Kolumne zum Thema Kind und Karriere: I put the „vereint“ in „Vereinbarkeit”

Katharina Looks

Béa Beste hat es geschafft, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Dabei ging es für sie nie darum, alles irgendwie miteinander zu vereinbaren, sondern Vereinbarungen mit anderen zu treffen. Ein Erfahrungsbericht.

13.05.2015

Vereinbarkeit beginnt im Kopf, habe ich mir schon immer gedacht. Genauso wie jeder, der das liest, bin auch ich geprägt durch das Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin.

Die Bilder der Kindheit tragen wir im Bewusstsein ein Leben lang

In der rumänisch-französischen Community, in der ich im Bukarest der 70er und 80er Jahre aufwuchs, waren uns schon im Kindergartenalter die Mütter suspekt, die „nur“ zu Hause waren. Indiskutabel für uns Kinder: Sie achteten darauf, was wir mittags aßen und mit wem wir draußen spielten, und maulten, dass wir die Hausaufgaben machen sollten. Da waren uns die Omas lieber, die konnte man leichter austricksen. Und die Mütter, die arbeiteten, waren sowieso cooler. Ich bin aufgewachsen mit dem inneren Leitbild, dass gute Eltern arbeiten und dass die Kinder werktags sich selbst und den Großeltern überlassen werden.

Kind und Karriere: Ein gemeinsames Verständnis in der unmittelbaren Familie ist wesentlich

Als ich Mutter wurde, mitten im Studium, war mir klar, dass es mit guter Betreuung und starkem Willen weitergeht – obwohl ich da meinem Baby keine Großeltern meinerseits zu bieten hatte, denn meine Mutter und meinen Vater hatte ich früh verloren.

Meine angeheiratete Familie war im Allgemeinen eher südwestdeutsch und kleinstädtisch geprägt, aber in dieser Hinsicht doch sehr fortschrittlich: Meine damalige Schwiegermutter war eine couragierte Unternehmerin, die mit ihrem Mann zusammen in den 50ern eine ganze Schmuckfabrik aufgebaut hat – Babytrage im Betrieb inklusive. Sie sicherten mir Hilfe zu und lösten das Versprechen auch ein, trotz einer Wohndistanz von 800 km.

„It takes a village to raise a child“, sagt man in Afrika. Es stimmt.

Das war nur der Anfang meines Erziehungs-„Vereins“: Tagesmütter waren knapp in Berlin, zum Weiterstudieren habe ich mich mit zwei anderen Frauen mit Babys organisiert: Ich hatte an zwei Tagen pro Woche ca. 7 Stunden lang 3 Kinder bei mir, an drei Tagen konnte ich unbegrenzt zur Uni gehen, bis abends. 

4. Digitaler Elternabend, noch einmal anschauen im ELTERN! Magazin

4. scoyo-Elternabend: Beruf und Familie vereinbaren

Auch ein Teilzeit-Modell. Als ich später zu arbeiten anfing, war mir klar: Ich will 100 % arbeiten, etwas anderes kommt nicht infrage. So habe ich gleich im Bewerbungsgespräch gesagt, dass ich ein Modell brauche, bei dem ich flexibel arbeiten kann, inklusive abends und am Wochenende. Das war damals bei SAT.1 möglich. Wir haben uns geeinigt, dass ich zu allen Meetings und Besprechungen da sein muss – alles andere konnte ich flexibel handhaben. So teilte ich mir die Woche mit meinem (inzwischen Ex-)Mann: Ja, mein Kind hatte zwei Orte, an denen es wohnte. Wir haben mit Nachbarn und anderen „Mit-Eltern“ ein Rotationsprinzip aufgebaut, so dass jeder von uns mal einen Nachmittag hatte, an dem er auf mehrere Kinder aufgepasst hat, und dann wieder ganz viele Nachmittage „frei“ – natürlich frei zum Arbeiten.

Als mein Kind 10 Jahre alt war, nahm ich einen neuen Job bei der Boston Consulting Group an, Top-Management-Beratung, bekannt dafür, dass die Berater meistens die ganze Woche weg sind. Auch dort konnte ich einen Sondervertrag verhandeln, bei dem ich mehr Freiheit bezüglich Reisezeiten hatte. Zwei Wochen, nachdem ich diesen Vertrag unterschrieben hatte, teilte mir der Vater meines Kindes mit, dass er in eine andere Stadt ziehen würde. Ich holte tief Luft und organisierte um: Teilweise bezahlte ich eine Nanny dafür, bei meiner Tochter zu sein, teilweise verbrachte meine Tochter die Nächte bei Freunden – die wiederum ganz froh waren, wenn ich ihre Kinder am Wochenende oder in den Ferien nehmen konnte. Ich hatte inzwischen fast so etwas wie eine „Kinderbetreuungskooperative“ aufgebaut.

Vielleicht geht es nicht um Vereinbarkeit von Kinder und Karriere – sondern um Vereinbarungen unter Menschen

Ich kann noch viele Details erzählen, aber das Wesentliche ist, dass ich alle Menschen einspannte, die sich einspannen ließen. Und dass ich dann mit gutem Gewissen selbst auf eine Meute von Kindern aufpasste – so kann man auch das Einzelkind-Thema lösen, habe ich mir gedacht. Ich war geschieden, aber nie alleinerziehend.

Ich musste nicht meine Karriere und meine Familie irgendwie miteinander „vereinbaren“ – sondern ich musste mit anderen Menschen Vereinbarungen treffen, damit das, was ich wollte, funktionierte. Wir haben es in einer kleinen Gemeinschaft geschafft, dafür „vereint“ zu sein.

PS: Ich bin mit allen Menschen, mit denen ich mein Kind gemeinsam erzogen habe, noch immer gut befreundet. Unsere Kinder haben sich gut entwickelt, studieren und sind selbst miteinander in sehr schönen Freundschaften verwoben. Ich wüsste von keinem der Beteiligten, der aus diesem Modell eine Macke mitgenommen hätte. Ganz im Gegenteil: Wir leben unsere tollen Freundschaften weiter aus und würden uns als Großeltern nochmal genauso organisieren.

Eine Kolumne von Béa Beste

Über Béa Beste

Bildungsunternehmerin © Béa Beste Béa Beste ist Bildungsunternehmerin und Mutter einer großen Tochter, die sich schon im Studium befindet. Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin plädierte Béa Beste als Expertin im Bereich „Wie wollen wir lernen?“ für eine Lernkultur der Potenzialentfaltung und mehr Heiterkeit in der Bildung. Béa gründete 2006 die bilingualen Phorms Schulen. Nach sechs Jahren als CEO ging sie 2011 auf Bildungsexpedition durch Indien, Australien, Indonesien und die USA. Inspiriert von internationalen Bildungsinnovationen entwickelte sie das Playducation Konzept: Was wäre, wenn sich Lernen wie Spielen anfühlt? Leider setzte sich das Produkt, die monatliche Tollabox mit Materialien und Ideen für Familien mit Kindern ab drei Jahren, nicht am Markt durch, sodass Béa derzeit neue Ideen entwickelt, um das Konzept digital umzusetzen. Sie führt den Kreativ-Blog der Tollabox als ‘Tollabea’ weiter

Webseite: www.tollabea.de

Twitter: @TOLLABEA | twitter.com/TOLLABEA

Die Kolumne “Die Elternflüsterer”

Im Wechsel flüstern der Journalist Christian Füller und Bildungsunternehmerin Béa Beste den Eltern Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens ins Ohr. 

Die Sache mit der Schrift ist ganz einfach: Lasst sie frei!

Katharina Looks

Mit welcher Schrift sollten Kinder schreiben lernen? Da gehen die Meinung auseinander.
© Béa Beste

Vereinfachte Ausgangsschrift, Schulschrift, Druckbuchstaben, Tippen lernen … Wahrscheinlich gibt es wenig, was die Gemüter von Eltern und Lehrer derzeit so erhitzt, wie das Thema Schrift. Béa Beste fleht: “Aufhören, bitte!”

08.06.2015, Kolumne “Die Elternflüsterer”

Eltern wie Lehrer werden schnell zu Anhängern, Evangelisten oder gar Kriegern der einen oder anderen Schrift-Glaubensrichtung, wenn die Diskussion über die richtige Schrift anfängt. Ich flehe: Aufhören, bitte!

Am wichtigsten ist die Freude am Schreiben und Lesen, am besten mit allen Instrumenten, die es in unserer Welt gibt. So einfach ist das. Easy dahin gesagt? Nein, diese Meinung habe ich über Jahre entwickelt. 

Als Kinder der 70er Jahre in Rumänien war ich Opfer

Als Architektenkind habe ich durch Nachahmung gelernt. Ich schnappte die Rapidographen meiner Eltern und fing an, Buchstaben zu konstruieren. Das machen Architekten. Sie schreiben nicht, sie bauen Buchstaben. Ich hatte schnell diesen aufrechten, klar gezogenen Architektenstil drauf und machte meine Eltern stolz. Mit fünf Jahren durfte ich sogar kleine Beschriftungen auf den Entwurfsplänen meiner Mutter übernehmen. Dass das nahezu meine gesamte Grundschulzeit zur Hölle werden lassen würde, hatte damals keiner geahnt.

Mein erster Schreibversuch mit einem Tintenfüller wurde ein Fiasko. Ich hielt ihn falsch und mich auch nicht an das, was meine Klassenlehrerin von mir wollte. Ich schrieb. Schnell und flüssig. Ich fühlte mich stark und sachkundig. Den Schlag mit dem Holzlineal auf meine Finger sah ich nicht kommen. Er schmetterte meinen Füller ins Gesicht und brannte scheußlich auf den Fingerknöcheln. In meinem Gesicht vermischten sich Tintenflecken und Tränen. Ich wollte nie wieder schreiben.

Ich war immer gut in Zeichnen und Kunst, doch Schreiben für und in der Schule wurde für mich der Horror. Zuhause gestaltete ich Schriftplakate in Architektenschrift, um mich vor den Hausaufgaben zu drücken. Erlöst wurde ich in der fünften Klasse, auf dem Gymnasium, als es plötzlich hieß, wir dürften mit Bleistift und Kugelschreiber schreiben – und das ganz so, wie wir wollten. Auf einmal hatte ich die meistgelobte Schrift in der Klasse – von Fachlehrern, die einfach nur dankbar waren, dass sie meine Schrift lesen konnten und diese auch noch gut aussah. Warum nicht gleich so? Ich hasse meine Grundschullehrerin zutiefst. Heute noch.

Als Mutter habe ich mich durchgemogelt

Auch meine Tochter fing früh an, sich für die Welt der Buchstaben zu interessieren. Ihr liebstes Spiel waren Moosgummibuchstaben, die beim Baden in der Badewanne schwammen. Und als sie mit 5 Jahren drei Wochen Ferien mit Oma und Opa verbrachte, fing sie an, mir kleine, geschriebene „Mama ihc hab dihc lib“- Zettel in die Taschen zu stecken. Mit Argwohn und Vorsicht betrachtete ich die ersten Schreibversuche in der Schule. Aber hey, als gute U-Boot-Mama hatte ich keinen Alarm auf dem Radar. Das Kind schrieb mit normaler Geschwindigkeit, mittelmäßiger Begeisterung – und einigermaßen korrekt. Die Lehrerin hatte nichts zu meckern und dabei blieb es. Ich war für die schlimmsten Konflikte gewappnet – nur gab es keine. Nicht zum Thema Schrift.

Als Schulgründerin habe ich eine Haltung entwickelt

Ganz anderes wurde es, als wir in neu gegründete Schulen entscheiden mussten, was würdevoll genug für unser Konzept ist. Ich habe endlose Recherchen, Diskussionen mit Experten, Lehrern, Legasthenie-Spezialisten und ganz vielen Müttern, Vätern, Omas, Opas und sonstigen Familienmitgliedern unserer Schüler hinter mir. Und genau diese Auseinandersetzung hat mich zu dem Fazit oben gebracht.

Also: Geht jedem Schreibdogma aus dem Weg!

Die Diskussion um die richtige Schrift für Kinder kann man mit der zum Thema Trinken beim Essen vergleichen. Seit Menschen die Medizin erfunden haben, wechseln alle paar Jahre die Empfehlungen: Man solle beim Essen bloß nicht trinken, weil es die Magensäfte verdünne. Man solle beim Essen wohl trinken, weil es für eine bessere Durchfeuchtung des Magen-Darm-Traktes sorge. Was tun? Die Antwort ist einfach. Das einzig Wahre ist: DURST. Der Körper meldet sich schon. Trinkt einfach, wenn ihr Durst habt. Dann ist es richtig für den Körper.

Und so ist es auch mit den Kindern und dem Lesen und Schreiben! Wenn sie Durst nach Buchstaben haben, dann stillt einfach diesen Durst! Geht spielerisch den Formen nach, habt Spaß daran.

Und dabei ist es mir noch wichtig, dass das Tun mit den Händen nicht verkümmert. So wichtig wie das haptische Verstehen unserer Welt durch Spielen und Experimentieren, ist es auch, dass Kinder mit der Hand und Stiften, Pinsel, Wäscheklammern und allen anderen möglichen Instrumenten das Konstruieren von Buchstaben und Schriften BEGREIFEN. Als etwas, das lustvoll ist. Als eine wunderbare Möglichkeit, Gedanken auszudrücken und anderen Menschen zugänglich zu machen.

Aber macht euch nicht verrückt. In keinem Zusammenhang passt der Spruch besser, als wenn es um das Thema Handschrift geht: „Was du liebst, lass frei. Kommt es zu dir, dann gehört es dir, für immer.“

Eine Kolumne von Béa Beste

Über Béa Beste

Bildungsunternehmerin © Béa Beste Béa Beste ist Bildungsunternehmerin und Mutter einer großen Tochter, die sich schon im Studium befindet. Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin plädierte Béa Beste als Expertin im Bereich „Wie wollen wir lernen?“ für eine Lernkultur der Potenzialentfaltung und mehr Heiterkeit in der Bildung. Béa gründete 2006 die bilingualen Phorms Schulen. Nach sechs Jahren als CEO ging sie 2011 auf Bildungsexpedition durch Indien, Australien, Indonesien und die USA. Inspiriert von internationalen Bildungsinnovationen entwickelte sie das Playducation Konzept: Was wäre, wenn sich Lernen wie Spielen anfühlt? Leider setzte sich das Produkt, die monatliche Tollabox mit Materialien und Ideen für Familien mit Kindern ab drei Jahren, nicht am Markt durch, sodass Béa derzeit neue Ideen entwickelt, um das Konzept digital umzusetzen. Sie führt den Kreativ-Blog der Tollabox als ‘Tollabea’ weiter

Webseite: www.tollabea.de

Twitter: @TOLLABEA | twitter.com/TOLLABEA

Die Kolumne “Die Elternflüsterer”

Im Wechsel flüstern der Journalist Christian Füller und Bildungsunternehmerin Béa Beste den Eltern Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens ins Ohr. 

Digital Detox: Ein Wochenende Smartphone-Fasten

Katharina Looks

Kann ein Wochenende ohne Handy klappen?
© Fotolia.com

Digitales Fasten: sinnloser Trend oder heilbringendes Erlebnis? Unsere Redakteurin macht den Selbstversuch. Eine Kolumne über digitale Abhängigkeit und ein Wochenende ohne Technik.

Eigentlich bin ich kein Freund von Trends. Okay, in der Schule habe ich weite Schlaghosen und enge Tattoo-Halsbänder getragen. Aber die Zeiten sind vorbei. Ich hab mich weiterentwickelt, bin jetzt erwachsen und so. Ein Trend aber läuft mir in letzter Zeit immer wieder über den Weg: Digitales Fasten. Für einen bestimmten Zeitraum einfach mal bewusst auf digitale Technik verzichten? Ich bin dabei!

Wie ich diese verrückte Idee gut finden kann? Ich fühle mich abhängig. Im Alltag muss ich mich oft selbst ermahnen, doch nicht ständig aufs Smartphone zu schauen. Beim Essen lasse ich es absichtlich in einem anderen Raum liegen mit dem unguten Gefühl, es könnte ja genau jetzt jemand Wichtiges anrufen oder schreiben. Katastrophe, wenn ich es einmal zu Hause vergesse. Nicht nur, weil der Kindergarten anrufen könnte, weil mein Sohn sich beim Kneten die Nase gebrochen hat, sondern auch, weil ich mich unvollständig fühle. Abgeschnitten.

Ich und Smartphones – eine Hass-Liebe

Und das, obwohl ich mich bis vor etwa eineinhalb Jahren standhaft gewehrt habe, diese ganze Smartphone-Manie mitzumachen. Mir reichte mein altes Nokia-Tastentelefon. Anrufe und SMS.

Dann schenkte mir mein Bruder sein altes Smartphone und es war schneller um mich geschehen, als ich Facebook-Messenger sagen konnte: Morgens nach dem Aufstehen in die Wetter-App schauen, auf dem Weg zur Arbeit E-Mails lesen, über den Facebook-Gruppenchat den Städtetrip nach Amsterdam planen,  abends dem Kind noch ein Wir-bauen-irgendwas-aus-Lego-Youtube-Video zeigen, auf dem Sofa meine Pinterest-Pinnwande bestücken und nachts im Bett noch den letzten Tatort schauen, den ich verpasst habe, weil der Knirps nicht pünktlich Sonntag um 20:15 Uhr schlafen wollte. Nur What’s App habe ich bis jetzt nicht installiert. Brauche ich nicht, sagt der rest-rebellische Handy-Höhlenmensch in mir. Höhö.

Ein Schlüsselerlebnis

Der Kurze und ich sind auf dem Weg ins Schwimmbad, er: „Mama, kann ich das Lied mit der Sssokolade hören?“ Ich will über den Bildschirm wischen, aber nichts geht mehr. Rien ne vas plus. Die nächsten Stunden fühle ich mich so unruhig, meine Gedanken kreisen nur um das eine: Mein Smartphone. Oh Gott, wenn es jetzt kaputt ist? Wenn ich jetzt ein Neues kaufen muss!? All meine Daten! Aaaah. Nach etlichen Stunden funktioniert es wieder. Ich bin unglaublich erleichtert.

Ich bin jetzt also offiziell das, was ich nicht sein wollte: Ein Smartphone-Junkie. Vielleicht brauche ich mal eine Pause, einen kalten Entzug.

Ja, so sieht meine persönliche Bedürfnispyramide auch aus…
© scoyo

Digital Detox: Ein Wochenende Smartphone-Entgiftung

Am Wochenende fahren wir zu meiner Mutter aufs Land, da ist der Handyempfang eh schlecht und das W-Lan ein Witz. Ich habe keine Verabredungen und muss also nicht zwingend telefonieren oder schreiben. Ich mache mein Handy einfach aus. Ein ganzes Wochenende lang. Huh, bei dem Gedanken schaudert es mich ein bisschen.

Ich packe unsere Sachen ein, schaue noch ein letztes Mal auf mein Display. Ja, nehme ein bisschen so etwas wie Abschied. Dann schalte ich das Handy aus. Und lasse es zurück in unserer Stadtwohnung. Ich will mich ja nicht selbst betrügen. Schei…benkleister, wann fuhr nochmal der Bus?

Erste Entzugserscheinungen

Wieder und wieder überkommt mich der Impuls, in meine Tasche nach dem Smartphone zu greifen. Mein Handy dient mir auch gleichzeitig als Uhr. Woher soll ich denn nun bloß wissen, wie spät es ist? Vielleicht von der Zeitanzeige im Fahrgastfernsehen. Oder den Uhren am Bahnsteig. Oder am Straßenrand. Irgendwie schaffen wir es, pünktlich den Bus ins Nirgendwo zu erwischen.

Das Gefühl, aufs Telefon schauen zu wollen, wird den ganzen Tag über immer schwächer. Ich vermisse nichts, genieße einfach die Sonne, den herrlichen Garten, meine Mutter, meine Familie. Blumen auspflanzen, grillen, durch den Rasensprenger hüpfen, Lagerfeuer machen. Nur abends im Bett fühle ich mich ein bisschen einsam. Eigentlich bin ich so müde, dass ich sofort schlafen könnte. Aber mir fehlt die Routine, noch ein bisschen durch Netz zu geistern, bevor ich den Flugzeugmodus einschalte und die Augen schließe. Nicht nur Kinder brauchen Einschlaf-Rituale. Ich fahre noch kurz Gedanken-Karussell und drifte dann doch ziemlich schnell ins Traumland ab.

Nach einem ausgedehnten Sonntags-Frühstück machen wir einen langen Spaziergang. An den Feldern entlang, um den See herum. Der Sohn schaut mich erwartungsvoll an, lächelt verschmitzt. Ich nicke. In Windeseile pellt er sich aus den Klamotten und traut sich ins dunkelgrüne Wasser. Zuckt zusammen und zieht den Bauch ein, als seine Füße ins kalte Nass eintauchen. Diesen Moment würde ich gerne festhalten. Ein paar Fotos machen. Da muss wohl mein löchriges Gedächtnis herhalten, denn mein Multifunktions-Tool ist ja zu Haus geblieben.

Das Wochenende war herrlich entspannt. Am Sonntagabend bin ich aber trotzdem froh, bald nach Hause zu kommen. Mein Smartphone wieder einzuschalten. Wann fährt der Bus zurück ins digitale Leben? Gott sei Dank hat meine Mutter einen Faltplan da.

Lesson learned: Digitales Fasten kann befreien, aber …

Und, was habe ich vom digitalen Fasten gelernt? Ich bin leichter geworden. Nicht körperlich. Aber die Last abzuwerfen, ständig kommunizieren zu müssen, zu reagieren, ist schön. Sich von den Erwartungen der Freunde zu befreien, ständig erreichbar zu sein. Für Tage, an denen ich wirklich entspannen möchte, mich nur auf mich und meine Familie konzentrieren will, ist das wunderbar. Ganz bewusst abschalten.

Nicht kommunizieren zu können dagegen macht mich unsicher und belastet mich eher, als dass es mich befreit. Das Smartphone gehört einfach zu meinem Leben dazu, zum Kommunikationsverhalten meiner Generation. Der “Generation y”, den angeblich ersten Digital Natives. Was für Angela Merkel Neuland ist, ist für uns längst eine zweite Heimat.

Was mich an meiner Smartphone-Nutzung zweifeln lässt, ist wohl eher die – auch gesellschaftlich stark debattierte – Unsicherheit, was die Digitalisierung mit uns macht. Mit unseren Kindern. Unseren Gehirnen. Unseren zwischenmenschlichen Beziehungen. Unserer Gesellschaft. Mit der Welt.

Mein Digital-Detox-Wochenende hat mir vor allem gezeigt, dass ich mich davon noch stärker abgrenzen möchte: Von den Ängsten eines “Zuviel” an Technik, der allzu großen Skepsis. Mein Smartphone bereichert mein Leben und vereinfacht Vieles. Der digitale Weg, den ich bis jetzt gegangen bin, ist für mich richtig. Ja, ich werde meine Smartphone-Nutzung weiterhin kritisch überprüfen und möchte in Zukunft vermehrt bewusste Pausen einlegen. Aber eben nur, wenn Zeit und Ort dafür richtig sind. Wenn ich es selbst möchte. Alles können, nichts müssen.

Über die Autorin

Redakteurin © Kali Richter Kali Richter studiert Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg. Sie schreibt nicht nur gerne über sondern auch für Kinder. Das gebürtige Nordlicht hat in Hamburg seine Heimat gefunden, fühlt sich aber in der Welt zu Hause, ihr Rucksack war dabei lange ihr liebster Begleiter. Seit sie 2011 Mutter eines Sohnes wurde, darf es aber auch mal Pauschalurlaub sein.

Kolumne von Eltern für Eltern 

Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie hier Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens. Alle Kolumnen ansehen.

Bildung 4.0: Warum die Schule im digitalen Zeitalter zu einem Ort des Lernens werden muss

Katharina Looks

Auch Schulen müssen sich ändern.
© zinkevych/fotolia.com

Das alltägliche Leben hat sich durch die vierte Industrielle Revolution maßgeblich verändert. Schulen müssen mitziehen. scoyo-CEO Daniel Bialecki teilt in seiner Kolumne seine Vision von erfolgreichem Lernen im digitalen Zeitalter.

Seit vielen Jahren diskutiert ganz Deutschland über den Einfluss der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft und die Arbeitswelt. Was dabei in meinen Augen leider oftmals zu kurz kommt, sind die daraus resultierenden Konsequenzen für unser Bildungssystem. Die Ausbildung unserer Kinder muss sich zwangsläufig verändern, möchten wir sie für das digitale Zeitalter gerüstet sehen. Da hilft es wenig, über die digitale Transformation der DAX-Konzerne zu sprechen, wenn das Fundament dieser ganzen Entwicklung, unser Bildungssystem, derzeit noch auf sehr wackligen Beinen steht. Wenn wir also mit vollem Eifer über die digitale Transformation der Arbeitswelt sprechen, sollten wir dies ebenso mit voller Inbrunst für unser Bildungssystem tun.

Die Zeit des allwissenden Gatekeepers ist vorbei

Wissen in jeglicher Form war einst ein sehr kostbares Gut, das nur in bestimmten Institutionen zugänglich war (Bibliotheken, Universitäten, Schulen). Doch angesichts der rapide sinkenden Halbwertszeit des Wissens in einer sich immer rascher transformierenden Welt stehen wir vor einem Paradigmenwechsel: Strukturen verändern sich, Altes wird in Frage gestellt, Neues kommt dazu. Langfristig muss daher auch die Schule eine Transformation von einem Ort des Lehrens zu einem Ort des Lernens durchlaufen. Das Erarbeiten von Wissen, das derzeit noch wesentlicher Bestandteil der Schule ist, würde dann perspektivisch nicht mehr in der Schule, sondern überwiegend zu Hause stattfinden. Natürlich noch nicht in der Grundschule, aber durchaus im fortgeschrittenen Schulalter.

Der Lehrer wird zum Mentor

Eine solche Entwicklung hätte auch zur Konsequenz, dass eine andere Art von Lehrer benötigt wird. Überflüssig wird er nie werden, aber seine Funktion wird sich ändern. Ein Lehrer im fortgeschrittenen Schulalter wäre dann kein Wissensvermittler mehr im klassischen Sinne, sondern vielmehr ein Coach und Mentor. Gerade eben weil die Zeit eines allwissenden Gatekeepers vorbei ist, muss ein zukunftsorientiertes Bildungssystem der Frage nachgehen, wie man aus vorhandenem Wissen Kompetenzen aufbauen kann. Wie dieses Wissen sinnvoll im realen Alltag eingesetzt werden kann. Wissen, das sich die Schüler zu Hause selbst aneignen, sollte deshalb in der Schule unter Einbeziehung von konkreten Anwendungsbeispielen vertieft und verinnerlicht werden. Es muss auf reale Lebensbereiche übertragen werden und die Schüler somit auf das Leben vorbereiten. Der Lehrer steht den Schülern dann fortan als Coach zur Seite, erklärt, was noch nicht verstanden wurde und vertieft das, was bereits verständlich ist. Ein solcher Ansatz und Rollentausch von „Hausaufgaben“ und Stoffvermittlung ist bereits im Prinzip des Flipped Classrooms  zu erkennen und findet in Deutschland auch bereits an einigen Schulen statt. Eine systematische Integration dieses Ansatzes, nicht nur an den Schulen selbst, sondern natürlich auch im Studienplan eines Lehramtsstudiums, wäre wünschenswert.

Wir brauchen eine offene, mutigere Bildungspolitik

Das ist nur eine von vielen notwendigen  Veränderungen, die unser Bildungssystem durchlaufen muss, um unsere Kinder auf die Welt da draußen vorzubereiten und ihnen vor allem wieder mehr Spaß am Lernen zu vermitteln.  Denn immer dann, wenn der Zweck des Lernens in den Augen der SchülerInnen kein reiner Selbstzweck ist, kann Lernen große Freude bereiten. Wir brauchen deshalb eine offene, eine mutigere Bildungspolitik. Wir müssen den Status Quo unseres Bildungssystem viel öfter hinterfragen. Ein bisschen weniger Engstirnigkeit, ein bisschen mehr Startup-Spirit. Denn mit genau diesem Antrieb kommen Kinder eigentlich auf die Welt. Sie wollen lernen und Neues entdecken. Und stellen ganz, ganz viele Fragen. Das alles sind ideale Voraussetzungen für die Institution Schule.

Über den Autor

Daniel Bialecki ist seit 20 Jahren im Bereich der digitalen Wissensvermittlung tätig und beschäftigt sich seitdem damit, wie richtig gute Bildung im digitalen Zeitalter aussehen kann. Seit über 10 Jahren konzentriert sich der Dreifach-Vater speziell auf erfolgreiche Lernprozesse von Kindern im Zusammenspiel mit deren Eltern und Lehrern. Gemeinsam mit Pädagogen und renommierten Geschichtenentwicklern baute er von 2007 bis 2009 die virtuelle Lernumgebung von scoyo mit auf. Seit 2014 ist er scoyo-Geschäftsführer.

Digitale Potenz: Warum die uneingeschränkte Digitalisierung ein Segen für unsere Kinder ist! – Eine Polemik

Katharina Looks

Digitale Bildung ist ein Thema, an dem zur Zeit wirklich keiner vorbei kommt.
© Cody Berg/Unsplash

Sie verfolgen die Debatte um digitale Bildung verzweifelt, unentschlossen, besorgt? Nach diesen 6 Argumenten von scoyo-Kolumnist Christian Hanne werden auch die größten Pessimisten laut fordern: “Digitale Macht den Kindern!”

Als Eltern haben Sie sich sicherlich schon einmal Gedanken über das Medienverhalten Ihrer Kinder gemacht. (Wer dies verneint, werfe das erste Smartphone!) Haben täglich mehr als acht Stunden am Handy einen schlechten Einfluss auf schulische Leistungen? Ist „Call of Duty“ ein angemessenes Spiel für einen Vierjährigen? Hat „Bibis Beauty Palace“ eine abschreckende Wirkung und motiviert zum Lernen?

In die Ohren derart verunsicherter Eltern posaunt der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer seit Jahren seine Thesen vom schädlichen Einfluss der bösen digitalen Medien. Mit missionarischem Eifer und unter sarrazinhaft selektiver Verwendung von Statistiken führt Herr Spitzer mit populärwissenschaftlichen Büchern wie „Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen“ einen regelrechten Kreuzzug gegen Smartphones, Tablets und WLAN. Die sind für ihn schädlicher als Asbest und Nikotin.

Erst kürzlich warnte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk mal wieder vor der bedenklichen Wirkung der Digitalisierung:

„Wir ziehen uns eine Generation von Behinderten heran, ich sage es mal drastisch.  (…) Wenn sie nur wischen als Kindergartenkind, endet ihre Karriere als Putzfachkraft. Das sollte man einfach nicht machen.“

Ein Statement so behindertenfeindlich wie sozial diskriminierend, das einem den Puls in die Höhe treibt und Schaumbildung vor dem Mund verursacht. Glücklicherweise gibt es viele Journalisten, Wissenschaftler und Pädagogen, die sich inhaltlich und argumentativ mit den Spitzerschen Ansichten auseinandersetzen, so dass ich das nicht machen muss. Ich könnte es auch gar nicht. Bei mir löst die undifferenzierte Vehemenz, mit der Herr Spitzer die Digitalisierung verteufelt, den spätpubertären Reflex aus, genau das Gegenteil zu argumentieren. (Eine postadoleszente Verhaltensstörung, die davon herrührt, dass ich als Kind auf dem C64 „Donkey Kong“ gespielt habe.)

„Unsere Kinder brauchen uneingeschränkten Zugang zu Tablets, Smartphones & Co., denn nur so werden sie klug, fit und reich!“

1. Googeln macht schlau!

Herr Spitzer ist ein großer Gegner des Googelns, mindestens, wenn es Kinder und Jugendliche tun. Die Recherche im Internet führe zu oberflächlichem aber zu keinem richtigen Wissen. Bücher seien dagegen zu bevorzugen, denn da könne man sich halbwegs sicher sein, dass das stimmt, was drin steht. Eine Argumentation, die auf sehr tönernen Füßen steht. Schließlich werden die kruden, kulturpessimistischen Ansichten von Herrn Spitzer auch nicht schlüssiger, nur weil es sie in Buchform gibt. Somit liefert er gewissermaßen selbst den Gegenbeweis zu seiner eigenen Aussage.

Glücklicherweise müssen wir auch gar keine Angst haben, unsere Kinder googeln zu lassen. In einem Feldversuch, der für 42-jährige verheiratete Sozialwissenschaftler, die als Kommunikationsberater arbeiten und mit Frau und zwei Kindern in Berlin-Moabit leben, als repräsentativ gelten kann, habe ich zweifelsfrei nachgewiesen, dass das Internet sehr wohl förderlich für die Wissensvermittlung ist. Durch intensives Googeln habe ich zum Beispiel sehr viele Artikel und Aufsätze gefunden, die die Argumentation und Methodik von Herrn Spitzer kritisch hinterfragen. Dies hat mir aufschlussreiche Erkenntnisgewinne beschert, die ohne Google nicht so einfach möglich gewesen wären. Google kann also keinesfalls ein Einser-Abiturs gefährden!

2. Digitale Medien machen reich

Wenn Sie Herrn Spitzer glauben möchten – und ich hoffe, Sie möchten das nicht –, führt die Nutzung sozialer Medien zu sozialem Abstieg und macht unsere Kinder zu Trotteln, die prekären Beschäftigungsverhältnissen nachgehen müssen. Das ist natürlich grober Unfug. Genau das Gegenteil ist der Fall. Digitale Medien sind quasi Garant für sozialen Aufstieg und unvorstellbaren Reichtum. Werfen Sie einmal einen Blick in die Top-Ten der Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt. Fünf von ihnen haben ihr Dagobert-Duck-haftes Milliardenvermögen mit Online-Handel, Software-Produkten, sozialen Netzwerken oder Telekommunikation verdient.

Wir sollten unsere Kinder also nicht von den digitalen Medien fernhalten, sondern sie schon ab dem Säuglingsalter daran heranführen. Indem wir unsere Kinder zu Digital Natives erziehen, steigen die Chancen, dass sie Milliardäre werden. Und zwar – laut Forbes-Top-10 ­– auf 50 Prozent. Sie finden diese Wahrscheinlichkeitsrechnung unlogisch? Dann haben Sie sich einfach noch nicht schlau genug gegoogelt.

Reich durch den frühen Konsum digitaler Medien? Na klar! So hat jeder die Chance, der nächste Mark Zuckerberg zu werden
© Artem Beliaikin/pexels

3. Dauerzocken schult die Fingerfertigkeit

Herr Spitzer beklagt auch immer wieder, die frühzeitige Nutzung von Smartphones und Tablets sei ursächlich für motorische und sensorische Unzulänglichkeiten von Kindern, so dass sie in der Schule nicht einmal einen „Griffel halten“ können. Gerne möchte ich darauf hinweisen, dass in Schulen des 21. Jahrhunderts nicht mehr mit Griffeln auf Schiefertafeln geritzt wird. (Das hätte Herr Spitzer googeln können.) Somit müssen wir uns auch keine Sorgen machen, wenn unsere Kinder nicht mit einem Faustkeil zurechtkommen, weil sie zu viel am Touchscreen gewischt haben.

Eine zukunftsorientierte Erziehung achtet darauf, dass Kinder nicht nur viel mit dem Tablet spielen, sondern schon im Kindergartenalter täglich mehrere Stunden an der Konsole zocken. Die regelmäßige Benutzung des Controllers mit seinen unzähligen Tasten, Knöpfen und Hebeln ist eine optimale Schulung ihrer Fingerfertigkeit. Bereits nach kurzer Zeit können Kinder virtuos mit dem Controller umgehen und zaubern bei „FIFA 18“ die phantastischsten Moves auf den Bildschirm. Und zwar schneller als Herr Spitzer „Kindergarten-Fingerspiele“ sagen kann.

Wann muss man heute schon mal einen Griffel halten? Heute werden Fingerfertigkeiten durchs Zocken trainiert.
© Chris Liverani/Unsplash

4. Digitalen Sportskanonen gehört die Zukunft!

Womit ich eine weitere panikheischende These widerlegen möchte, die nicht nur Herr Spitzer immer mal wieder anführt: die Digitalisierung befördere Bewegungsmangel und Übergewicht. Durch die digitalen Medien zögen wir uns sozusagen eine Generation von Sportmuffeln heran.

Eine Angst, die wir als Eltern sehr gut nachvollziehen können. Uns alle treibt doch die Sorge um, dass unsere übergewichtigen Kinder, die ununterbrochen Chips fressend an der Konsole zocken, nicht in der Lage sind, einen Ball zu fangen, und dass ihre einzige Bewegungsaktivität darin besteht, ab und an aufs Klo zu gehen. Droht ihnen dadurch das unschöne Schicksal einer sportlichen Niete, die im Sportunterricht immer als Letzte gewählt wird? Eine soziale Demütigung, die wir unseren Kindern selbstverständlich ersparen wollen.

Trotzdem müssen wir unsere Kinder nicht aktionistisch im Turn-, Schwimm- und Leichtathletik-Verein anmelden. Die Zukunft des Sports ist nämlich der eSport! Für eSport-Turniere werden zehntausende von Tickets verkauft, erfolgreiche eSportler verdienen mittlere sechsstellige Jahresgehälter, Fußballclubs wie Schalke 04, Manchester City und Paris Saint-Germain haben eigene eSport-Abteilungen und es gibt ernsthafte Bestrebungen, dass eSport olympisch wird. Wir müssen uns also ein Beispiel an den Eiskunstlauf-Müttern vom DDR-Schlage nehmen und als Playstation-Eltern unsere pummeligen Kinder an die Konsole treiben. Es wird wahrscheinlich ihre einzige Möglichkeit sein, sportlichen Ruhm zu erlangen. Und wir müssen dann auch nicht mehr verschämt gegenüber Freunden und Verwandten eingestehen, dass unsere Kinder computerspielsüchtig sind, sondern können voller Stolz sagen: „Mein Kind ist e-Leistungssportler und trainiert vier Stunden täglich!“

Vegessen Sie Sportunterricht und Fußballtraining – Die Zukunft gehört dem eSport!
© Mali Maeder/pexels

5. Smartphones retten die Familien-Kommunikation

Für Herrn Spitzer (und nicht nur für ihn) ist es außerdem bedenklich, dass Kinder und Jugendliche ihre sämtlichen Sozialkontakte über den Bildschirm erledigen. Die neuen Medien würden reale Beziehungen verhindern.
Auch dieses Argument ist Quatsch. Im Gegenteil: Smartphones sind notwendig, um die Kommunikation mit unseren Kindern aufrechtzuerhalten. Als Eltern stehen wir alle vor dem Problem, dass unsere Kinder ab einem bestimmten Alter nur noch in Ein-Wort-Sätzen mit uns reden. („Wie war es in der Schule?“ „Gut“ „Gab es etwas Besonderes?“ „Nein“ „Was gab es zum Mittagessen?“ „Weißnich.“). Hier bieten Smartphones die letzte Möglichkeit, mit unseren Kindern ins Gespräch zu kommen. Dazu müssen wir lediglich unseren Kindern ein Smartphone schenken und ihnen dann nach ein paar Wochen sagen, sie sollen gefälligst ihren Medienkonsum einschränken, sonst würde der WLAN-Zugang gesperrt. Zugegebenermaßen entstehen dadurch keine schönen Gespräche, sondern von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägte Unterredungen, die in einer sozial abnormen Lautstärke geführt werden. Aber so pflegen wir immerhin sehr reale Beziehungen mit unseren Kindern. Und das ist es ja, was sich Herr Spitzer wünscht.

Mehr Interaktion mit Ihren Kindern gewünscht? Schalten Sie das WLAN ab!
© Viacheslav Iakobchuk/Fotolia

6. Keine digitale Macht den Arschgeigen

Sicherlich teilen Sie inzwischen meine bedingungslose Befürwortung der Digitalisierung aufgrund ihrer nicht von der Hand zu weisenden segensreichen Wirkungen. Dennoch möchte ich nicht verhehlen, dass es auch Schattenseiten gibt. Das Internet ist voll mit Inhalten und Personen, von denen wir unsere Kinder fernhalten möchten. Verschwörungstheoretiker fabulieren über Chemtrails, Reichsbürger hetzen gegen den Staat, AfDler verbreiten Lügen über Flüchtlinge, US-Präsidenten schreiben Fake-Tweets und brutale Porno-Videos sind nur einen Klick entfernt.

Aber genau deswegen müssen wir unsere Kinder ins Internet schicken. Schließlich wollen wir die digitale Welt nicht den Kriminellen, den Rassisten, den Perversen, den Psychopathen und den Lügnern überlassen. Lassen Sie uns unsere Kinder zu mitfühlenden, reflektierten und weltoffenen Menschen erziehen, dann werden sie das Internet zu einem besseren Ort machen!

Kinder sollten die Welt zukünftig auch im Netz zu einem besseren Ort machen können!
© Kayla Velasquez/Unsplash

####

Nach Fertigstellung des Beitrags habe ich mich schlau gegoogelt und die Erkenntnis gewonnen, dass meine einzigartige Begriffsschöpfung „Digitale Potenz“ nicht ganz so einzigartig ist, sondern bereits 2012 von Gunter Dueck auf seinem „WILD DUECK BLOG“ verwendet wurde und zwar in einem „Überspitzer gegen den Über-Spitzer“.

Weitere Kolumnen von Christian Hanne hier im ELTERN! Magazin:

 

Über den Autor

Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und „Nackte Kanone“ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog „Familienbetrieb“, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.

Im September ist sein Buch „Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith“ im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten sinniert er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.

 

Im Netz

Erziehen Väter anders? Eine kleine Typologie über das unbekannte Wesen

Katharina Looks

Vätergruppen haben ganz unterschiedliche Erziehungsvorstellunge
© pixabay.com

Vater ist nicht gleich Vater: Es gibt verschiedenste Typen und ebenso unterschiedliche Erziehungsvorstellungen. Eine kleine Vätertypologie über WM-Pokal-Träume und Horrorszenarien mit dem Nachwuchs als Gewerkschaftsführer.

Eine Kolumne von Christian Hanne, Blog Familienbetrieb.

Als bloggender Vater werde ich häufig gefragt, ob Väter anders erziehen als Mütter. Eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Glücklicherweise habe ich mit der Geburt meiner Tochter eine seit dreizehn Jahren andauernde Feldstudie in Kitas, Sportvereinen, Schulen und auf Spielplätzen gestartet, bei der ich Väter in ihrem natürlichen Lebensraum beobachte. Dabei ist es mir gelungen, basierend auf den neuesten Erkenntnissen der europäischen Ethnologie, der Geschlechtersoziologie und der Sozialpsychologie, verschiedene Vätertypen zu identifizieren, von denen ich Ihnen die interessantesten im Folgenden vorstellen möchte.

Der Macho-Daddy

Die kumpelhafte “Autoritätsperson”: Macho-Daddy
© pixabay.com

Vor der Geburt hat der Macho-Daddy seine Figur beim Crossfit gestählt, seine Grill-Künste durch ein “BEEF”-Abonnement perfektioniert und versucht, als Pick-up-Artist Frauen aufzureißen. Nach der Geburt treibt ihn die Angst um, seine Männlichkeit könnte unter der Vaterrolle leiden. Um zu zeigen, dass er kein Weichei ist, überkompensiert er ständig. Er kleidet das Baby in Iron-Maiden-Bodys, rüstet den Kinderwagen mit einem Raketenantrieb auf und lässt sich den Namen des Kindes auf die Fingerknöchel tätowieren.

Der Macho-Daddy nimmt zwei Monate Elternzeit und fährt mit der Familie nach Südostasien. Dort widmet er sich dem Scuba Diving und Jetski-Fahren, die Mutter kümmert sich derweil um das Kind. Nach der Rückkehr erzählt er seinen Kumpels, wie wichtig die Elternzeit für die Bindung zu seinem Kind war.

Der Erziehungsstil des Macho-Daddys ist kumpelhaft und kommt ohne Verbote aus. Wenn das Kind im Supermarkt brüllend vor dem Süßigkeitenregal liegt, kauft ihm der Macho-Daddy eine Tafel-Schokolade. Und den Millenium-Falken von Lego.

Der Macho-Daddy träumt davon, dass sein Sohn 2040 den WM-Pokal in die Höhe hebt. Dagegen ist es für ihn ein Albtraum, der Sohn könnte unsportlich sein. Oder Balletttänzer werden.

Der Karriere-Dad

Der Karriere-Dad bekommt nur Nachwuchs, weil seine persönliche Zielvereinbarung vorsieht, ein Haus zu bauen, einen Baum zu pflanzen und ein Kind zu zeugen. Der Care-Arbeit verweigert er sich mit evolutionären Argumenten. Da früher die Neandertaler-Männchen Mammuts jagten, sieht er sich außerstande, Windeln zu wechseln.

Elternzeit nimmt der Karriere-Dad nicht, da er Angst hat, die Kollegen stellen in seiner Abwesenheit fest, dass er entbehrlich ist und ein dressierter Schimpanse seine Aufgaben wesentlich effizienter erledigen könnte.

Mit seinem Kind verbringt der Karriere-Dad nur sehr wenig Zeit. Ab und an liest er ihm abends aus dem Handelsblatt vor.

Der Erziehungsstil des Karriere-Dads ist opportunistisch-kapitalistisch. Wenn das Kind im Supermarkt brüllend vor dem Süßigkeitenregal liegt, kauft der Karriere-Dad keine Schokolade, sondern erwirbt Aktien von Süßigkeiten produzierenden Konzernen, um aus der Naschsucht von Kindern Profit zu schlagen.

Es ist der Traum des Karriere-Dads, dass sein Sohn einmal CEO eines Dax-Unternehmens wird. Oder seine Tochter den CEO eines Dax-Unternehmens heiratet. Unerträglich ist für ihn die Vorstellung, sein Kind könnte Sozialpädagogik studieren. Oder Gewerkschaftsführer werden.

Der feministische Bio-Papa

Der antiautoritäre Elternteil: Bio-Papa
© pixabay.com

Der feministische Bio-Papa strebt nach absoluter Gleichberechtigung in seiner Partnerschaft und der Kindererziehung. Dies führt zu Konflikten mit der Kindsmutter, weil er es ihr übelnimmt, dass sie das Baby ausgetragen hat und nicht er.

Der feministische Bio-Papa nimmt zwölf Monate Elternzeit und verachtet alle Väter, die es ihm nicht gleichtun, als reaktionäre Stützen des Patriarchats. Nach der Elternzeit kündigt der Bio-Papa seinen Job und wird Hausmann. Dabei perfektioniert er seine veganen Kochkünste. Die Mangelernährungserscheinungen des Kindes lässt er beim Schamanen homöopathisch behandeln.

Der Erziehungsstil des feministischen Bio-Papas ist antiautoritär. Alle Entscheidungen in der Familie werden basisdemokratisch getroffen. Dass dieses Modell seine Schwächen hat, bemerkt der feministische Bio-Papa erst nach dem dritten Kind, wenn er und seine Partnerin bei allen Entscheidungen von den Kindern überstimmt werden.

Der feministische Bio-Vater träumt davon, als Dadpreneur zum Haushaltseinkommen beizutragen. Dazu gründet er den Online-Shop “Filz-Laus”, über den er selbstgefilzte Windeln vertreibt. Sein größter Albtraum ist die Vorstellung, dass seine Kinder mit Spielzeugwaffen aus Plastik spielen.

Der Trans-Papa

Der Typus des Trans-Papas ist zugegebenermaßen im Vergleich zu den anderen Väter-Typen nicht so weit verbreitet, aber umso wichtiger ist es, ihn hier vorzustellen. Trans Papas sind – grob vereinfacht ausgedrückt – Menschen, die sich nicht dem ihnen zugeordneten Geschlecht zugehörig fühlen. Somit können Trans-Papas Männer sein, die mit einem weiblichen Körper zur Welt kamen, aber auch Frauen, die mit männlichen Genitalien geboren wurden. Dies stellt andere Eltern mitunter vor die kommunikative Herausforderung, dass sie nicht wissen, wie sie Trans-Papas bezeichnen sollen. Als Mutter, Vater, Vutter oder Matter.

Der feministische Bio-Papa sucht gerne die Nähe zu Trans-Papas, um dadurch seine Weltoffenheit zu demonstrieren. Dies stößt nicht nur auf Gegenliebe, da Trans-Papas auch nicht uneingeschränkt leidensfähig sind.

Andere Mütter betrachten Trans-Papas, die als Frau leben, mit einer gewissen Missgunst, denn Trans-Papas sind meistens besser gekleidet. Außerdem können sie ihrem Kind beibringen, wie man einen Ball wirft, woran andere Mütter scheitern. (Ich freue mich schon sehr über die Zuschriften, die mich ob dieser progressiven Sichtweise beglückwünschen.)

Der Erziehungsstil der Trans-Papas ist gemeinhin verständnisvoll. Allerdings stößt dieses Verständnis an Grenzen, wenn das Kind im Supermarkt brüllend vor dem Süßigkeitenregal liegt. Von anderen Vätern ist hier leider keine Hilfe zu erwarten. (Von anderen Müttern übrigens auch nicht.)

Es ist der Traum von Trans-Papas, dass das Kind nicht gefragt wird, ob es schlimm ist, ohne ‚richtigen‘ Papa aufzuwachsen. Dagegen ist es ihr Albtraum, dass Kind könnte eines Tages CSU-Kreisvorsitzender werden.

Der intellektuelle Bildungsbürger-Vater

Der allseits Diskussionsfreudige: Bildungsbürger-Vater
© kues1fotolia.com

Dass der intellektuelle Bildungsbürger-Vater überhaupt Nachwuchs hat, grenzt an ein Wunder, denn als promovierter Geisteswissenschaftler zählt die Erledigung von Alltagsverrichtungen wie Einkaufen, Kochen oder Geschlechtsverkehr nicht zu seinen Stärken. Deswegen ist es auch unwahrscheinlich, dass er mehr als ein Kind haben wird. Prinzipiell würde er gerne Elternzeit nehmen, scheitert aber am Ausfüllen des 17-seitigen Elterngeld-Antrags in dreifacher Ausfertigung.

Der Erziehungsstil des intellektuellen Bildungsbürger-Vaters ist rational-diskursiv. Wenn sich das Kind im Supermarkt schreiend vor dem Süßigkeitenregal wälzt, diskutiert er mit ihm nach den Regeln der aristotelischen Diskursethik, warum er nicht gedenkt, eine Tafel Schokolade zu erwerben. Abends liest er dem Kind dann aus Sartres “Die Transzendenz des Ego” vor.

Der intellektuelle Bildungsbürger-Vater würde sich von seinem Kind gerne als ‚Herr Vater‘ anreden lassen. Dies scheitert an einer ausgeprägten T-K-Schwäche des Kindes, so dass die Anrede immer wie ‚Herr Facker‘ klingt.

Es ist der Traum des intellektuellen Bildungsbürger-Vaters, dass sein Kind einmal den Literaturnobelpreis verliehen bekommt. Dagegen ist es für ihn ein Horrorszenario, dass sein Sohn 2040 den WM-Pokal in die Höhe hebt.

###

Ich hoffe, diese Ausführungen beantworten die Ausgangsfrage, ob Väter anders als Mütter erziehen. Ja, tun sie. Und Väter erziehen anders als Väter. Und Mütter anders als Mütter.

Vielen Dank an Nina von ‘Frau Papa’ für ihren hilfreichen Input.

Weitere Kolumnen von Christian Hanne hier im ELTERN! Magazin:

Kolumne von Eltern für Eltern 

Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie hier Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens. Alle Kolumnen ansehen.

Über den Autor Christian Hanne

Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel von Ephraim Kishon gelesen und zu viel ‘Nackte Kanone’ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.

Im September ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten schreibt er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.

Im Netz:

So bauen Eltern und Lehrer eine gute Beziehung auf – 5 Punkte für ein High five!

Katharina Looks

High Five!
© Tollabea

Eltern und Lehrer mögen sich oft nicht. Alltag an deutschen Schulen, weiß Béa Beste, Gründerin der bilingualen Phorms-Schulen, und verrät ihre Tipps, wie man die Beziehung doch noch retten kann.

06.07.2015, Kolumne “Die Elternflüsterer”

Buh! Schreckwort gefällig? Bitteschön: Lehrer!

Liebe Eltern, ich weiß Bescheid. Ich habe selbst mal Schulen gegründet. Wie viele Freunde von mir sind mir da plötzlich mit ernster Miene näher gerückt und haben mich mit gesenkter Stimme eingeweiht: “Ganz ehrlich? Ich mag keine Lehrer!” Autsch.

Wenn Sie jetzt tief in Ihnen auch diese Abneigung oder auch nur ein leichtes Unbehagen verspüren, haben Sie ein Problem. Denn wichtige Forscher haben herausbekommen, dass Kinder und Jugendliche eigentlich die besten Lernergebnisse erzielen, wenn ihr Beziehungsdreieck mit Eltern und Lehrern im Einklang ist!  

Und Doppel-Autsch: Möglicherweise beruht das Unbehagen auf Gegenseitigkeit. Im Lehrerstudium in Deutschland wird zwar Fachliches und Didaktisches recht ordentlich vermittelt, aber wenig zum Thema “Parent-Management” – so wie zum Beispiel in Kanada oder Australien. Dort ist es Teil der Ausbildung, zu wissen, dass man “separated by a common goal” ist – “getrennt von einem gemeinsamen Ziel”. Dieses Ziel ist das Wohl und die Entwicklung des Kindes. Beide wollen es erreichen, beide meinen, besser zu wissen, wie das funktionieren kann. Kanadische und australische Lehrer lernen, wie man sich bei diesem “wie” einigt. Unsere Lehrer hierzulande oft nicht.

Aber Jammern hilft nicht! Die Beziehung zwischen Eltern und Lehrern gehört verbessert. Sie müssen zusammen an einem Strang ziehen. Sie sind keine Feinde. Und da ich für Sie, liebe Eltern, hier flüstere, gibt es nun meine besten Tipps, wie Sie Ihren Teil dazu beitragen:

5 Tipps für eine gute Beziehung zwischen Eltern und Lehrern …

… wenn Sie diese beherzigen, geben Sie sich schon bald ein High five!

Tipp 1: Erstmal lächeln

… und freundlich winken (würden jetzt die Madagaskar-Pinguine sagen …). Selbst wenn Ihnen das völlig Banane vorkommt. Signalisieren Sie von Anfang an, dass Sie in Frieden und guter Laune kommen. Es hilft, und zwar bei jeder Begegnung zwischen Eltern und Lehrern in der Schule, auch wenn es einmal nichts zum Lächeln gibt. Trotzdem!

Tipp 2: Kennenlernen, richtig kennenlernen

Geben Sie sich etwas Mühe, den Menschen zu verstehen, der da mit Ihrem Kind nahezu tagtäglich zu tun hat. Was mag er oder sie gern? Worüber spricht er oder sie mit Begeisterung? Finden Sie es heraus – allerdings zum richtigen Zeitpunkt: Morgens kurz vorm Schulstart ist es nicht so gut, dieser Recherche nachzugehen und die gute Frau oder den guten Mann aufzuhalten.

Bessere Gelegenheiten sind Schulfeste und andere, lockere Zusammenkünfte. Übrigens, nicht alle Lehrer machen gern Hausbesuche – aber diejenigen, die meine Einladungen mal angenommen haben, wurden zu richtigen Vertrauenspersonen.

Tipp 3: Etwas nett finden, auch wenn Sie nicht alles nett finden

Nicht mit jedem Lehrer findet man als Eltern eine gemeinsame Wellenlänge. Mir hat es immer geholfen, etwas Liebenswertes an jedem Menschen zu finden. So auch an den Lehrern meines Kindes: Eine bestimmte Art, Dinge auszudrücken, ein sympathischer Blick … meistens konnte mir meine Tochter immer etwas Nettes mitgeben!

Tipp 4: Fragen, nicht ansagen

Klar, Sie kennen Ihr Kind am besten, und würden allen Lehrern am liebsten eine minutiöse Gebrauchsanweisung mitgeben, wie Sie mit dem höchstbegabtesten, liebsten, kleinen Menschen der Welt umzugehen haben – damit es ihm immer gutgeht und er ideal gefördert wird. Sehen Sie es endlich ein, dass der höchstbegabteste, liebste, kleine Mensch der Welt möglicherweise ganz andere Umgangweisen und Vorlieben in der Schule hat, als Sie zu Hause beobachten können. Fragen Sie den Lehrer danach!

Und übrigens, wenn Sie davon nicht ganz überrascht werden wollen, fragen Sie erstmal den emphatischsten, kleinen Menschen Ihrer Welt: “Was glaubst du, wird mir dein Lehrer über dich erzählen, wenn ich ihn danach frage?” Kinder haben da meistens eine gesunde Einschätzung, die sie möglicherweise aber nur nach Herausgabe des Lieblingseises so richtig darlegen würden.

Tipp 5: Mal was für die Klasse organisieren

Lehrer freuen sich, wenn sie Unterstützung von Eltern bekommen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass nicht jedes Elternteil (zum Beispiel ich!) für Aufgaben wie Elternsprecher oder Kassenwart gemacht ist.

Trotzdem habe ich immer geschaut, dass ich wenigstens einmal im Schulhalbjahr etwas punktuell und fokussiert eingebracht habe, was ich wirklich gut kann – idealerweise nur an einem Tag. Ich war immer ein guter Networker und habe mich deshalb zum Beispiel für das Sponsoring eingesetzt – einmal zum Adventstee oder Weihnachtskonzert, einmal zum Sommerfest. Das hat mir gute Sympathiepunkte bei den Lehrern eingebracht. Und war deutlich cooler als das Elternsprecherdasein.

Das wären meine Tipps für den Aufbau einer guten Beziehung zwischen Eltern und Lehrern – ohne Vollständigkeitsanspruch. Wenn Sie allerdings noch zusätzliche Anregungen haben, freue ich mich sehr über Kommentare hier unten.

Über Béa Beste

Bildungsunternehmerin © Béa Beste Béa Beste ist Bildungsunternehmerin und Mutter einer großen Tochter, die sich schon im Studium befindet. Im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin plädierte Béa Beste als Expertin im Bereich „Wie wollen wir lernen?“ für eine Lernkultur der Potenzialentfaltung und mehr Heiterkeit in der Bildung. Béa gründete 2006 die bilingualen Phorms Schulen. Nach sechs Jahren als CEO ging sie 2011 auf Bildungsexpedition durch Indien, Australien, Indonesien und die USA. Inspiriert von internationalen Bildungsinnovationen entwickelte sie das Playducation Konzept: Was wäre, wenn sich Lernen wie Spielen anfühlt? Leider setzte sich das Produkt, die monatliche Tollabox mit Materialien und Ideen für Familien mit Kindern ab drei Jahren, nicht am Markt durch, sodass Béa derzeit neue Ideen entwickelt, um das Konzept digital umzusetzen. Sie führt den Kreativ-Blog der Tollabox als ‘Tollabea’ weiter

Webseite: www.tollabea.de

Twitter: @TOLLABEA | twitter.com/TOLLABEA

Die Kolumne “Die Elternflüsterer”

Im Wechsel flüstern der Journalist Christian Füller und Bildungsunternehmerin Béa Beste den Eltern Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens ins Ohr. 

Wissensdurst noch nicht gestillt? Im #scoyolo-Podcast dreht sich alles um „Lernen mit Leichtigkeit” – voller Anregungen, Tipps und alle zwei Wochen neu! Jetzt gleich reinhören:

Eltern, Kinder und Computerspiele – Die Jungs in FIFA schlagen?

Katharina Looks

Streitpunkt Computerspiele – selbst mitspielen ist auch keine Lösung, so Christian Füller.
Fotolia.com

Wer sich einbildet, er könne beim Computerspielen der Kinder etwas mit pädagogischen Sperenzchen erreichen, der liegt falsch. Einfach mal den Stecker ziehen! Exit hilft mehr als 1.000 Worte. Eine Kolumne von Christian Füller.

31.08.2015, Kolumne “Die Elternflüsterer” von Christian Füller

Wie Eltern mit dem Thema Kinder und Computerspiele umgehen können

Neulich im Biergarten höre ich meinen Freund Leonard sagen: „Hey, wir üben ein bisschen und dann zeigen wir es den Jungs mal so richtig bei FIFA15!“ Er meinte es tatsächlich so. Dass wir uns ein Stündchen vor Konsole oder Rechner warm machen sollten – um dann ein Chance beim Computer-Fußball mit den Söhnen zu haben.

Der Ansatz ist interessant. Sehr partizipativ und auf Augenhöhe. Man verbietet das Computergame nicht einfach oder verteufelt es gar, nein, man spielt es mit den Teenies. Allein, die Realität ist eine andere: Wenn Sie schon ein bisschen was mit der Konsole können, wenn Sie die ersten Ausgaben von „GTA“ erlebt haben, ok. Wenn nicht, hören Sie auf zu träumen.

Lassen Sie die Finger von Computergames. Um Ihre Söhne zu schlagen, brauchen Sie ein intensives vierwöchiges Trainingslager. Wer den Zeitfresser Games eindämmen will, der sollte andere Methoden wählen.

Computerspiele sind elternfreie Zone

Ich freue mich immer, wenn meine Mitflüstererin Béa die Welt durch die rosa Brille betrachtet (hier geht es zu ihrer Kolumne). Bei Games hat sie nur an einer einzigen Stelle recht. Die Games sind nunmal da, sie gehen nicht wieder weg.

Aber das heißt nicht, dass es damit getan wäre, Computerspiele gleich „superdoll“ zu finden. Games stumpf zu verbieten oder ausrotten zu wollen, ist natürlich Käse. Wer könnte schon eine Industrie, die mehr Umsatz macht als Hollywood, erfolgreich negieren? Aber das mit den Games einfach laufen zu lassen, das ist eben auch keine Lösung.

Béa meint, man solle mit seinen Kindern über die Zockerei reden. Oder gar neunmalkluge Fragen stellen wie: „Weißt du, wer die Spielemacher sind? Sind das coole Socken?“ Wer sich vor seinen – älteren – Kindern lächerlich machen will, der soll das gerne tun. Wer aber einen Funken Selbstachtung hat, der wird das sein lassen. Wer, bitteschön, fragt seine 15jährigen Kinder, ob er mit zu ihrer Party gehen kann? Oder: Wie viel muss man geraucht haben, um zu fragen, „ob da coole Socken waren“?

Wieso stelle ich diesen Vergleich an? Weil ich glaube, dass Jugendliche das Recht auf Freiräume haben, in denen sie gerade NICHT mit ihren Eltern kommunizieren, von ihnen belehrt oder auch nur beobachtet werden. Games zählen dazu genau wie die Party oder die Facebook-Community.

Etwas Kontrolle sollte es dann aber doch sein … 

Das heißt selbstverständlich nicht, dass Games ein Selbstläufer sein sollten oder dass es da keine Gefahren gäbe, auf die Eltern achten sollten. Ganz im Gegenteil: Die Gamerei ist geeignet, die lerntechnisch wichtigste Phase unserer Kinder im Wortsinne zu verballern, sie süchtig zu machen und sie – bei den Online-Varianten – Mitspielern auszusetzen, mit denen sie im realen Leben niemals in Kontakt treten würden. Wir übrigens auch nicht.

Bei den Games lernten die Kinder so unheimlich viel, heißt es. Räumliches Vorstellungsvermögen, Reaktionsfähigkeit und so weiter würden besser. Angeblich steigert Computerspielen sogar den IQ. Ich kenne ein paar von diesen Studien und kann nur raten: Schauen Sie sich an, wer sie erstellt hat, dann wissen Sie, warum die Ergebnisse so ausfallen, wie sie ausfallen. Die Gameindustrie ist nicht nur erfolgreich, sie ist genauso einseitig wie jede andere mächtige Industrie: Sie lässt sich viel einfallen, um ihre Produkte an das Kind zu bringen, am besten exklusiv und teuer.

Der letzte Schrei ist die so genannte Gamification. Computerspiele sollen Einzug in die Schulen halten, um dort das Lernen interessanter zu machen. Dazu gerne beim nächsten Mal mehr. 

Und was lernen wir jetzt daraus?

Was tun, fragen Sie zurecht. Die Lösung ist so simpel wie der Beginn eines Computerspiels: Bei Games gilt die Grundregel „weniger ist mehr“. Und: „je später desto besser“. Wenden Sie Béas Mitspiel- und Sprechangebote gerne an, sobald ihre Kinder in die Grundschule kommen. Vorher sollten sie ihren Kindern am besten gar nicht an Computerspiele heran lassen.

Halten Sie die Spielzeiten, wenn es losgeht, so kurz, wie eben nur möglich. Seien sie immer der Herr des W-Lans zu Hause. Wenn´s kritisch wird: Stecker ziehen – und zwar bevor, die Spieledaten ihres Filius gespeichert sind. Machen Sie sich nicht zum Sklaven eines herunterfahrenden Progamms. Wer dreimal angekündigt hat, dass in 10, 5, 2, Minuten Schluss ist, der muss dann auch Exit wählen.

Sie werden sehen, dass es danach etwas gibt, was der Schlüssel für Erziehung ist: Gesprächsbedarf – bei ihren Kindern. 

Mein Freund Leonard hat übrigens den Versuch gewagt und sich in ein „Fifa15-Turnier“ mit meinen Söhnen gestürzt. Er hat schwer auf die Mütze bekommen. Er war sehr frustriert und hat sich dann von mir zu einer Alternative überreden lassen. Echtes Fußballspielen mit einem richtigen Ball: Dort ist der Dopamin-Ausstoß zigmal höher. Und die Jungs waren total happy – dass sie inzwischen auf Augenhöhe sind.

Über Christian Füller

Christian Füller ist Journalist (u.a. FAS, Spiegel Online und Freitag) und Autor diverser Bücher über gute Schule und neues Lernen. Er hat sich dabei auch mit Eltern auseinandergesetzt. In „Ausweg Privatschulen“ (2010) gibt er Hinweise, welche private Schule sich lohnen könnte. In „Die Gute Schule“ (2009) analysiert er, warum Eltern so wahnsinnig wichtig fürs Lernen sind. Füller hat mit Jesper Juul über Eltern gestritten, die ihre Kinder immerzu nach ihrem Befinden befragen. Er hat bei Spiegel Online als ihr wichtigstes Prinzip „my kind first“ ausgemacht. Füller hat selbst zwei Kinder und hassliebt es immer noch, Elternvertreter zu sein.

Twitter: @ciffi | twitter.com/ciffi

Die Kolumne “Die Elternflüsterer”

Im Wechsel flüstern der Journalist Christian Füller und Bildungsunternehmerin Béa Beste den Eltern Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens ins Ohr. 

Urlaub: ein Spaß für die ganze Familie. Oder doch nicht?

Katharina Looks

Ich will aber nicht aus dem Pool rauskommen! Ich! Will! Ein! Eis! Sofort! Urlaub mit Kindern. So schön.
© Johan Bos/Pexels.com

Familienurlaub: endlich Zeit gemeinsam verbringen! Klingt theoretisch gut. Doch praktisch gibt es einige tückische Fallstricke. Kolumnist Christian Hanne verrät seine geheimsten Geheimtipps für einen perfekten Familienurlaub.

“Hooray, hooray, it’s a holi-holiday,
What a world of fun for everyone, holi-holiday,
Hooray, hooray, it’s a holi-holiday,
Sing a summer song, skip along, holi-holiday,
It’s a holi-holiday!”

Mit diesen gleichermaßen fröhlichen wie schlichten Zeilen huldigte die notorische Disco-Combo Boney M. 1979 dem Konzept des Urlaubs. Insbesondere die Zeile “What a world of fun for everyone”, die der Urlaub angeblich ist, lässt vermuten, dass die Band-Mitglieder allesamt kinderlos waren. (Und die Einstiegszeile “Digge ding ding ding digge digge ding ding” lässt vermuten, dass der Texter ein wenig zu häufig am Klebstoff geschnüffelt hat. Aber das nur am Rande.)

Als Eltern kennen Sie das bestimmt: Am Anfang des Urlaubs denken Sie, wie schön es doch ist, abseits der Alltagshektik den ganzen Tag viel Zeit mit den Kindern verbringen zu können. Irgendwann – und wahrscheinlich sehr schnell – merken Sie, dass die Kinder ganz eigene Vorstellungen davon haben, was Erholung, Entspannung und Freizeitgestaltung im Urlaub angeht und dass es ziemlich stressig ist, den ganzen Tag viel Zeit mit den Kindern verbringen zu müssen.

Deshalb sollten Sie ganz genau überlegen, wohin Sie mit der Familie verreisen, wie Sie dort hinkommen und wo Sie wohnen werden. Alles Faktoren, die einen sehr großen Einfluss darauf haben, wie harmonisch Ihr Familienurlaub verlaufen wird. Hilfsbereit wie ich bin, gebe ich Ihnen gerne ein paar Hinweise, was Sie da alles bedenken sollten.

Das Urlaubsziel

Chillfaktor am Meer = Null

Gib mir die Hand, ich bau dir ein Schloss aus Sand: Relaxen am Meer mit Kindern? Guter Witz. Stattdessen im Ferienprogramm: Buddeln, Graben, Wasserschleppen.
© Michael Baird/Unsplash

Kleine Kinder beschäftigen sich beispielsweise allenfalls für eine Zeitspanne von 2,7 Sekunden alleine. Danach verlangen sie geradezu herrisch von Ihnen, dass Sie stundenlang gemeinsam Sandburgen bauen, in kleinen Eimern Wasser aus dem Meer holen oder Muscheln und anderen Unrat am Strand sammeln. Am Ende des Urlaubs stehen Sie kurz vorm Burn-out und sehnen sich nach 12-Stunden-Arbeitstagen im Büro.

Sind Ihre Kinder schon im Teenager-Alter, werden diese Sie am Strand tatsächlich in Ruhe lassen. In erster Linie, weil sie von Ihnen in Ruhe gelassen werden wollen. Freuen Sie sich darüber aber nicht zu früh, denn Sie sollten ständig ein Auge auf Ihre pubertäre, mit Hormonen vollgepumpte Brut haben, damit sie nicht mit der örtlichen Strandjugend anbandelt, es zum zwanglosen und ungeschützten Austausch von Körperflüssigkeiten kommt (“And what else we’ll do is up to you – heydiheydihoh!”) und Sie neun Monate später ein bleibendes Urlaubs-Souvenir haben.

Der Berg ruft. Hören Sie weg!

Hänsel und Gretel reloaded: Die Kinder sind schon mal vorgelaufen, die Eltern haben es nicht mehr bis zur Unterkunft geschafft.
© Spring Fed Images/Unsplash

Das ist natürlich ein totaler Irrglaube, denn Ihre Kinder haben selbstverständlich viel mehr Energie als Sie. Die einzigen, die von der vielen frischen Luft kaputt sein werden, sind Sie. Im schlimmsten Fall legen die Kinder um 17 Uhr einen kleinen Power-Nap ein und dann gibt es bis um 2 Uhr morgens Rambazamba. “On a carousel the dingdong bell – heydiheydihoh!” Schönen Dank auch, Boney M.!

Summer in the city. Really?

Möglicherweise halten Sie es für eine bessere Idee, einen Städteurlaub zu machen. Da gibt es auch ein wenig Kultur und Bildung und Sie können mit Ihren Kindern Ausstellungen und Museen besuchen. Das ist aber eigentlich nur empfehlenswert, wenn Sie besondere Freude an missgelaunten und bockigen Kindern haben. Dann könnten Sie aber auch gleich zuhause bleiben und mit Ihren Kindern unregelmäßige französische Verben üben.

Ohnehin können Ausstellungs- und Museumsbesuche ein recht kostspieliges Vergnügen sein. Damit meine ich nicht die horrenden Eintrittspreise, sondern das Risiko, dass Ihre Kinder irgendeinen sündhaft teuren Ausstellungsgegenstand kaputt machen. Ganz nach dem Boney-M.-Motto: “Fun is the thing I’m after, now let’s a’live it up today!” Wenn Sie das jetzt als zu weit hergeholt und übervorsichtige Bedenkenträgerei abtun, googeln Sie einfach mal “Junge zerstört Skulptur”. Danach kommen Sie sicherlich zu dem Schluss, dass es daheim doch am schönsten ist.

 

Sie haben inzwischen bestimmt verstanden, dass die Wahl der richtigen Urlaubsdestination wie die Wahl zwischen Pest, Cholera und spanischer Grippe ist.

Die Anreise

Wir steh’n, steh’n, steh’n auf der Autobahn

Bei Reisen mit dem Auto unbedingt einpacken: starke Nerven, Tonnen an Proviant und Akkuladegeräte für alle elektronischen Bespaßungs-Devices. Unbedingt Zuhause lassen: die Lieblings-Conni-CD.
© Steinar Engeland/Unsplash

Mit Kindern stundenlang im Auto eingepfercht zu sein, ist selbst für tiefenentspannte Zen-Mönche eine Tortur, wenn aber irgendwann der Proviant – und insbesondere Süßigkeiten und zuckerhaltige Brausegetränke – ausgeht und die Akkus der mobilen Endgeräte und des elektronischen Unterhaltungsspielzeugs unter die kritische 5%-Grenze rutschen, dann hat Mordor Wandertag und Sie wünschen sich, Sie hätten die Urlaubsfahrt nie angetreten.

Ich habe an anderer Stelle einmal kurz zusammengeschrieben, was Sie konkret noch dazu beitragen können, um die Autofahrt zur Reise im Harmony-Express zu verwandeln.

Eine Zugfahrt, die ist lustig!??

Alles einsteigen bitte: Wer auch gerne Engtanz mit schwitzenden Fremden mag, für den ist eine Reise mit der Bahn während der Sommerferienzeit vielleicht genau das Richtige.
© Rafael de Nadai/Unsplash

Ohnehin sollten Sie sich nur für eine Zugfahrt entscheiden, wenn Sie gerne in die finnische Dampfsauna gehen und Ihnen ausgefallene Klimaanlagen bei 35-Grad-Außentemperatur nichts ausmachen. Und Sie gerne mit Soziopathen und Menschen, deren Hygienevorstellungen stark von der sozial akzeptierten Norm abweichen, reisen. Aber wenn Sie Kinder im Teenager-Alter haben, sind Sie das ja gewohnt.

Über den Wolken, muss die Flugangst wohl grenzenlos sein

Gehören Sie auch zu denen, die leicht panisch werden, wenn Ihr Sitznachbar sein Handy während des Fluges nicht ausschaltet? OBWOHL die Flugbegleiterin es GERADE bei der Sicherheitseinweisung gesagt hat?!!1!
© Stephen Leonardi/Unsplash

Nach diesem Fragefeuerwerk laufen in Ihrem Kopf unentwegt Horrorszenarien à la „Katastrophenflug 232“ ab und selbst als Mensch, der nicht unter panischer Flugangst leidet, werden Sie den Flug nur überstehen, indem Sie sämtlichen Alkohol aus dem Servier-Trolley der Flugbegleiterinnen in sich hineinschütten, bis in Ihrem Kopf Boney M. singen: “On the loop di loop we swing and swoop – heydiheydihoh!”

###

Sie haben inzwischen bestimmt verstanden, dass die Wahl des richtigen Urlaubstransportmittels wie die Wahl zwischen Kuhdung, Pferdeäpfeln und Hundekacke ist.

Die Unterkunft

Campen. Wenn Ihnen alles egal ist

Doof, wenn es jetzt anfängt, zu regnen.
© Foad Manghouly/Unsplash

Die Ferienwohnung. Wanderdüne mit vier Wänden

Da erscheint es möglicherweise ratsamer, eine Ferienwohnung zu buchen, die mehr Komfort verspricht. Dann müssen Sie auch nicht andauernd auf andere Camper Rücksicht nehmen, sondern können die ganze Zeit tun und lassen, was Sie wollen. Also, abgesehen von der Zeit, in der Sie kochen, putzen, aufräumen und Wäsche waschen müssen. Und Sand aus der Wohnung fegen. Bei einem Urlaub mit Kindern wird das gut 90 Prozent Ihres Tages in Anspruch nehmen. „What a world of fun for everyone, holi-holiday!“

All-inclusive Hotel. Die tägliche Kinderdisco-Hölle

Hacke, Spitze, hoch das Bein: Um sich auf den All-Inclusive-Urlaub vorzubereiten, sollten Sie zumindest den örtlichen Club-Tanz vorher einstudieren.
© Artsy Bee/Pixabay

Wenn Sie die permanenten Essensdiskussionen nicht abschrecken können, sollten Sie daran denken, dass der tägliche Höhepunkt in Club-Urlauben die abendliche Kinderdisco ist. Und weil die Kinder so schüchtern sind, müssen Sie immer gemeinsam mit ihnen auf die Tanzfläche gehen. Dass es den anderen Eltern genauso ergeht, macht es auch nicht besser, führt es Ihnen doch gnadenlos vor Augen, dass Sie sich gerade ebenfalls wie ein hüftsteifes Rhinozeros mit Sonnenbrand zu Kinderlied-Klassikern wie Das rote Pferd, Veo Veo und Aramsamsam bewegen.

###

Sie haben inzwischen bestimmt verstanden, dass die Wahl der richtigen Urlaubsunterkunft wie die Wahl zwischen Helene Fischer, Wolfgang Petry und den Flippers ist.

Die Lösung

Weil es das Beste für alle Beteiligten ist: Vielleicht sollten jeder seinen eigenen Urlaub machen.
© Ksenia Makagonova/Unsplash

Weitere Kolumnen von Christian Hanne hier im ELTERN! Magazin:

Über den Autor

Christian Hanne, Jahrgang 1975, ist im Westerwald aufgewachsen und hat als Kind zu viel Ephraim Kishon gelesen und ‘Nackte Kanone’ geschaut. Inzwischen lebt er mit seiner Frau und ihren beiden Kindern in Berlin-Moabit. Auf seinem Blog ‘Familienbetrieb’, auf Twitter und Facebook schreibt er über den ganz normalen Alltagswahnsinn. Kulinarisch pflegt er eine obsessive Leidenschaft für Käsekuchen. Sogar mit Rosinen. Ansonsten ist er mental einigermaßen stabil.

Im September 2016 ist sein Buch “Wenn’s ein Junge wird, nennen wir ihn Judith” im Seitenstraßenverlag erschienen. In zwölf gar nicht mal so kurzen Kurzgeschichten sinniert er darüber, wie Schwangerschaft, Marathongeburten und nachtaktive Babys eine moderne, gleichberechtigte Partnerschaft auf die Probe stellen.

Im Netz

Frühstücksideen für die Schule: Bento-Boxen im Test

Katharina Looks

Lecker Dosenfutter: Was kann ich meinem Kind mit in die Schule geben, das gesund ist UND Spaß macht? Unsere Redakteurin Kali stürzt sich todesmutig in einen neuen Selbstversuch und probiert Pausenbrot-Ideen mit Fun-Faktor aus.

“Mama, ich will nie wieder Brot!”, schreit mein Sohn begeistert, als er am Montagmorgen sieht, wie ich seine Frühstücks-Box für ein Foto drapiere. “Scheiße, was hast du nur getan”, schießt mir ein Gedankenblitz durch die müde Hirnrinde. Ich habe nämlich einen neuen Selbstversuch gestartet: Eine Woche lang mache ich dem Kleinen Bento-Boxen und probiere aus, was praktikabel UND lecker ist – und was nicht.

Bento? Nein, ich gebe meinem Kind kein Sushi zum Frühstück mit. Bento-Boxen waren ursprünglich simple japanische Essens-Boxen mit mehreren Fächern, gefüllt mit verschiedenen Speisen. Die Japaner mussten es aber mal wieder übertreiben und füllen sie mit kleinen Kunstwerken wie niedlichen Reis-Tierchen, Brot-Monstern und Obst-Figürchen. Die Amerikaner machten es nach, dann die Europäer. Und jetzt ich.

Warum ich mir das antue? Seit ein paar Wochen besucht der Knirps die Vorschule. Seitdem wünsche ich mir, ich hätte eine militärische Grundausbildung durchlaufen, dann wäre ich auf die vielen Herausforderungen zumindest etwas besser vorbereitet gewesen: Ich muss unmenschlich früh aufstehen und mich innerhalb kürzester Zeit anziehen, Frühstück und Kaffee herunterstürzen, das Kind antreiben, sich endlich fertig zu machen und dann im Laufschritt zackig zur Vorschule marschieren.

Für eine Herausforderung hätte mich aber auch die beste Militärakademie der Welt nicht gerüstet: Ich muss dem Kind nun jeden Tag ein ausgewogenes, gesundes und pädagogisch wertvolles Frühstück mitgeben. Und das soll dann auch noch schmecken. Einem Fünfjährigen.

Vorher hat die Kita mit ihrem Bio-Essensplan ganze Arbeit geleistet, ein komplexer Algorithmus aus neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und Angeboten des hiesigen Bio-Supermarkts. Wunderbar! Mein Gewissen war beruhigt, wenn es abends mal nichts “Ordentliches” gab. Und jetzt? Jetzt bin ich für die wichtigste Mahlzeit des Tages selbst verantwortlich. Tolle Wurst.

In den ersten Vorschul-Wochen bin ich vom frühen Aufstehen allerdings so gelähmt, dass ich außer Klappstullen und Studentenfutter nichts zustande bringe. Nachmittags darf ich dann die zerfledderten Brot-Leichen aus der Frühstücksbox puhlen.

Nachdem sich mein Körper an die unchristliche Aufstehzeit gewöhnt hat, schaltet sich mein Hirn wieder ein und meint, ich sollte dem Kind doch mal was Anständiges mitgeben. Was der auch isst. Gerne. Google-Bildersuche und Pinterest verzaubern sofort die Bastelmutti in mir. “Das kann ich auch!”, brüllt sie mit erhobenem Haupt. Let the Bento-Spiele begin.

Challenge accepted also. Für mich stand jedoch fest: Ich wollte ansonsten kein Extra-Zubehör besorgen, obwohl es in vielen Shops Unmengen an süßen Bento-Accessoires gibt. Back- und Bastelmutti hat aber auch bereits einiges zur Hand, z. B. Silikon-Muffin-Förmchen, einen Lebensmittelstift, Wackelaugen und Zuckerschrift. (Für Spießchen und Co. habe ich Cake-Pop-Stile verwendet, da sich mein Kind Zahnstocher oder Schaschlikspieße regelmäßig in den Gaumen rammt. Unglück abgewendet.)

Am Wochenende habe ich dann erstmal das Internet durchforstet, Inspiration habe ich unter anderem bei Berlin Mitte Mom gefunden, die auch Bento-verliebt ist und auf ihrer Seite Lunchboxdiary und ihrem Pinterest-Board “Snackboxideen für Kinder” viele tolle Ideen sammelt. Für die Muffins in meiner Dienstags-Box habe ich dieses tolle und einfache Rezept von familieberlin leicht abgewandelt und noch Mais, Paprika und getrocknete Tomaten zugefügt und ein bisschen Käse oben drauf gestreut. Yummi!

Mit genug Inspiration und Rezepten im Kopf habe ich dann eine Planzeichnung und darauf folgend einen Einkaufszettel gemacht. Ganz schön viel Arbeit. Aber: Dank meines ausgeklügelten Plans muss ich in dieser Woche kaum noch etwas einkaufen. Mittags gibt es Essen in der Schule/bei der Arbeit, abends können wir uns dann mit den Resten von Wraps, Muffins, Gemüse und Obst vergnügen, aus den Frühstücks-Schweinchen wurden im Handumdrehen Abendbrot-Ferkel. Simsalabim.

Einige Inhalte meiner Bento-Boxen erfordern doch einiges an Zeitaufwand, ein paar wenige auch Geschick. Diese verflixten kleinen Pinguine zum Beispiel. Weil ich auf keinen Fall noch früher aufstehen kann/will, bereite ich diese Dinge einfach schon abends vor. Und spare so morgens einiges an Zeit. Yey.

Ich sollte also auch in Zukunft mehr planen und vorbereiten. So passiert es mir dann wohl seltener, dass ich abends in die Brotkiste schaue und erschrocken feststelle, dass mein Kleiner morgen wohl Zwieback-Reste frühstückt. Oder mir sogar erst morgens Gedanken mache und dann eh alles zu spät ist und wir dann schlussendlich auch.

Trotzdem ist es mir so viel Kreativität und Bastelei jeden Tag ehrlich gesagt zu anstrengend. Einige der Dinge gehen super einfach: Die Fruchtstäbe, Gurken-Karotten-Blumen oder die Lachsröllchen zum Beispiel werden in Zukunft auf jeden Fall wieder ihren Weg in die Brotdose finden. Der Brot-Dino ist für mich allerdings ausgestorben, da fällt so viel Abfall an und Mami bekommt dann ständig Rinde zum Frühstück.

Und: Übermäßig viel Abwechslung und Food-Entertainment ist auch nicht gut für die kleine Kinderseele. Mein Liebling mutierte nämlich schon an Tag zwei zur Diva: “Die Pinguine ess’ ich nicht, ich will wieder einen Zauberstab!” Wie sagt Omma immer so schön: Wenn wir jeden Tag Sahnetorte essen, schmeckt die irgendwann auch nicht mehr. Ab jetzt werde ich also das Frühstück besser planen und so abwechslungsreicher gestalten. Und dem Knirps dann und wann mal eine Überraschung in die Brotbox legen, dann bleibt es etwas Besonderes.

Über die Autorin

Redakteurin © Kali Richter Kali Richter studiert Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Hamburg. Sie schreibt nicht nur gerne über sondern auch für Kinder. Das gebürtige Nordlicht hat in Hamburg seine Heimat gefunden, fühlt sich aber in der Welt zu Hause, ihr Rucksack war dabei lange ihr liebster Begleiter. Seit sie 2011 Mutter eines Sohnes wurde, darf es aber auch mal Pauschalurlaub sein.

Kolumne von Eltern für Eltern 

Im Wechsel schreiben Blogger und Journalisten über Themen, die Eltern bewegen. Lesen Sie hier Geschichten und Beispiele aus der wunderbar chaotischen Welt des Lernens und Lebens. Alle Kolumnen ansehen.