule ist in der Regel nach einer erfolgreichen Aufnahmeprüfung möglich. Zu Grund- und Hauptschulen können die Schüler ohne Prüfung wechseln. Es ist also jeder Abschluss möglich.
Wie viel kostet der Besuch einer Montessorischule?
An privaten Schulen wird ein monatliches Schulgeld verlangt, das sich am Einkommen der Eltern orientiert und durchschnittlich zwischen 100 und 400 Euro liegt.
Ist das was für mein Kind?
Die Montessoripädagogik ist prinzipiell für jedes Kind geeignet. Ihr Kind wird von Anfang an selbstbestimmt „erzogen“, lernt sich allein zu beschäftigen, sich zu motivieren und auch, sich für etwas zu interessieren. Frontalunterricht findet nicht statt, reines Konsumieren ist also ausgeschlossen.
Hat Ihr Kind z.B. Schwierigkeiten mit dem oftmals starren Unterricht an einer staatlichen Schule, könnte das freie und selbstorganisierte Lernen ohne Druck gut tun. Auf der anderen Seite verlangt das Konzept den Schülern auch einiges ab: Sie bekommen wenige Regeln und Strukturen. Kinder, die unter Konzentrationsschwierigkeiten leiden, haben es in der Montessorischule deshalb unter Umständen eher schwerer.
Wichtig zu wissen: An Montessorischulen ist wie bei den meisten alternativen Schulformen in Deutschland ein starkes Engagement der Eltern vorgesehen.
► Interview mit Bildungsexpertin Uta Künkler: Montessori-Schule – ja oder nein?
► Persönlicher Erfahrungesbericht von Bloggerin “Rubbelmama” auf ihrem Blog Rubbelbatz.
► Montessori-Dachverband Deutschland: www.montessori-deutschland.de
3. Freinet-Schulen: die Welt hinterfragen
Bei dieser alternativen Grundschulform wird ein besonderes Augenmerk auf die Individualität der Kinder gelegt: Das äußert sich darin, dass Schüler größtenteils selbst entscheiden, was sie wie lange lernen möchten. Zum anderen treffen Kinder und Lehrer Entscheidungen gemeinsam und bilden hierfür einen Klassenrat. Der lehrergesteuerte Unterricht wird somit durch einen schülergesteuerten ersetzt.
Im Vordergrund der Freinet-Pädagogik steht die kritische Auseinandersetzung der Schüler mit ihrer Umwelt. Erfahrungen, die sie im Alltag oder bei Erkundungen von z. B. Betrieben, Baustellen oder Landschaften machen, werfen Fragen auf, die in der Klassengemeinschaft gestellt und diskutiert werden. Anhand dieser Fragen erstellen die Schüler persönliche Arbeitspläne, die festlegen, welche Unterrichtsthemen in der nächsten Zeit behandelt werden sollen. Alle Unterrichtsergebnisse werden „archiviert“, sodass sie immer wieder genutzt werden können.
In der wöchentlichen Klassenversammlung planen die Kinder ihre Unterrichtsthemen und kontrollieren, ob sie ihren Arbeitsplan einhalten. So sollen die Kinder lernen, dass Regeln wichtig sind, und bekommen ein Grundverständnis von Demokratie.
Welche Abschlüsse kann mein Kind erreichen?
Die meisten Freinet-Schulen sind Grundschulen und enden daher mit einer Empfehlung für eine weiterführende Schule. Bei einem bevorstehenden Wechsel in eine andere Schulform werden Noten vergeben, die es nach dem Freinet-Konzept normalerweise nicht gibt. Genauere Informationen erhalten Sie bei der jeweiligen Schule in Ihrer Nähe. Die Schulen befinden sich größtenteils in staatlicher Trägerschaft, sodass kein Schulgeld fällig wird.
Wie viel kostet der Besuch einer Freinet-Schule?
Der Kostenumfang an Schulen in freier Trägerschaft liegt je nach Betreuungsangebot und Elterneinkommen zwischen 35 Euro und 380 Euro monatlich. Freinet-Schulen sind meistens staatlich anerkannte Ersatzschulen.
Ist das was für mein Kind?
Die Freinet-Pädagogik legt viel Wert auf selbstbestimmtes Lernen. Diese Schulform passt zu neugierigen Kindern, die viele Fragen zu ihrer Umwelt haben. Ruhigere Kinder werden zum Hinterfragen motiviert und darin gestärkt, ihre Meinung zu äußern. Schüchterne Kinder kann dies jedoch überfordern.
► Hier finden Sie weitere Infos zu Freinet-Schulen: freinet.paed.com/freinet/start.php
4. Jenaplan-Schulen: leben und lernen
Bildung und Erziehung gehört für Jenaplan-Gründer Peter Petersen untrennbar zusammen. Deshalb bilden die vier Säulen Gespräch, Spiel, Arbeit und Feier den Mittelpunkt des pädagogischen Konzepts. Schulen sollen zu Lebensstätten werden.
Der Pflichtlehrstoff an einer Jenaplan-Schule wird im Kursunterricht vermittelt. Das ist vergleichbar mit dem frontalen Unterricht an Schulen ohne besondere pädagogische Auslegung. Die Inhalte des Kursunterrichts werden im sogenannten Stammunterricht vertieft. In diesem kommen Schüler aus drei Klassenstufen zusammen. Große und Kleine sollen hier miteinander lernen und einander gegenseitig unterstützen.
Um Probleme zu diskutieren und demokratische Entscheidungen zu treffen, finden regelmäßig Gesprächskreise statt, die die sozialen Kompetenzen der Kinder fördern sollen. Gemeinsames Frühstück und Mittagessen gehören genauso zum Konzept wie die wöchentlichen Feste, die das Gemeinschaftsgefühl stärken und dem Lernen den Ernst nehmen sollen. Oft arbeiten die Kinder an gemeinsamen Projekten, die auf diesen Feiern vorgestellt und prämiert werden. Bis zur 7. Klasse gibt es anstatt Zensuren einen Arbeits- und Leistungsbericht.
Welche Abschlüsse kann mein Kind erreichen?
Wie alle anderen hier vorgestellten alternativen Schulformen (außer Freinet) bieten auch die Jenaplan-Schulen alle staatlichen Abschlüsse an.
Wie viel kostet der Besuch einer Jenaplan-Schule?
Da sich diese Schulform oftmals in staatlicher Trägerschaft befindet, wird kein Schulgeld verlangt.
Ist das was für mein Kind?
Das Jenaplan-Konzept ist eine Schulform, die die Individualität Ihres Kindes und seine soziale Entwicklung unterstützen will. Kinder, die sich an staatlichen Schulen nicht wohlfühlen, aber kein schwerwiegendes Problem mit der dort gängigen Unterrichtsform haben, könnten hier gut aufgehoben sein.
► Hier gibt es mehr zur Jenaplan-Schule: www.jena-plan.de/cms/front_content.php
5. Demokratische Schulen: Hier bestimmen die Kinder mit!
An demokratischen Schulen gibt es keinen festen Lehrplan. Ankommens- und Schlusszeiten sind flexibel. Die Schüler gestalten ihren Tagesablauf nach ihren Interessen. Sie haben die Wahl zwischen verschiedenen Projekten, Kursen und Aktivitäten und sind frei, auch außerschulische Lernorte zu besuchen. Ohne Druck sollen die Kinder hier selbstbestimmt und mit ganzem Herzen lernen. Denn wer mit dem Herzen dabei ist, lernt nachhaltig.
Auf den ersten Blick mag dieses Konzept etwas chaotisch wirken, doch tatsächlich steckt eine Menge Struktur dahinter. Alle packen mit an und unterstützen sich gegenseitig. In einer wöchentlichen Schulversammlung werden gemeinsam Entscheidungen getroffen – Lehrer und Kinder haben hier gleiches Stimmrecht.
Welche Abschlüsse kann mein Kind erreichen?
An einer demokratischen Schule werden die Schüler auf eine externe Prüfung für den mittleren Schulabschluss vorbereitet. Wer diese Prüfung gut besteht, kann sogar weiter auf das Gymnasium gehen und sein Abitur machen.
Was kostet der Besuch einer demokratischen Schule?
Demokratische Schulen sind Schulen in freier Trägerschaft und erhalten deshalb keine Untersütztung vom Staat. Das Schulgeld orientiert sich am Gehalt der Eltern und liegt durchschnittlich bei 200 Euro im Monat.
Ist das was für mein Kind?
Dazu sagen Thomas Möller und Christoph Schuhmann, Macher des Dokumentarfilms Schools of Trust: “Grundsätzlich sind demokratische Schulen für jedes Kind geeignet, jedoch nicht für alle Eltern”.
Es ist wichtig, dass die Eltern ihren Kindern Vertrauen entgegenbringen und das selbstbestimmte Konzept akzeptieren. Hier gibt es keinen Fokus auf Noten und Abschlüsse, sondern persönliches Interesse und Freude am Lernen.
► Eine Liste mit allen demokratischen Schulen in Deutschland: http://www.eudec.org/
6. Daltonplan-Schulen: Man lernt besser, wenn man es selber macht!
Die Meinung von der Daltonplan-Gründerin Helen Parkhurst: Man lernt besser, wenn man es selber macht! Deshalb steht bei ihrem Daltonplan-Konzept vor allem Selbstständigkeit im Vordergrund.
Helen Parkhurst arbeitete Anfang des 20. Jahrhunderts eng mit Maria Montessori zusammen, übernahm ihre Pädagogik und entwickelte sie später nach ihren Vorstellungen weiter.
An dieser alternativen Schulform bekommen die Kinder Zeit eingeräumt, die sie frei gestalten können. Zu Beginn jedes Schuljahres erhalten die Daltonplan-Schüler ein Arbeitspaket, das sie in wöchentlichen Schritten bis zum Schuljahresende eigenständig abarbeiten. Dafür stehen ihnen Klassenräume zur Verfügung, die jeweils für ein Fach ausgerichtet sind. Lehrer werden zu Lernhelfern, die den Kindern, sofern sie das wünschen, zur Seite stehen. Benotet werden die Kinder anhand ihrer schriftlichen Arbeitsergebnisse.
Während das Daltonplan-Konzept in den USA, Großbritannien, Österreich und den Niederlanden schon sehr bekannt ist, setzt es sich in Deutschland nur zögerlich durch. Bisher gibt es keine reine Daltonplan-Schule in Deutschland, aber einige Regelschulen wenden das Konzept teilweise an (Stand Februar 2016).
Ist da was für mein Kind?
Kein Frontalunterricht, lernen im eigenen Rhythmus, Selbstständigkeit wird großgeschrieben – Wer sich an Regelschulen nicht wohl fühlt, ist hier wohlmöglich richtig. Der starke Fokus auf schriftliche Arbeiten steht jedoch in der Kritik.
► Mehr Infos zum Daltonplan in Deutschland: dalton-vereinigung.de
7. Club of Rome-Schulen: Global denken, lokal handeln
Der Club of Rome ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt. Sie wurde 1968 gegründet und beschäftigt sich seit jeher mit nachhaltiger Entwicklung und dem Schutz unserer Ökosysteme. Themen, mit denen sich auch Club of Rome-Schüler intensiv auseinander setzen.
Club of Rome-Schulen legen viel Wert auf ganzheitliche Bildungskonzepte. Hier geht das Lernen über den Schulhorizont hinaus. Fächerübergreifender Unterricht, Lernlabore und vieles mehr sollen Kopf, Herz und Hand ansprechen. Jedes Kind mit seinen persönlichen Stärken und Schwächen wird individuell gefördert und in seinem Selbstbewusstsein gestärkt.
Teamarbeit, Respekt und Selbstverantwortung sind zentrale Pfeiler dieser alternativen Schulform und sollen den Kindern aktiv vermittelt werden. Musikalische Förderung und viel Bewegung, runden das ganzheitliche Konzept ab.
Welche Abschlüsse kann mein Kind erreichen?
Es gibt 15 Club of Rome-Schulen deutschlandweit (stand Februar 2016). Darunter größtenteils Gymnasien, aber auch Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen und Grundschulen. Es können demnach alle Abschlüsse erlangt werden.
Was kostet der Besuch einer Club of Rome-Schule?
Die meisten Club of Rome-Schulen erheben kein Schulgeld. Ist das doch der Fall, berechnet sich der monatliche Beitrag am Gehalt der Eltern sowie der Anzahl der Kinder, die die Schule besuchen und liegt meist bei höchstens 150 Euro.
Ist das was für mein Kind?
Jedes Kind hat hier die Möglichkeit, nachhaltige Erfahrungen zu sammeln. Jedoch wird nicht auf Leistungsrückmeldungen oder Frontalunterricht verzichtet, was für Kinder, die an Regelschulen nicht gut zurechtkommen, problematisch sein könnte.
► Alles über die Club of Rome-Schulen finden Sie hier: www.club-of-rome-schulen.org
8. Mehlhornschule/ BIP Kreativitätsschulen: Jedes Kind ist begabt
Die Mehlhornschulen beziehungsweise BIP Kreativitätsschulen sind relativ jung. Erst 1997 wurde die erste Schule mit dem Konzept von Gerlinde und Hans-Georg Mehlhorn gegründet.
BIP steht für Begabung, Intelligenz und Persönlichkeit, diese sollen in dieser Schulform speziell gefördert werden. Ihr Ziel ist die „Heranbildung von schöpferischen Menschen, die alle derzeitigen und teilweise noch unbekannten künftigen Anforderungen unserer Lebenswelt erfolgreich bewältigen können.“ (Quelle: www.bip-mehlhornschulen.de)
Dafür wird der staatliche Lehrplan um die Fächer bildkünstlerisches Gestalten, musikalisches Gestalten, Tanz/Bewegung, Darstellendes Spiel, Sprachliches Gestalten, Schach, Informatik, Englisch sowie zwei weitere Fremdsprachen, von denen eine nichteuropäisch ist, erweitert. Zusätzlich sind die Kinder verpflichtet, ab der ersten Klasse außerhalb der Schule ein Musikinstrument zu erlernen.
In den Fächern Deutsch und Mathematik gibt es bereits im ersten Schuljahr Noten. Ab dem dritten Schuljahr in allen Fächern. Erreicht ein Kind Zensuren schlechter als 2, werden Fördermaßnahmen ergriffen. Eine 3 gilt bereits als negativ, da sie den Übergang auf das Gymnasium verhindern kann.
Die Kinder erhalten täglich oder wöchentlich Entwicklungsergebnisse, die verdeutlichen, welche Kenntnisse und Fähigkeiten sie erworben haben. Auf diese Weise sollen Stolz und Leistungswille bei den Kindern geweckt werden.
Alle Mehlhornschulen sind Ganztagsschulen und haben Kernzeiten zwischen circa 8 und 16 Uhr. Zusätzlich geht das Betreuungsangebot bis 18 Uhr. An einem Tag in der Woche ist der Unterricht bis 13 Uhr verkürzt, damit die Kinder Zeit haben, ein Instrument zu erlernen.
Welche Abschlüsse kann mein Kind erreichen?
Der angestrebte Abschluss in der Mehlhornpädagogik ist das Abitur. Deshalb gibt es nur Grundschulen und Gymnasien mit dem BIP Kreativitätskonzept.
Was kostet der Besuch einer Mehlhornschule?
Mehlhornschulen sind Privatschulen und erheben einen monatlichen Beitrag. Dieser setzt sich aus Schulgeld, Kreativitätszuschlag und Hortgeld zusammen. Je nach Region sind diese Kosten sehr unterschiedlich. Die Beiträge fallen etwas höher als an anderen freien Schulen aus, da jede Klasse zwei Lehrer und zwei Klassenräume hat.
Ist das was für mein Kind?
Leistung und Förderung werden an dieser Schule großgeschrieben. Einige Kinder kommen damit wunderbar klar, für andere ist das leider nichts. Ist Ihr Kind sehr wissbegierig und ausdauernd, ist diese Schulform möglicherweise perfekt. Reagiert es eher sensibel auf Leistungsdruck und fühlt sich schnell überfordert, könnte es Schwierigkeiten haben. Das Gymnasium ist nun mal nicht für jedes Kind die beste Schulform. Nutzen Sie den Tag der offenen Tür, um sich einen eigenen Eindruck dieser Schulform zu machen.
► Mehr Infos zur Mehlhornschule: www.bip-mehlhornschulen.de
Neben diesen bekannten alternativen Schulformen gibt es noch weitere Einrichtungen, die sich auf ganz unterschiedliche Lern- und Lehrkonzepte spezialisiert haben. Eine Übersicht finden Sie hier: https://www.freie-alternativschulen.de/
Wechsel von der freien Schule auf eine Regelschule
Wie ist es für Schüler, die von einer freien Schule (mit alternativ-pädagogischem Konzept) auf eine Regelschule wechseln? Von der freien Schule ins Oberstufen-Gymnasium – ein Interview mit Emma.
10. Die richtige Schule finden
Sie haben nun hoffentlich einen Überblick über die verschiedenen alternativen Schulformen in Deutschland bekommen. Um herauszufinden, welche Schulen es in Ihrer Nähe gibt, können Sie folgende Seiten nutzen:
Mehr zum Thema finden Sie im kostenlosen eBook Ratgeber Schulwahl. Mit Tipps und Tricks, wie Sie die richtige Schule finden und die Schulzeit meistern.
Um eine ausgewählte Schule auf Herz und Nieren zu prüfen, empfehlen wir Ihnen die Checkliste, die Sie im Schulwahl-Ratgeber finden. Packen Sie sie zur nächsten Schulbesichtigung als Gedankenstütze und Entscheidungshelfer ein.
Sind Sie doch auf der Suche nach einer staatlichen Schule und wissen noch nicht, welche Schulform die richtige sein könnte? Hier haben wir einen Überblick für Sie: Welche Schulform für mein Kind?
Erst Realschule, dann das Abitur nachholen? “Ich wusste genau, warum ich dort war!”
Erst Ausbildung, dann Abitur? Das klingt für viele nach einem Umweg. Es kann aber auch genau der richtige Weg zur eigenen Berufung sein – im eigenen Tempo, zur passenden Zeit. Im ersten Teil unserer Reihe “Alternativen zum Gymnasium” stellen wir Jenniffer Schröder vor. Jenni hat die Realschule besucht und dann ihr Abitur nach der Ausbildung gemacht, ist heute erfolgreiche Mediendesignerin und liebt ihren Job. Welche Stationen sie zurückgelegt hat? Wir haben ganz genau nachgefragt!
Erzähl doch mal, wie fandest du deine Zeit in der Grundschule?
Ehrlich gesagt sind meine Erinnerungen an meine Grundschulzeit schon etwas verblasst. Ich bin gerne in die Schule gegangen und ich denke es ging vorrangig auch gar nicht so sehr um Leistungsdruck. Wir hatten unglaublich viel Spaß beim Austoben auf dem Schulhof.
Ich habe mich damals für Musik und Kunst interessiert und konnte entsprechende AGs wählen. Meine Mutter sagte erst kürzlich zu mir, dass es mir Spaß gemacht hat zu malen. Und das half mir auch beim Lernen.
Welche weiterführende Schule hast du besucht?
Ich war auf der Realschule.
Wer hat diese Entscheidung getroffen? Denkst du, dass sie richtig war?
Ich glaube, dass ich diese Entscheidung nicht getroffen habe. Sicher wurde ich nach meiner Meinung gefragt, aber da gab es ein entsprechendes Einstufungssystem. In der Orientierungsstufe wurden die Schüler in Leistungskurse eingeteilt und die Schule sprach eine Empfehlung aus. Nach dieser haben meine Eltern dann die Entscheidung für die weiterführende Schule getroffen.
Wärst du gern auf das Gymnasium gegangen? Wurdest du dort in deinen Stärken gefördert?
Ich wollte nicht auf das Gymnasium. Mein Leistungsspektrum entsprach dem der Realschule und ich hatte auch nach meinem Abschluss nicht die Empfehlung zum Gymnasium. Ein einziger Grund dafür wären meine Freunde gewesen, die in einem anderen Ort zur Schule gegangen sind.
Rückblickend gingen bereits auf der weiterführende Schule die Wege von uns Grundschulkindern in andere Richtungen: Die Realschule führte darauf hin, eine berufliche Ausbildung zu machen.
Im Großen und Ganzen konnte ich mich selbst dazu entscheiden, ob ich meine Stärken fördern möchte und war sozusagen meines Glückes Schmied. Kunst war ebenso wie Sport eines meiner Wahlpflichtkurse, die ich selbst in meinen Stundenplan einplanen konnte. Grundsätzlich habe ich das gemacht, was nötig war, um den Abschluss zu erreichen. Als Teenager hatte ich viel mit mir selber zu tun. Das schränkte mich ein, um in punkto Schule ehrgeiziger zu sein.
Bekamst du Unterstützung beim Lernen, z. B. durch Nachhilfe?
Ich hatte keine Nachhilfe.
Wie ging es nach deinem Realschulabschluss weiter? Woher wusstest du, was du beruflich machen möchtest und wie bist du vorgegangen, um das Ziel zu erreichen?
Ich habe einen ziemlichen Zickzackweg bestritten. Nach meinem Realschulabschluss wollten meine Eltern gerne, dass ich etwas Handfestes lerne: etwas Solides, etwas zum Geld verdienen. Ich habe schon in meinem ersten Halbjahr meiner Realschulzeit einen Ausbildungsvertrag zur Justizfachangestellten unterschrieben. Die Ausbildung riss mich gleich aus dem elterlichen Schutz und ich zog, mit gerade 16 Jahren, in eine andere Stadt. Das funktionierte allerdings nur ein halbes Jahr. Ich absolvierte den Rest der Ausbildung wieder aus meinem Heimatort. Ich musste schnell Verantwortung übernehmen. Auch bei Gericht musste ich mich schnell mit den harten Fakten der Realität beschäftigen: Strafrecht, Insolvenzrecht, Nachlassangelegenheiten! Das hat mein Erwachsenwerden geprägt.
Mit 19 Jahren habe ich meine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Ich hatte Angst, nun 50 Jahre in diesem alten Gebäude festzuhängen. Obwohl ich mich immer kreativ in meine Arbeitsprozesse eingefunden und Spaß dabei hatte, wollte ich mehr.
Mein Plan war das Abitur nachzuholen, um aufbauend zu meiner Ausbildung Jura zu studieren. Eine Freundin besuchte ein Kolleg und ich erhielt alle Informationen zu dieser Möglichkeit der Weiterbildung aus erster Hand. Man sagte ja gern “Hach, einfach nochmal Schüler sein.”, wenn man einmal im Berufsleben ist. Ich hatte die Chance und war sehr motiviert, mein Abitur zu machen. Das Lernen viel mir sehr viel leichter als auf der Realschule. Ich wusste genau, wofür ich dort war. Ich konnte Verantwortung für mich selbst übernehmen und mit ein bisschen mehr Lebenserfahrung war für mich einfach alles etwas leichter.
Schlussendlich habe ich nach drei Jahren (11. bis 13. Klasse) ein gutes Abitur gemacht. Jedoch habe ich meine Schwerpunkte während dieser Zeit verlagert und mich mehr auf Kunst und Kulturelles konzentriert. Ich dachte mir, dass es viel schöner ist, sein Hobby zum Beruf zu machen. Die Kunst sollte es also sein!
Ich bewarb mich neben den Abiturprüfungen bei Kunsthochschulen. Teilweise sind die Aufnahmetests wie Castings. Man muss vorab eine Mappe mit Arbeitsproben einreichen. Diese wird von der Hochschule geprüft. Dann folgen weitere künstlerische Eignungstests und Gespräche. Meine Ausarbeitungen litten unter dem Lernstress des Abiturs und ich erhielt keinen Studienplatz.
Ich arbeitete ein Jahr als kaufmännische Sachbearbeiterin, was aufgrund meiner Ausbildung möglich war, und fertigte eine neue Design-Mappe an. Gleichzeitig schaute ich mich auch nach anderen Studiengängen im Kunst- und Kultur-Bereich um. Ich erhielt vier Zusagen. Ich nahm nochmal an einem Auswahlverfahren für einen Designstudiengang teil. Dabei war ich sehr entspannt, weil ich wusste, dass ich weitere interessante Optionen hatte, die meinen Interessen und Talenten entsprachen.
Daraufhin war ich die erste in meiner Familie, die ein Studium begonnen hat. Heute arbeite ich in einer Designagentur und es ist für mich mehr Berufung als Beruf.
Bist du zufrieden mit deinem Weg?
Ich bin vollkommen zufrieden. Auch wenn es etwas holprig erscheint, hätte ich es anders gar nicht schaffen können: weder die Allgemeine Hochschulreife erreichen, noch ein Studium mit einem erstklassigen Abschluss.
In den letzten Jahren kann man einen regelrechten Run auf die Gymnasien beobachten. Was würdest du Eltern gern mit auf den Weg geben, die vor der Entscheidung für eine weiterführende Schule stehen?
Erstens steht für mich fest, dass es nicht nur den einen Weg gibt. Zweitens frage ich mich, ob Zwang nicht auch immer irgendwo einen Schaden verursacht? Erfolg bestimmt sich doch immer aus dem, was man selbst möchte und wofür man Verantwortung übernehmen kann. Ich denke Eltern sollten Erfolg nicht an einem Hochschulzeugnis bemessen, sondern an dem Engagement, was Ihr Kind bestärkt, immer erfolgreicher werden zu wollen. So gehen Glück und Erfolg Hand in Hand.
Wie gestaltete sich Ihr Weg zum Abitur? Haben Sie auch erst eine Ausbildung absolviert, bevor Sie Ihr Abitur nachgeholt haben? Teilen Sie uns gerne Ihre Erfahrungen in den Kommentaren mit! Wir freuen uns über Ihre Rückmeldungen!
“Klar würde ich niemandem raten, es nicht mit dem Abitur zu versuchen – aber es geht auch ohne! Ich habe meinen Traumberuf trotz mieser Noten bekommen.”
Glücklich ohne Abitur? Ja, und wie! Nicht jeder fühlt sich an einer staatlichen Schule wohl und/oder ist schon während der Schulzeit ein Überflieger. Dass beruflicher Erfolg auch von vielen anderen Faktoren abhängt, beweist der Werdegang von Felix Stamer. Für unsere Serie “Alternativen zum Gymnasium” hat er uns Rede und Antwort gestanden. So startete Felix, trotz mäßiger mittlerer Reife an einer Waldorfschule, in seinem Traumjob als Veranstaltungstechniker voll durch und setzt sich jetzt noch höhere Ziele.
Erzähl uns von deiner Schullaufbahn – wie kam es, dass du nach der Grundschule auf eine Waldorfschule gegangen bist?
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Felix Stamer
Ich war eigentlich ein durchschnittlicher Schüler und ging nach der Grundschule auf die Realschule. Dort wurde ich jedoch zunehmend gehänselt und meine Noten gingen ordentlich in den Keller. Hinzu kam, dass ich immer unkonzentrierter wurde und mir auch Konzentrationstraining am Nachmittag nicht geholfen hat.
Meine Mutter begann, sich über alternative Schulformen zu informieren und stieß auf eine bezahlbare Waldorfschule in unserer Nähe. Schnell war ein Vorstellungsgespräch vereinbart und, siehe da, schon wurde ich ein Waldorfschüler.
Welche Erfahrungen hast du an der Waldorfschule gemacht? Hattest du das Gefühl, dass deine Stärken gefördert werden?
Ich habe dort positive und auch negative Erfahrung gemacht, so wie wahrscheinlich jeder andere Schüler – unabhängig von der Schulform, die er besucht. Auf jeden Fall habe ich mich wohl gefühlt und mit fast allen Klassenkameraden verstanden. Bei den vielen Klassenfahrten lernt man sich sehr gut kennen.
Ein Vorteil für mich war ganz klar der Epochenunterricht. Da hat man ein Fach drei bis vier Wochen am Stück und setzt sich wirklich intensiv mit dem Schulstoff auseinander. Dass Kreativität an Waldorfschulen groß geschrieben wird, hat mir auch ganz gut gefallen. Aber, dass ich jetzt zum Beispiel ein Profi an der Nähmaschine bin, wird mich zukünftig wohl nicht großartig weiterbringen.
Bekamst du Unterstützung beim Lernen, zum Beispiel Nachhilfe?
Mit 16 hatte ich andere Dinge im Kopf als Schule und musste zu einem Nachhilfelehrer. Um ehrlich zu sein, gebracht hat das leider nicht sehr viel. Selbst die beste Nachhilfe ist ohne die nötige Motivation zwecklos. Trotzdem habe ich nie geschwänzt oder bin zu spät gekommen – Grundsätze, die mir heute noch wichtig sind und sich später im Berufsleben positiv ausgewirkt haben.
Welchen Abschluss hast du gemacht?
Ich habe einen erweiterten Realschulabschluss, den legt man nach der 12. Klasse an der Waldorfschule ab. Theoretisch ist das ein Fachabitur, aber der Abschluss wird staatlich nur als Realschulabschluss gewertet.
Wie ging es nach deinem Abschluss weiter? Woher wusstest du, was du machen möchtest und wie bist du vorgegangen, um dein Ziel zu erreichen?
Nach dem Abschluss hatte ich eigentlich auf gar nichts Lust. Zum Glück haben mich meine Eltern zur Vernunft gebracht. Die Idee mich bei Veranstaltungstechnikfirmen zu bewerben kam daher, dass ich mich in der Schule um die Beleuchtung des Theaters gekümmert habe, was mir total Spaß gemacht hat. Mein Stiefbruder ist studierter Veranstaltungstechniker, so hatte ich schon eine Vorstellung von der Branche.
Meine Noten waren ja nicht besonders gut und meine Bewerbungen wurden unzählige Male abgelehnt. Nur bei einer Firma hat es für ein Vorstellungsgespräch gereicht. Im persönlichen Gespräch konnte ich mit meiner sozialen Einstellung dann sofort punkten und bekam eine Stelle als Langzeitpraktikant. Ich habe wirklich alles gegeben. Das merkte auch mein Chef, der mich nach sechs Monaten total trocken gefragt hatte, wann ich den nun endlich meinen Ausbildungsvertrag unterschreibe.
Nach drei Jahren Ausbildung habe ich einen richtig guten Abschluss hingelegt und wurde direkt übernommen – was in dieser Branche echt selten ist! Mittlerweise konnte ich in meiner Firma immer weiter aufsteigen und bin Disponent, sowie Abteilungsleiter für gewisse Bereiche.
Bist du zufrieden mit deinem Weg?
Ich kann mich auf keinen Fall beschweren. Ich habe meinen damaligen Traumjob, trotz mieser Noten, durch jede Menge Fleißarbeit bekommen. Nach 10 Jahren im Beruf habe ich mittlerweile auch Lust auf neue Herausforderungen. Ich persönlich finde es wichtig, dass man mit sich selbst im Einklang ist und eine Anstellung findet, die einen glücklich macht. Niemand sollte sich in die eigene Zukunft reinreden lassen und sich gezwungen fühlen, auf der Karriereleiter immer weiter nach oben zu müssen.
Würdest du sagen, du hast deine beruflichen Ziele erreicht? Oder geht es für dich vielleicht noch weiter?
Ich selber bin noch längst nicht da, wo ich gerne hin würde. Das Schöne ist, dass man mit genug Berufserfahrung die Chance hat, auch mit einem Realschulabschluss zu studieren. Mir stehen also wieder alle Türen offen. Ich finde es gut, mehrere Optionen im Leben zu haben. Mit einem dualen Studium beispielsweise könnte ich die Branche noch einmal komplett wechseln, ohne dass ich alles aufgeben müsste, was ich bisher erreicht habe.
Heutzutage besteht der Eindruck, dass Kindern ohne Abitur keine erfolgreiche Zukunft bevorsteht. Wie stehst du dazu?
Das sehe ich nicht so. Klar würde ich niemandem raten, es nicht mit dem Abitur zu versuchen. Aber man sieht ja an meinem Werdegang, es geht auch ohne.
Heutzutage stehen viel eher soziale Kompetenzen im Vordergrund. Das ist nicht nur eine Vermutung. Ich erlebe täglich, dass Eigenschaften wie Teamfähigkeit, Pünktlichkeit, strukturiertes Arbeiten sowie Spaß und Freude am Arbeiten viel wichtiger sind als gute Noten.
Was würdest du Familien mit auf den Weg geben, die kurz vor der Wahl einer weiterführenden Schule (Realschule, Gymnasium & Co.) stehen?
Jede Familie ist natürlich anders gestrickt … Einen Rat, den ich aber allen Eltern geben würde ist, versucht einen guten Draht zu euren Kindern aufzubauen. Hätte meine Mutter das mit dem Mobbing nicht mitbekommen, wüsste ich ehrlich gesagt nicht, wo ich jetzt wäre.
Und versucht beim Wechsel auf die weiterführende Schule darauf zu achten, wo die Grundschulfreunde hingehen. Gemeinsam mit alten Freunden auf die neue Schule zu kommen ist Gold wert.
Das Interview führte Ronja Magdziak aus der ELTERN! Redaktion.
Sind Sie auch “glücklich ohne Abitur”? Oder haben die Hochschulreife auf Umwegen erreicht, so wie Mediendesignerin Jenni? Teilen Sie uns gerne Ihre Erfahrungen in den Kommentaren mit. Wir würden uns freuen!
Als junger Lehrer führte Christoph Schuhmann eine kleine Umfrage durch, in der er die Schüler einer Regelschule fragte, was sie mit „Lernen“ assoziieren. Für nahezu alle Schüler war der Begriff mit Wörtern wie „Pflicht“, „Das muss man machen” oder „Das macht keinen Spaß“ behaftet. Das wollte und konnte er nicht hinnehmen.
Er fing an zu recherchieren und holte den BWL-Studenten Thomas Möller mit ins Boot. Beide hatten viele, viele Fragen, die sie schon seit langer Zeit bewegten. Doch vor allem eine trieb sie an:
„Gibt es Schulen, an denen Kinder gerne lernen?”
Sie zogen los, besuchten 6 Länder, 20 Schulen, interviewten Kinder, Eltern, Lehrer, Wissenschaftler und Reformpädagogen. Schnell stellten sie fest: Ja, es gibt sie, die Revolutionäre unter den Schulen, in denen Kinder wirklich Spaß am Lernen haben. Und sie alle haben eins gemeinsam: Den Gedanken, dass man Schülern die Freiheit geben muss, sie selbst sein zu.
Fit für die Zukunft an einer demokratischen Schule – kann das funktionieren?
Ihre Erkenntnisse hielten Thomas Möller und Christoph Schuhmann in dem Dokumentarfilm “Schools of Trust – Vertrauen ins Lernen” fest, der kürzlich auf DVD erschienen ist. Heute sprechen wir mit ihnen über das Potential von demokratischen Schulen:
scoyo: Demokratische Schulen sind für viele Eltern noch keine Alternative zur Regelschule. Warum sollte sich das Ihrer Meinung nach ändern?
Demokratische Schulen, obwohl das Konzept schon etwas älter ist, sind neu für viele Eltern. Es ist anders als das Schulsystem, das die meisten Menschen selbst erlebt haben. Von daher gibt es natürlich gewisse Vorurteile und Berührungsängste.
Gemeinsame Intention des Filmes ist es, dieses Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, und die dahinterliegenden Lernprinzipien aufzuzeigen. Wir wollen damit bewirken, dass sich Menschen aktiv mit dem Thema Bildung auseinandersetzten, damit bei der Schulwahl des Kindes eine bewusste Entscheidung getroffen werden kann.
Mit unserem Film wollen wir vor allem Eltern ermutigen, sich diese Alternative einmal genauer anzuschauen und mit ihrem Kind ein Gespräch darüber zu führen, was am besten geeignet ist. Demokratische Schulen haben viel zu bieten.
scoyo: Wie kann man sich den Alltag an demokratischen Schulen vorstellen?
Die Tages- oder Wochenplanungen der Schüler können sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt flexible Ankommens- und Schlusszeiten und die Möglichkeit, Tage an außerschulischen Lernorten zu verbringen. Auch die freie Wahl der Projekte, Kurse oder sonstiger Aktivitäten führt dazu, dass jeder Schüler einen individuellen Tagesablauf hat.
Jedoch gibt es wesentliche Orientierungspunkte für alle Schüler, wie etwa die wöchentliche Schulversammlung, in der gemeinsam Entscheidungen getroffen werden, die die Schule anbelangen.
scoyo: Bei so viel Flexibilität stellen sich viele Eltern Fragen wie: „Nach welchem Lehrplan lernen die Kinder? Lernen sie überhaupt etwas? Brauchen die nicht ein bisschen Druck, um motiviert zu sein?“
Lerninhalte werden mit den Emotionen verbunden, mit denen sie gelernt wurden – das wissen wir aus der Neurowissenschaft.
Wenn nun Kinder Druck und Zwang beim Lernen erfahren, so wird das Gelernte immer mit auch mit Stress und der Angst vor einer Bestrafung verknüpft sein – was keine gute Grundlage für nachhaltiges Lernen ist.
An demokratischen Schulen wird davon ausgegangen, dass Kinder von Natur aus neugierig sind – um laufen und sprechen zu lernen, war ja auch kein Lernplan oder Druck notwendig.
Wenn wir diese Neugierde nicht abbremsen, sondern fördern, bleibt die natürliche Motivation, Neues zu entdecken und Dinge zu Lernen erhalten.
scoyo: Besteht nicht die Gefahr, dass Kinder bestimmte Fächer komplett links liegen lassen? Wie wird sichergestellt, dass Schüler an demokratischen Schulen alles lernen, was sie für ihre Zukunft brauchen?
Ja, das kann passieren. Gleiches geschieht aber auch an herkömmlichen Schulen. Denken Sie einmal an die vielen Inhalte, die man an Regelschulen nur für die Klausur lernt und danach wieder vergisst. Zudem kann die Auswahl der angebotenen Fächer in herkömmlichen Schulen durchaus als willkürlich bezeichnet werden. Wichtige Themengebiete wie Recht, Wirtschaft, Psychologie, Pädagogik und Verbraucherschutz sind dort in der Regel massiv unterrepräsentiert. An herkömmlichen Schulen wird ohne weiteres hingenommen, dass Schüler diese Themengebiete nicht lernen.
Wenn Schüler sich mit Themen beschäftigen, für die sie sich nicht interessieren, bedeutet das nicht, dass sie die entsprechenden Inhalte nachhaltig lernen. Viele Schüler lernen nur für die nächste Klausur und vergessen die Inhalte dann.
Letztendlich gibt es viele Wissensgebiete, mit denen Schüler herkömmlicher Schulen nicht in Berührung kommen. Da Schüler freier Schulen nicht zum Lernen gezwungen wurden, bleiben sie den entsprechenden Inhalten gegenüber aufgeschlossen, während viele Schüler herkömmlicher Schulen von den Inhalten, für die sie sich nicht interessiert haben und die sie dennoch lernen sollten, nichts mehr wissen wollen.
Wichtiger als der gelernte Inhalt ist es, wie man lernt (offen, begeistert, selbstbestimmt) – mit dieser Haltung kann man sich jederzeit die Dinge aneignen, die man lernen möchte.
scoyo: Viele Schüler könnten sich von zu viel Freiheit auch überfordert oder unter Druck gesetzt fühlen – oder nicht?
Der Frage liegt die Annahme zugrunde, dass Erwachsene einschätzen können, welche Lerninhalte zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Schüler wissenswert sind.
Wissenswert sind Lerninhalte, wenn sie an die Interessen und an die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen anknüpfen. Ob dies zutrifft, können nur die Schüler selbst beurteilen und entscheiden. Erwachsene können Kindern und Jugendlichen hinsichtlich möglicher Lerninhalte Anregungen geben und diese beraten. Kinder und Jugendliche sind nicht völlig sich selbst überlassen, sondern können sich auch an den anderen Schülern und Erwachsenen orientieren oder an bestehenden Kursen teilnehmen. Zudem stehen den Schülern auch Mentoren zur Verfügung, die ihre Lernprozesse individuell begleiten.
Die Basis für Lernprozesse ist die natürliche Fähigkeit, Anregungen selbstbestimmt anzunehmen, um sie zu modifizieren oder zu verwerfen. Bei der Selbstbestimmung von Lerninhalten kann also nicht von einer Überforderung die Rede sein, sondern vielmehr von einer natürlichen Voraussetzung für das Lernen.
scoyo: Können die Schüler an demokratischen Schulen auch ihr Abitur machen?
In Deutschland können nur staatlich anerkannte Schulen Schulabschlüsse vergeben. Die meisten freien Schulen haben den Status genehmigter Schulen und nicht die staatliche Anerkennung, die für die Vergabe von Schulabschlüssen notwendig ist.
Daher werden die Schüler auf eine externe Prüfung für den Mittleren Schulabschluss vorbereitet, die von Lehrern staatlicher Schulen abgenommen wird.
Viele Schüler freier Schulen erreichen bei den externen Abschlussprüfungen gute bis sehr gute Ergebnisse und wechseln anschließend auf reguläre Gymnasien, um dort ihr Abitur zu erlangen.
Dank neuerer Entwicklungen im E-Learning-Bereich, gibt es immer mehr Möglichkeiten, Schulabschlüsse und andere professionelle Zertifikate zu erlangen. Die neue Generation in der Geschäftswelt (Startup-Szene) achtet mehr auf die Kompetenz und Erfahrung und weniger auf Zertifikate.
scoyo: Gegner kritisieren, dass freie Schulen Kinder nicht auf die Arbeit in der freien Wirtschaft vorbereiten. Was halten Sie davon?
Nach meinen Erfahrungen ist eine freie Schule der freien Wirtschaft sehr viel ähnlicher, als es eine Regelschule ist. In der freien Wirtschaft, werden vor allem Menschen gebraucht, die selbständig arbeiten können, kreative Ideen mitbringen und soziale Fähigkeiten besitzen. All diese Eigenschaften werden in demokratischen Schulen täglich praktiziert.
scoyo: Für wen ist eine freie, demokratische Schule geeignet – und für welche Kinder eher nicht?
Grundsätzlich sind demokratische Schulen für jedes Kind geeignet, jedoch nicht für alle Eltern. Der Lernprozess kann nur wirklich gelingen, wenn die Eltern mit vollem Vertrauen hinter dem Kind stehen und die Prinzipien der Schule verinnerlicht haben.
In einem staatlichen Schulapparat mit mehr als 700.000 angestellten Lehrkräften passiert so ein Wandel nicht von heute auf morgen. Trotzdem gibt es viele spannende Initiativen in staatlichen Schulen, die häufig von engagierten Lehrern angestoßen werden. Wir stehen noch am Anfang des Bildungswandels – in zehn Jahren wird das schon ganz anders aussehen.
scoyo: Was denken Sie, müsste sich ändern, damit sich wirklich vieles ändert?
Engagierte Lehrer in staatlichen Einrichtungen müssen tatkräftig unterstützt werden, neue Erkenntnisse aus der Lernforschung sollten vermehrt in die Lehrerbildung einfließen. Generell sollte ein breiteres Informationsangebot über alternative Schulformen zur Verfügung stehen und ein größerer Austausch zwischen den Lehrern und Schulen.
Das Interview führte Sina Wendt.
Die Macher hinter Schools of Trust:
Christoph Schuhmann ist Gymnasiallehrer in Hamburg. Im Unterricht fragte er seine Schüler was sie mit “Lernen” verbinden. Häufige Antworten waren ‘Anstrengung’, ‘Langeweile’, ‘Pflicht’, ‘Stillsitzen’ und ‘Stress’. Christoph war erschüttert und fragte sich, wie es möglich sein kann, die natürliche Freude am Lernen, die bei Kleinkindern so schön zu beobachten ist, auch in der Schule aufrecht zu erhalten.
Thomas Möller, damals Student der Universität Hamburg, war mit einem ähnlichen Problem konfrontiert. Im Studium spürte er den Fokus auf Noten und Abschlüsse. Der Großteil der Studenten, lernte nicht aus Neugierde oder Interesse, sondern nur für die Prüfung. Danach wurde der Stoff schnell wieder vergessen.
Was genau sind demokratische Schulen?
Demokratische Schulen gehören zu den alternativen Schulformen, zu der auch Bildungseintrichtungen wie Waldorfschulen und Montessorischulen zählen. An demokratischen Schulen steht die Individualität der Schüler im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit – es gibt keine für alle Schülter geltenden Lehrpläne, keine Klassen, keine Noten, keine Vorgaben.
Demokratische Schulen versuchen mit drei Grundsätzen, Interesse und Begeisterung zu fördern:
- Die Schüler lernen wann, wo, was, wie und mit wem sie wollen.
- Sie haben die Freiheit zu tun, was sie möchten, solange es die Freiheit der anderen nicht einschränkt.
- Alle Belange des Schulalltags werden in der wöchentlichen Schulversammlung diskutiert und beschlossen. Schüler und Lehrer haben gleichberechtigt eine Stimme.
Demokratische Schulen legen also einen großen Wert auf selbstbestimmtes Lernen.
Linktipps:
Regelschule oder alternative Schulform … Die Schullandschaft in Deutschland ist unübersichtlich und ein kompliziertes Feld, gerade für Eltern, die noch nicht wissen, welche Schulform für ihr Kind die Richtige ist. Doch wenn sie sich frühzeitig informieren, fällt es ihnen leichter, eine passende Schule für die Kleinen zu finden.
Uta Künkler, Bildungsexpertin bei www.besser-bilden.de, stellt hier das Montessori-Konzept vor und erklärt, was eine Montessori-Schule ist und was sie besonders macht. So können Sie als Eltern besser entscheiden: Montessori, ja oder nein?
In diesem Artikel
1. Montessori-Schule im Trend
Montessori-Pädagogik in Kindergarten und Schule ist über 100 Jahre alt undwahrlich nichts Neues. Doch nach den schlechten Ergebnissen der PISA-Studien erfährt das Lernen nach dem Montessori-Konzept einen neuen Trend. Im gesamten Bundesgebiet und auch im europäischen Ausland und den USA schießen Montessori-Schulen und -Kitas seit einigen Jahren regelrecht aus dem Boden.
Weit über 500 Schulen in Deutschland arbeiten mittlerweile ausschließlich nach den Prinzipien der italienischen Ärztin Dr. Maria Montessori. Auch in vielen öffentlichen Regelschulen übernehmen die Lehrer immer mehr Aspekte aus dem Montessori-Konzept. Im vorschulischen Bereich haben sich noch weitaus mehr Kindergärten, fast ausschließlich oder in Teilen, die Montessori-Pädagogik auf ihre Fahnen geschrieben. Und die Zahl steigt stetig.
Der Grund: Immer mehr Eltern zweifeln, ob ihr Kind in einer Regelschule richtig aufgehoben ist und ob es dort individuell genug gefördert wird.
Vielleicht haben Sie auch schon überlegt, ob der übliche Weg über Sprengelschule (Schule, die am nächsten zur Familie liegt) und Kindergarten in der Nachbarschaft der passende für Sie und Ihr Kind ist, oder ob es doch eine Überlegung wert wäre, sich mit dem Montessori-Konzept vertraut zu machen?
Die meisten Mütter und Väter sind mit dem Vokabular der Alternativpädagogik noch nicht vertraut und wissen selten, was eine Montessori-Schule ist. Grund genug, einmal mit den Vorurteilen aufzuräumen und die Prinzipien der Montessori-Pädagogik genauer zusammenzufassen – um allen Interessierten die Antwort auf die Frage “Montessori – ja oder nein?” zu erleichtern.
Lernen nach Maria Montessori: Mit Spaß und allen Sinnen. Und immer im eigenen Tempo. Bei scoyo lernen Kinder der Klassen 1-7 angepasst an ihren individuellen Lernstand in über 35.000 interaktiven Aufgaben nach Lehrplan.
2. Was ist eine Montessori-Schule?
In unseren Ratgebern zur Schulwahl finden Sie viele Tipps und Checklisten, um die passende Schule für Ihr Kind zu finden, inklusive Leitfaden durch den Schultypen-Dschungel:
Maria Montessori schrieb in ihrem Werk “Die Entdeckung des Kindes” ihre Erkenntnisse aus jahrelanger Forschung mit behinderten und gesunden Kindern nieder. Das war im Jahr 1909. Seither hat es einen unbestrittenen Platz in der pädagogischen Weltliteratur eingenommen. Doch was sind die bahnbrechenden Erkenntnisse, die die Ärztin Maria Montessori darin festgehalten hat? Was ist eine Montessori-Schule?
Das Montessori-Konzept setzt auf Selbstbestimmtheit, den natürlichen Wissensdurst der Kinder zu fördern und kritisiert starre Stundenpläne. Ein zentraler, wenn nicht der wesentlichste, Kerngedanke in Montessoris Arbeit lautet: “Hilf mir, meine Arbeit selbst zu tun.” Hinter diesem viel zitierten Satz steht das tiefgründige Vertrauen darauf, dass Kinder per se einen natürlichen Drang haben, zu lernen und zu wachsen.
Denn: Wer kennt sie nicht, diese intensive Konzentration, mit der ein Kleinkind einen Marienkäfer untersuchen kann oder die unablässige Neugierde, mit der Kindergartenkinder ihre Eltern mit Fragen über Gott und die Welt bis an den Rand ihrer eigenen Erklärfähigkeiten bringen können? Eine Würdigung eben dieses unbändigen Drangs steht hinter Montessoris Haltung dem Kind gegenüber.
Aufgabe der Erwachsenen ist es, laut Maria Montessori, diesen Drang zu erhalten und zu nähren, indem eine geeignete Umgebung geschaffen wird. In der Praxis heißt das: Eltern und Pädagogen sollen dem Kind Spiel- und Arbeitsmaterialien bieten, die sein ganz individuelles (Lern-)Interesse ansprechen.
Keinesfalls sollte das Kind überfordert oder aus der tiefen Konzentration für eine bestimmte Sache herausgerissen werden, nur um seine Aufmerksamkeit auf etwas völlig anderes zu lenken. Der klassischen Schulbetrieb, bei dem für alle Kinder gleichzeitig in der ersten Stunde Rechnen und in der zweiten Stunde Lesen auf dem Stundenplan steht, wird im Montessori-Konzept stark kritisiert.
Die Abkehr vom Frontalunterricht, hin zu Freiarbeit – Montessori-Schulen regen zur konzentrierten Eigenbeschäftigung an.
Maria Montessori ist davon überzeugt, dass Lernen nur über die Sinne führen kann. Kinder lernen demnach am einfachsten durch konkretes Handeln mit konkreten Materialien. Vereinfacht gesagt bedeutet das Montessori-Konzept die Abkehr vom Frontalunterricht. Das Kind soll selbst motiviert tätig werden und nicht den Worten der Lehrer oder Erzieher nacheifern. Dieses Prinzip der Montessori-Pädagogik lässt sich mit einem bekannten Wort von Konfuzius veranschaulichen: “Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können.”
Immer häufiger wird in der entwicklungspsychologischen Literatur von “sensiblen Phasen” oder “Perioden” geschrieben. Gemeint sind Zeitspannen, in denen Kinder eine besonders hohe Bereitschaft und Fähigkeit für bestimmte Lerninhalte zeigen.
Diesem Umstand will die Montessori-Pädagogik Rechnung tragen: Brennt ein Kind beispielsweise gerade für mathematische Zusammenhänge, während ein anderes zur gleichen Zeit besonders für sprachliches Lernen offen ist, werden beide Schüler gleichermaßen nach ihrem Interesse gefördert.
Genau diesem Ziel kommen Schulen, die nach dem Montessori-Konzept arbeiten, in der sogenannten Freiarbeit nach. Während dieser Zeit suchen sich die Kinder selbst das Thema aus, mit dem sie sich gerade beschäftigen wollen und erarbeiten so bestimmte Lerninhalte nach ihrem eigenen Empfinden.
Hat ein Kind die Möglichkeit und die Freiheit, seine sensiblen Phasen individuell und optimal zu nutzen, fällt es ihm besonders leicht, sich auf eine Tätigkeit oder ein Lernthema zu konzentrieren. Dieser tiefen Konzentration misst Maria Montessori große Bedeutung bei. Sie beschreibt die “Polarisation der Aufmerksamkeit” als “das Aufgehen in einer Arbeit, einer konzentrierten, frei gewählten Arbeit, die die Kraft hat zu konzentrieren und, anstatt zu ermüden, die Energien, die geistigen Fähigkeiten und die Selbstbeherrschung erhöht.” Denn in Phasen voller Konzentration gewinnt ein Kind, laut Montessori, Wissen und zugleich Selbstvertrauen.
Ziel des Montessori-Konzepts ist es daher, konzentrierte Beschäftigungen zu ermöglichen. Die Einrichtungen versuchen, mit einer auf den Entwicklungsstand des Kindes optimal angepassten Umgebung, auf diesen Anspruch zu reagieren. Bei Montessori, egal ob Kindergarten oder Schule, arbeitet man daher überwiegend mit Lehr- und Übungsmaterial, das zur Eigenbeschäftigung anregt und den Kindern Selbstkontrolle ermöglicht.
3. Montessori-Schule, ja oder nein? Das Konzept kurz & knapp erklärt
Hier finden Sie die grundlegenden Unterschiede des Montessori-Konzepts im Vergleich zu Regelschulen aufgelistet, damit Sie die Frage: “Montessori, ja oder nein?” besser beantworten können.
►Keine Noten
Die Leistungen der Kinder werden in Schulen, die nach dem Montessori-Konzept handeln, nicht mit Zensuren bewertet. Stattdessen werden regelmäßig Einschätzungsgespräche mit den Lehrkräften geführt und die Schüler erhalten jeweils zum Halbjahr und zum Jahresende einen Leistungsbericht in Schriftform. Außerdem wird für jeden Schüler ein sogenannter IzEL-Bogen (Informationen zum Entwicklungs- und Lernprozess) geführt. Dieser bildet den Lernfortschritt sowie das Sozial- und Arbeitsverhalten detailliert ohne Schulnoten ab.
►Jahrgangsmischung
Schülerinnen und Schüler arbeiten in jahrgangsgemischten Gruppen, Erst- und Viertklässler sind also gemeinsam in einer Gruppe. Dadurch soll nicht nur Individualität gefördert, sondern, durch die Kooperation mit anderen, das soziale Miteinander gestärkt werden. Das Prinzip: Die Kleinen lernen von den Großen.
►Freiarbeit
Ein zentrales Element des Montessori-Konzepts ist die Freiarbeit. Während dieser sucht sich jeder Schüler eigenverantwortlich eine Beschäftigung mit Lernmaterialien. Die Lehrkräfte geben keinen Stoff vor und stehen den Kindern lediglich bei Problemen und Fragen als Helfer zur Seite. So übt Paul beispielsweise gerade mit dem Schreibstift, Marie spielt ein Wortartenspiel und zur gleichen Zeit lernt Hanna Division im Hunderterraum. Da die Kinder möglichst konzentriert und eigenständig arbeiten sollen, ermöglichen fast alle Montessori-Materialien eine Hilfe zur Selbstkontrolle.
►Kein Frontalunterricht
In der Montessori-Pädagogik wird Individualität und Selbstständigkeit groß geschrieben. Daher wird man dort Frontalunterricht so gut wie nie finden. Im Gegensatz zur Regelschule erledigen nicht alle Kinder zur gleichen Zeit dieselben Aufgaben. Vielmehr soll in Einzelarbeit jedes Kind nach seinem persönlichen Wissensstand und Lerntempo arbeiten.
►Schulabschluss
Grundsätzlich können Kinder einer Montessori-Schule alle staatlichen Abschlüsse vom Hauptschulabschluss bis hin zum Abitur ablegen. Allerdings müssen sie in aller Regel die Prüfungen als externe Prüflinge an den staatlichen Schulen absolvieren. Über den staatlichen Schulabschluss hinaus legen die Schüler am Ende der neunten Klasse zusätzlich einen Montessori-Abschluss ab. Kernelement ist die sogenannte “Große praktische Arbeit”.
►Schulwechsel an die Regelschule
Durch seine starke Orientierung an staatliche Lehrpläne besteht beim Montessori-Konzept eine gute Möglichkeit, auf die Regelschule zu wechseln. An staatliche Grundschulen ist er in aller Regel problemlos möglich. Der Übertritt auf weiterführende Schulen ist prinzipiell auch jederzeit möglich, jedoch meist mit Probeunterricht und/oder Kenntnis-Prüfung in höheren Jahrgangsstufen verbunden.
4. Tipps von der scoyo-Redaktion: Welche Schule für mein Kind?
Montessori-Schule – ja oder nein für mein Kind?
Der Besuch einer Montessori-Schule ist generell für jedes Kind geeignet.
Pro: Hat Ihr Kind z. B. Mühe, dem oft starren Unterricht an einer staatlichen Schule zu folgen, könnte das freie Lernen ohne Druck gut tun.
Contra: Gleichzeitig gibt es jedoch wenig Regeln und Strukturen, was für Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten eine Belastung darstellen könnte.
Wichtig zu wissen: An Montessori-Schulen wird, wie bei den meisten alternativen Schulformen in Deutschland, ein starkes Engagement der Eltern vorausgesetzt. Infos und Fakten zu der Anmeldung, den Kosten etc. an einer Montessori-Schule finden Sie hier.
Mit der Lern-App scoyo üben Kinder der Klassen 1-7 (und Vorschule) selbständig und im eigenen Tempo in über 35.000 Übungen nach Lehrplan.
Über die Autorin
Bildungsexpertin Uta Künkler
© www.besser-bilden.de
Uta Künkler ist Bildungsexpertin und Redakteurin für besser-bilden.de, ein Online-Magazin zu den Themen Bildung, Schule, Familie und Erziehung samt Ratgeber und Mutter-Blog. Was gibt es für alternative Schulkonzepte? Welche Schule ist die richtige für mein Kind? Auf www.besser-bilden.de gibt’s die Antwort.
Wir wünschen uns eine makelose Traumschule für unsere Kleinen – kein Wunder, dass sobald das Wort “Schulwahl” erklingt, Herzfrequenzen vieler Eltern in die Höhe schnellen. Jetzt heißt es zurückrudern, durchatmen und besinnen. Was braucht mein Kind wirklich? Welche Schulform passt am besten zu unserer Familie? Die perfekte Schule für Ihr Kind muss vor allem eins: Die individuellen Eigenschaften Ihres Kindes stützen.
Die folgenden Tipps helfen Ihnen dabei, entspannt an die Schulwahl heranzugehen, Schritt für Schritt herauszufinden, welche Ansprüche Sie an eine Schule stellen, und letztendlich die richtige Schule für Ihr Kind zu finden:
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1. Schritt: Stressfreier Anfang – die richtige Schule finden
Keine Panik
Natürlich ist es immer gut, sich frühzeitig Gedanken um die Schulwahl zu machen (siehe Tipp 3), aber besser klappt das vor allem mit viel Gelassenheit. Die negative Stimmung kann Ihr Kind beeinflussen, sodass es schlimmstenfalls von Anfang an Schlechtes mit der Schule verbindet.
Im Hier und Jetzt leben und nicht zu viel verlangen
Verwerfen Sie den Gedanken, dass die Schulwahl die gesamte Zukunft Ihres Kindes beeinflusst. Höhere Abschlüsse können bei Bedarf immer nachgeholt werden. Versuchen Sie lieber eine Schule zu finden, die zur derzeitigen Situation Ihres Kindes passt. Eine Schule, in der jetzige Stärken gefördert und Schwächen aufgefangen werden.
Das gilt auch für die Wahl einer weiterführenden Schule: Auch wenn Sie den bestmöglichen Abschluss für Ihr Kind wünschen, schicken Sie es nicht auf eine Schule, deren Leistungsniveau Ihren Sprössling überfordert. Leistungsdruck kann zu Lernblockaden und Frust führen. Die richtige Schule für Ihr Kind zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass Ihr Kind gern zur Schule geht und motiviert ist.
Rechtzeitig mit der Schulwahl beginnen
Je eher Sie sich kümmern, desto entspannter sind Sie am Ende. Die Anmeldephase für Grundschulen beginnt ungefähr ein Jahr vor der Einschulung. An weiterführenden Schulen meldet man sich meist ein halbes Jahr vor Schulbeginn an.
Manche Schulen mit gutem Ruf haben sogar Wartelisten, auf die Eltern ihre Kinder sehr früh setzen sollten, falls sie hier einen Platz ergattern möchten.
2. Bestandsaufnahme – was erwarten wir von “der richtigen Schule”?
Bevor Sie verschiedene Schulen besuchen, sollten Sie sich grundsätzlich Gedanken darüber machen, was Sie von einer Schule erwarten. Gehen Sie in sich und legen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind fest, worauf Ihre Familie Wert legt.
Auf die Bedürfnisse Ihres Kindes achten
Schulen unterscheiden sich stark voneinander. Am wichtigsten ist, dass Ihr Kind sich gut aufgehoben fühlt und in seinen Stärken (und Schwächen) gefördert wird. Dabei sollten Sie auch nicht außer Acht lassen, welche Schulen die Freunde Ihres Kindes besuchen.
Bei der Wahl der richtigen Schule könnten Sie diese zusätzlichen Angebote interessieren:
- Wie gut ist die digitale Ausstattung (Computerräume, Lehrkonzepte etc.)?
- Wie gut sind die Turnhallen ausgestattet?
- Werden Zusatzangebote wie ein Chor oder AGs angeboten?
- Wünschen Sie sich einen bestimmten Schwerpunkt wie Sport oder Wirtschaft?
- Sprachtalent? Ziehen Sie Ihr Kind zweisprachig auf, besucht es bereits in eine bilinguale Kita oder zeigt es schon früh ein besonderes Potenzial im Erlernen von Sprachen? Dann könnte eine internationale Schule die richtige für Ihr Kind sein. (Internationale Kindergärten und Schulen kooperieren oft miteinander: Melden Sie Ihr Kind in einer zweisprachigen Kita an, erhöht es die Chance, dass Ihr Sprössling später auch an einer entsprechenden Schule angenommen wird.)
Können Sie Ihr Kind nachmittags unterstützen? Möchten Sie die Zeit mit Ihrem Kind lieber mit anderen Dingen als mit Hausaufgaben verbringen?
Dann ist eine Ganztagsschule möglicherweise die richtige Schule für Ihren Nachwuchs. Die Qualität des Nachmittagsangebots wird allerdings oft bemängelt und variiert zwischen den Schulen sehr stark.
Am besten funktioniert der Ganztag, wenn das Nachmittagsangebot mit dem Unterricht vernetzt ist. Wenn die Schüler nachmittags Erfahrungen machen, die den Lernstoff vom Vormittag vertiefen (mehr dazu bei Zeit Online). Achten Sie darauf, dass eine in Frage kommende Ganztagsschule ein sinniges Konzept hat, das die Kinder optimal fördert.
Deshalb hilft es, folgende Faktoren in den Blick zu nehmen:
- Ist das Nachmittagsprogramm gut organisiert?
- Wird es von qualifiziertem Personal durchgeführt und hat es sich bereits über einen längeren Zeitraum bewährt?
- Wie ist die Schule ausgestattet?
- Gibt es genügend Raum für ein vielfältiges Nachmittagsprogramm?
- Entspricht das Mittagsessen Ihren Ansprüchen und gibt es eine Kantine oder einen Speiseraum?
Alternativ bieten auch Einrichtungen der öffentlichen und freien Jugendarbeit Nachmittagsbetreuung mit Hausaufgabenhilfe und Mittagessen an.
Alternatives pädagogisches Konzept: Wünschen Sie sich eine kirchliche Ausrichtung oder legen Sie Wert auf besondere pädagogische Konzepte, wie sie beispielsweise Montessori- oder Waldorfschulen anbieten?
Hier im ELTERN! Magazin finden Sie viele Informationen zu alternativen Schulformen:
Wechsel auf eine weiterführende Schule: Lernstand richtig einschätzen! Eine Lehrerempfehlung, die vom Klassenlehrer ausgestellt wird, gibt die Richtung vor. Einen niedrigeren Bildungsweg einzuschlagen (also statt Gymnasium Realschule) ist immer möglich. In einem persönlichen Gespräch mit dem Lehrer können Sie über Stärken und Schwächen Ihres Kindes sprechen und so gemeinsam die richtige Schulform finden. Sind Sie trotzdem unsicher und wollen sich nicht so früh für eine Laufbahn entscheiden, stehen Ihrem Kind auf einer Gesamtschule alle Abschlüsse offen.
Schulweg einbeziehen
Dieser Punkt sollte nicht unterschätzt werden! Lange Fahrwege sind verlorene Zeit und demotivieren, nicht nur im Winter. Gerade wenn beide Eltern berufstätig sind, reduziert sich die gemeinsame Familienzeit unter der Woche auf ein Minimum. Jede halbe Stunde, die Ihnen zur Verfügung steht, ist deshalb Gold wert. Die Wahl einer Schule in Ihrer Nähe erhöht zudem die Chance, dass auch Freunde aus der Nachbarschaft diese Schule besuchen. Deshalb sollte die Länge des Schulweges bei der Suche nach der richtigen Schule einbezogen werden.
Netzrecherche
Internetseiten der Schulen sind oft wenig aktuell und aussagekräftig. Eine gut strukturierte Seite lässt deshalb meist schon darauf schließen, dass die Organisation vor Ort auch top ist.
Auf Internetseiten wie schulradar.de oder schulbenotung.de können Eltern und Kinder Schulen bewerten. Auf der Suche nach der richtigen Schule sind solche Seiten jedoch mit Vorsicht zu genießen, da die Meinungen, die dort geäußert werden, sehr subjektiv sind.
3. Schritt: Stippvisite – Tipps für den Schulbesuch
Hinter die Kulissen schauen
Haben Sie sich grundsätzlich für eine Schulform und einige Schulen in Ihrer Nähe entscheiden können? Prima! Dann steht jetzt der Vor-Ort-Besuch an, bei dem Sie Ihre Erwartungen mit der Realität vergleichen können.
Machen Sie sich am besten Notizen in Form einer Checkliste. Unsere Checkliste gibt Ihnen Anregungen, welche Fragen Sie Lehrern stellen könnten, um herauszufinden, ob die Schule die richtige für Ihr Kind ist. Außerdem können Sie so den Schulbesuch im Anschluss leichter Revue passieren lassen und Ihren Eindruck von den verschiedenen Schulen besser vergleichen.
Eine gute Möglichkeit, die Schulen besser kennen zu lernen, ist der Tag der offenen Tür. Auch wenn sich hier sicherlich jede Schule von ihrer besten Seite zeigt, können Sie persönlich mit Lehrern und der Schulleitung sprechen und so einen eigenen Eindruck gewinnen. Achten Sie dabei auch auf das Verhalten Ihres Kindes: Fühlt es sich wohl? Läuft es unbeschwert umher? Wie gehen die Lehrer auf Ihr Kind zu? Gleichzeitig können Sie sich jetzt einen eigenen Eindruck über die Qualität der Ausstattung machen.
Tipp: Versuchen Sie, das Lehrpersonal kennenzulernen. Sind diese nicht engagiert und motivieren sie Kinder nicht ausreichend zum Lernen, nützt auch das Drumherum nicht viel. Leider.
Eigene Meinung bilden
Die richtige Schule sollte zu Ihrem Kind passen – und ob das der Fall ist, können Sie und Ihre Familie am besten beurteilen. Andere Eltern, die bereits Kinder auf gewünschten Schule haben, sind gute Informationsquellen. Trotzdem sollten Sie sich auch vor Ort ein eigenes, breiteres Bild machen.
Schulhofspionage
Bei einer Umfrage der Universität Münster gaben 84 Prozent der Eltern an, dass ihnen die Atmosphäre in der Schule wichtig ist. Vielleicht können Sie während einer Pause das Geschehen auf dem Schulhof beobachten? Dabei finden Sie einiges über das Klima heraus.
Sie können auch ganz offen die Lehrer fragen, welche Mittel es gibt, damit Schüler sich aktiv einbringen und ihre Schule individuell mitgestalten können, zum Beispiel Schülerversammlungen oder bestimmte AGs.
Umgang mit Vielfalt
Fragen Sie ruhig direkt nach: Gibt es Kurse für schwächere und stärkere Schüler (individuelle Förderung), wie wird mit kulturellen Unterschieden umgegangen? Bei der guten Betreuung einer heterogenen Schülerschaft hapert es oftmals noch. Ein ausgefeiltes Konzept ist somit ein Qualitätsmerkmal.
Mit einem Abitur sind, selbst ohne Studium, die Karriereaussichten deutlich besser*. Trotzdem kritisieren Sie, Herr Kraus, dass so viele Eltern ihre Kinder auf das Gymnasium schicken. Warum?
Der Mensch beginnt nicht mit dem Abitur – es kann keine Abitur-Vollkaskogarantie geben! Mit einem Abitur sind die beruflichen Aussichten auch keineswegs besser: Wir haben in Deutschland ein hervorragendes System der beruflichen Bildung, und wir haben bereits einen eklatanten Fachkräftemangel.
Die Weichen können immer wieder neu gestellt werden – ein Wechsel von einer Schulform zur anderen ist zu vielen Zeitpunkten möglich. Zum Beispiel haben über 40 Prozent der Studierberechtigten gar keinen Gymnasialabschluss, sondern sind auf anderen Schularten zum Abitur gekommen.
Wir haben viele so genannte zweite Wege, und bei manchen jungen Leuten platzt der Knoten eben erst später. Eltern haben also gute Gründe, bei der Frage, welche Schule ihre Kinder besuchen sollen, gelassen zu bleiben.
Wenn es also nicht unbedingt das Gymnasium sein muss, wie finden Eltern dann die richtige Schule für ihr Kind?
Unterschiedliche Schulformen haben unterschiedliche Profile und führen zu unterschiedlichen Abschlüssen. Das Bildungsziel des Gymnasiums zum Beispiel ist eben die Hinführung zur Studierfähigkeit, genauer: zur allgemeinen Hochschulreife. Die Basis dafür ist ein breiter Fächerkanon, zu dem unter anderem mindestens zwei Fremdsprachen gehören. Andere Schulformen sind praktischer ausgerichtet.
Sehr wichtig ist die Einschätzung der Grundschullehrer. Sie kennen ein Kind sehr gut, und ihr Urteil, ob ein Kind etwa für das Gymnasium geeignet ist, hat eine hohe Aussagekraft. Ansonsten sind die Leistungen eines Kindes vor allem in den Fächern Deutsch und Mathematik in der Grundschule sehr aussagekräftig.
Sie appellieren an die Eltern, entspannter mit Noten und Zeugnissen umzugehen. Woher kommt Ihrer Ansicht nach der „Akademisierungswahn“?
Hier spielen die aus meiner Sicht unsinnigen Forderungen der OECD und von Stiftungen wie der Bertelsmann Stiftung eine unrühmliche Rolle. Diese Einrichtungen wollen uns glauben machen, wir bräuchten in Deutschland mehr Abiturienten und Akademiker. Das ist Quatsch. Aber leider bleibt das in den Köpfen mancher Eltern haften.
Jede Schule bietet ein eigenes Profil an. Eltern sollten sich im Internet darüber informieren. Nahezu jede Schule hat heute einen Internet-Auftritt. Außerdem bieten alle weiterführenden Schulen Informationsveranstaltungen und Tage der offenen Tür für Eltern an. Diese Termine sollte man unbedingt wahrnehmen, dann fällt die Entscheidung leichter.
Halten Sie eine Montessori- oder Waldorfschule für eine Alternative zu einer „regulären“ allgemeinbildenden Schule?
Diese Schulen haben bislang keinerlei Beweis erbracht, dass ihre Schüler bei Leistungstests besser abschneiden. Eltern müssen es sich gut überlegen, ob sie ihre Kinder dorthin schicken. Denn üblicherweise müssen Schüler dieser Schulen, wenn sie einen Abschluss haben wollen, als so genannte externe Prüflinge an Abschlussprüfungen einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schule teilnehmen.
Anm. d. Red.: Das sieht Henning Kullak-Ublick ganz anders – in diesem Artikel räumt er auf mit vielen Vorurteilen: Waldorfschule: Das erwartet Kinder und Eltern
Was sind Alarmsignale, bei denen Eltern über einen Schulwechsel nachdenken sollten?
Jetzt ohne Frust spielerisch lernen – in der scoyo Lernwelt:
Zum Schluss noch eine etwas allgemeinere Frage: Deutschland hinkt bei mehreren EU-Bildungszielen weit hinterher, unter anderem bei der Abiturientenquote und dem Anteil der Hochschulabsolventen. Wie zukunftsfähig ist unser dreigliedriges Schulsystem?
Wir haben kein dreigliedriges, sondern ein vielfach gegliedertes Schulwesen. Wenn man die hochdifferenzierten Förderschulen und vor allem die Vielfalt der berufsbildenden Schulen anschaut, dann wird das klar. Wir sollten auch endlich aufhören, andere Länder zum Vorbild zu nehmen. Was bringt es, wenn etwa Finnland angeblich tolle PISA-Ergebnisse und über 60 Prozent Abiturientenquote hat, am Ende aber über 20 Prozent arbeitslose Jugendliche herauskommen? Deutschland, die Schweiz und Österreich haben die niedrigsten Abiturientenquoten, zweifelsohne aber auch die besten Wirtschaftsdaten und eben auch die niedrigsten Quoten an arbeitslosen Jugendlichen. So einfach ist das.
Josef Kraus, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands
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Josef Kraus
Josef Kraus ist seit 1987 Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Seit 20 Jahren leitet er zudem ein Gymnasium in Bayern. Als Autor veröffentlichte er unter anderem das Buch „Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung“. In schulpolitischen Debatten gilt Josef Kraus als Verfechter einer klar strukturierten Schullandschaft, eines wissensorientierten Unterrichts, eines altersgerechten Leistungsprinzips, zentraler Abschlussprüfungen bei allen Schulabschlüssen und eines umfassenden Verständnisses einer Bildung, bei der auch kulturelle und übernützliche Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Kraus: „Schulen ohne Zeugnisse – das ist naive Romantik. Schule kann nicht ohne eindeutige Leistungsbilanzen existieren, sonst befände sie sich in einem Elfenbeinturm.“
Mehr zur Frage: Gymnasium – oder nicht?
Auf Zeit.de ist am 21. Dezember 2015 ein Artikel erschienen mit dem Titel: “Lernen vom Scheitern: Jeder zehnte Sechstklässler muss das Gymnasium verlassen. Warum wählen so viele Familien die falsche Schule?”
Interessante Auszüge (zum ganzen Artikel):
- Stadtteilschule oder Gymnasium – Für viele Eltern geben soziale Faktoren den Ausschlag: Auf welche Schule gehen die Freunde? Auf welche die Geschwister? Dagegen ist selten etwas einzuwenden. Aber oft spielen auch Mythen eine Rolle, Vermutungen darüber, welche Schulen und welche Schulformen wie gut sind. Mit der Wirklichkeit hat das meist wenig zu tun.
- Die Frau aus der Schulbehörde sagt: “(…) Der Druck auf dem Gymnasium ist hoch in den ersten beiden Jahren. Ich würde Ihnen dringend raten, die Einschätzung der Grundschullehrer ernst zu nehmen, ob Ihr Kind das schaffen kann.”
- Mehr als die Hälfte der Eltern melden ihre Kinder im fünften Schuljahr an einem Gymnasium an, jeder vierte unter ihnen tut das gegen den ausdrücklichen Rat der Grundschullehrer. Wer Eltern nach ihren Beweggründen fragt, hört, dass die Grundschullehrer ihr Kind einfach nicht einschätzen könnten; dass die Freunde auch aufs Gymnasium gingen; dass Großeltern und Nachbarn das eben erwarteten. Und oft, dass man es ja mal ausprobieren könne, ob das Kind es nicht doch am Gymnasium schaffe.
- Wie schlimm ist der Schulwechsel für die Kinder? Es gibt unter Lehrern sehr unterschiedliche Meinungen dazu. Einige sagen, die enttäuschten Seelen brauchten nach zwei Jahren des Versagens mindestens sechs Monate, um wieder Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Andere halten das für übertrieben. In dem Alter tue ein Wechsel vielen sogar gut. “Wie war es denn bei euch?”, fragt Stöck die Schüler der 8e. “Ich hab gedacht, ich bin doof”, sagt ein Junge. “Man ist dann ja der Außenseiter auf dem Gymnasium, der Versager, der zu dumm ist.”
- Eltern sollten sich womöglich vor allem eins klarmachen: Die Wahl der weiterführenden Schule ist bei Weitem keine so lebensprägende Entscheidung mehr, wie sie es vor einigen Jahren noch war.
In dem Artikel “Glücklich ohne Gymnasium” von Magazin Schule werden Alternativen zum Gymnasium ausführlich vorgestellt: magazin-schule.de
Bald gibt es Halbjahreszeugnisse. Für die meisten Kinder und Jugendlichen ist das kein Grund zur Sorge: Mehr als die Hälfte freut sich darauf. Das zeigt eine FACT-Umfrage unter 714 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 14 Jahren im Auftrag des Online-Lernspezialisten scoyo.
Eltern teilen die Sorglosigkeit nicht: 83 Prozent von ihnen halten laut einer forsa-Umfrage* zusätzliche Lernangebote für sinnvoll. Josef Kraus, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands (DLV) bestätigt: „Häufig leiden Eltern mehr unter den Zeugnissen als die Kinder selbst.“
Die wichtigsten Ergebnisse der Umfrage im Überblick:
Die meisten Kinder freuen sich auf das Zeugnis
Insgesamt sehen die meisten Sechs- bis 14-Jährigen ihren Zeugnissen gelassen entgegen. 55 Prozent freuen sich darauf – von den Sechs- bis Achtjährigen sogar zwei Drittel.
Je älter die Schulkinder, desto gestresster sind sie
Während nur drei Prozent der Sechsjährigen Angst vor den Zeugnissen haben oder sich gestresst fühlen, gab fast jeder Dritte der 14-Jährigen an, vor den Zeugnissen gestresst zu sein. Zwölf Prozent in dieser Altersklasse berichteten zudem, dass ihnen die Zeugnisse Angst machen.
Zufriedenheit mit Noten verändert sich
Nur knapp vier Prozent der Achtjährigen sind mit der Note Vier zufrieden. Unter den 14-Jährigen hingegen finden 14 Prozent ein „Ausreichend“ in Ordnung.
Vorsätze für das kommende Halbjahr – weitermachen wie bisher
Beinahe jeder Zweite will nach den Zeugnissen „so weitermachen wie bisher“. 28 Prozent nehmen sich vor, Wege zu finden, um Inhalte besser zu behalten und besser lernen zu können. Neun Prozent planen, künftig mit ihren Freunden zu lernen.
Wunsch nach Lob und Trost
Drei von fünf Kindern wünschen sich elterliches Lob für ihre Leistungen, jedes dritte Kind hofft auf eine Belohnung. 39 Prozent wünschen sich von den Eltern Aufmunterung, wenn die Noten schlecht sind.
Die Umfrage gibt Eltern einen wichtigen Hinweis, wie sie richtig auf Zeugnisse reagieren: „Eltern sollten sich bewusst machen, wie sehr Kinder Lob und Anerkennung für ihre Anstrengungen brauchen – gerade auch bei schlechten Noten“, kommentiert Daniel Bialecki, Geschäftsführer von scoyo.
In den Gesprächen zwischen Eltern und Kindern solle es aber nicht nur um die schulischen Leistungen gehen. Wichtig sei die Rückmeldung der Eltern zu Fähigkeiten, für die es in der Schule keine Noten gibt – zum Beispiel zu sozialen oder charakterlichen Stärken.
Deshalb hat scoyo eine Vorlage für ein etwas anderes Zeugnis entwickelt. „Damit möchten wir Eltern einen kleinen Anstoß geben, wie so ein Feedback konkret aussehen könnte“, erzählt Bialecki. Mit ihrem persönlichen Zeugnis können Eltern ihrem Nachwuchs zeigen, dass Noten zwar wichtig sind (und sein werden), er aber auch noch weitere tolle Talente hat, die im Schulzeugnis nicht zur Geltung kommen können.
So reagieren Eltern richtig auf schlechte Noten – Tipps von Experten
Wie können Eltern ihre Kinder unterstützen, wenn das Zeugnis schlechter ausfällt als erwartet? Diese Frage stand im Zentrum des dritten Digitalen Elternabends von scoyo am 21. Januar. „Vor allem nicht in Panik verfallen, auf keinen Fall schimpfen, sondern in Ruhe mit dem Kind schauen, wo die Ursachen liegen“, rät Lerntrainerin Angelika Stein in der Online-Expertendiskussion.
Die Mediatorin und Bloggerin Gabriele Patzschke empfiehlt Eltern, vor allem die guten Leistungen anzusehen: „Ich finde dieses defizitorientierte Zeugnisbetrachten so traurig. Schaut man auf das, was das Kind gut kann, gibt das unglaublichen Rückenwind.“
Der DLV-Vorsitzende Josef Kraus empfiehlt Eltern, im Zweifelsfall das Gespräch mit den Lehrkräften zu suchen: „Eltern haben einen Anspruch darauf, dass man ihnen die Noten erklärt.“
Insgesamt rät er, wie alle in der Runde, zu mehr Gelassenheit: Die Zukunft der Schülerinnen und Schüler entscheide sich nicht in Klasse vier, und das Abitur könne man auch ohne den direkten Weg auf dem Gymnasium machen.
*Repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag von scoyo im Dezember 2014. Befragt wurden 1.004 Eltern von Kindern im Alter zwischen sechs und 14 Jahren.